Gast in den Höhlen

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Legolas
Meine Augenlider fühlten sich schwer an, ebenso wie der Rest meines Körpers. Mein Kopf hingegen fühlte sich ein wenig schwammig an und im ersten Moment konnte ich mir nicht erklären wieso. Schließlich schlug ich langsam meine Augen auf und blinzelte ein paar Mal. Ich erkannte die graue Decke meines Gemachs, welches sich in einer der unzähligen Höhlenräume befand. Meine Augen schweiften weiter durch den Raum und blieben schließlich an Vater hängen. Er saß neben mir auf dem Bett und wahr wohl eingenickt. Ich schmunzelte leicht. Dann bemerkte ich die Verbände um meinen Oberkörper und die Kompresse an meiner rechten Seite. Was war geschehen? Vater schreckte neben mir aus dem Schlaf und sah dann sofort zu mir. ,,Du bist aufgewacht", stellte er fest. ,,Du offenbar auch", entgegnete ich mit einem leichten Schmunzeln, worauf er nickte. ,,Wie geht es dir?", fragte Vater und setzte sich wieder aufrecht hin. ,,Mein Körper fühlt sich schwer an und in meinem Kopf befindet sich gefühlt nur noch Matsch. Aber ansonsten geht es mir eigentlich ganz gut", antwortete ich, ,,Allerdings...es ist doch etwas eigenartig. Was ist passiert? Warum trage ich einen Verband?" ,,Du erinnerst dich nicht?", hakte Vater nach und ich schüttelte den Kopf. ,,Wahrscheinlich eine Nachwirkung des Schlafmittels", meinte Vater nachdenklich und berichtete mir anschließend, was passiert war. ,,Wo ist Lessien? Geht es ihr gut?", fragte ich danach sofort und wollte mich ein Stück aufrichten. Vater hielt mich jedoch zurück. ,,Du musst liegen bleiben", sagte er, ,,Und was Lessien angeht: Sie liegt dort auf dem Sofa und schläft. Sie hatte nur eine leichte Verstauchung am Fuß, um die ich mich gekümmert habe." Mein Blick lag zunächst auf Lessien, die tatsächlich seelenruhig schlief, jedoch wandte ich mich dann wieder an Vater. ,,Du hast sie verarztet? Ich dachte du magst sie nicht?", fragte ich, ohne wirklich über meine Worte nachzudenken. Erst im Nachhinein wurde es mir bewusst. Vater schien es jedoch nicht zu stören, dass ich diese Tatsache einfach so ausgesprochen hatte. Sein Blick schweifte zwischen Lessien und mir hin und her, während er antwortete. ,,Ich weiß, dass du sie magst und sie dich im Übrigen auch. Ich selbst bin immer noch etwas skeptisch ihr gegenüber, aber da mir jetzt klar ist, dass sie dir viel bedeutet, konnte ich sie doch nicht weiter humpeln lassen", meinte er, ,,Außerdem hättest du mir das sicher nicht so schnell verziehen." ,,Das wäre allerdings möglich", gab ich zu, erleichtert darüber, dass Vater sich wohl doch dazu hatte durchringen können, Lessien zu akzeptieren. Wenn auch nur meinetwegen. Ein Klopfen an der Tür erregte unsere Aufmerksamkeit. ,,Herein", sagte ich und kurz darauf stand Gimli im Zimmer. ,,Gimli, mein Freund", sagte ich, erfreut über seinen Besuch. ,,Ich wollte mal sehen, wie es dir geht", sagte der Zwerg. ,,Mir geht es ganz gut. Aber ich muss mich schonen, die Operation war wohl sehr lang und kräftezehrend", erklärte ich. ,,Das packst du schon, immerhin bist du fast so robust wie ein Zwerg", meinte Gimli. Vater und ich wechselten daraufhin kurz einen amüsierten Blick. ,,Aber auch nur fast so robust", meinte ich dann mit einem Schmunzeln. Gimli nickte mit einem neckischen Grinsen auf den Lippen, wurde dann aber wieder ernst. ,,Aber sagt mal, wisst ihr eigentlich was das für ein Wesen war? Und was ist mit dem eigentlich passiert?", fragte der Zwerg dann. Fragend sah ich zu Vater. ,,Feren meinte, das Wesen wäre ein Dämon gewesen. Die ersten wurden wohl von Sauron geschaffen, zumindest traten sie während seines ersten Aufstiegs erstmals in Erscheinung. Feren hat den Dämon im Wald schließlich getötet", erzählte Vater. Gimli nickte etwas nachdenklich. ,,Wo ist Feren eigentlich?", fragte ich, denn nun war mir nicht nur eingefallen, dass Feren noch hier sein musste, sondern auch, dass ich als König die Entscheidungsgewalt über seinen Aufenthalt hatte. ,,Eingeschlossen in einem Raum", antwortete Vater, ,,Ich war vorhin bei ihm und habe mit ihm gesprochen." ,,Und was hat er gesagt?", fragte ich. ,,Er war nie der, für den wir ihn hielten. Ursprünglich war er ein Auftragsmörder und Dämonenjäger, der sich allerdings letztendlich für ein anderes Leben entschieden hatte. Seine Verbindungen zu Celleth waren allerdings unfreiwillig. Er wurde gezwungen. Nachdem ich seinen Verrat erkannt hatte, kam er in den Süden, um mit eigenen Augen zu sehen, dass du tot bist. In Umbar hörte er von dem Dämon, der sich bei den Leithian versteckte und beschloss seiner Spur zu folgen, da er vermutete, Celleth habe ihn auf uns angesetzt. Das hat sich letztendlich als richtig herausgestellt", erklärte Vater, ,,Er wartet auf deine Entscheidung, was mit ihm geschehen soll." Ich nickte und sah dann wieder zu Lessien, da sie sich bewegte. Sie war offenbar gerade aufgewacht. ,,Lessien", sagte ich, als sie sich hinsetzte. Sofort schnellte ihr Kopf zu mir. ,,Legolas, du bist wach", rief sie erleichtert aus und kam, so schnell es ihr verstauchter Fuß erlaubte, zu mir. ,,Ich habe mir solche Sorgen gemacht", sagte sie, als sie schließlich direkt bei mir stand und etwas zögernd meine Hand berührte. Ich lächelte, als auf einmal eine verschwommene Erinnerung in meinen Gedanken vorbeizog. ,,Du hast gesungen, als ich geschlafen habe, oder?", meinte ich. Lessien nickte, wohl etwas überrascht darüber, dass ich ihren Gesang wahrgenommen hatte und mich daran erinnerte. ,,Legolas, ich störe ungern, aber was machen wir mit Feren?", hakte Vater nach. Er war aufgestanden und um das Bett herumgelaufen, als Lessien zu mir gekommen war. Kurz dachte ich nach, was mir durch Lessiens Nähe und die Berührung unserer Hände zugegebenermaßen etwas schwer fiel. ,,Ich will mit ihm sprechen. Am besten sofort, damit das so schnell wie möglich geklärt wird", entschied ich dann. Vater sah mich zweifelnd an. ,,Sofort? Ich denke nicht, dass du dich jetzt schon wieder einem solchen Stress aussetzen solltest", meinte er. ,,Wenn ich es nicht sofort tue, bleibt er unnötig lange eingesperrt. Außerdem gibt es einige Dinge, die ich ihn persönlich fragen möchte", entgegnete ich. Vater blieb jedoch zunächst bei seinem Standpunkt. ,,Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es auch nicht an", sagte er. ,,Ich möchte jetzt mit ihm sprechen", beharrte ich. ,,Legolas, bitte, wir haben...", setzte Vater erneut an, doch ich unterbrach ihn. ,,Ich sagte, ich will jetzt mit ihm sprechen! Deine Widerrede ist also unnötig", sagte ich ruhig, aber dennoch bestimmt. Vater sah mich einen kurzen Moment erstaunt über meine entschiedene Widerrede an, bevor er erneut ansetzte. Das heißt, er wollte es, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. ,,Wenn wir jetzt wirklich darüber diskutieren müssen, dann bleibe ich nicht bei einer einfachen Argumentation. Denn falls du dich erinnerst, bin ich hier König", stellte ich klar. Für eine solche Diskussion hatte ich wirklich keinen Nerv und bevor einem von uns der Kragen platzte, erstickte ich die Diskussion lieber direkt im Keim. Vaters Gesichtsausdruck ließ mich daraufhin aber beinahe lachen. Ihm war deutlich anzusehen, dass er es nicht gewohnt war, so von jemandem in die Schranken gewiesen zu werden. Schon gar nicht von mir. Erstaunlicherweise überging er meine Worte und sagte stattdessen: ,,Dann werde ich ihn wohl herholen." Anschließend verließ er meine Gemächer. Gimli, Lessien und ich sahen ihm einen Moment lang nach. Gimli zog deutlich hörbar die Luft ein. ,,Ich glaube er ist eingeschnappt", meinte der Zwerg. ,,Ich glaube auch", stimmte Lessien ihm zu. ,,Auf eine so unnötige Diskussion hatte ich absolut keine Lust", erklärte ich. Lessien nickte nur mit einem leichten Lächeln und nahm meine Hand nun richtig in ihre. ,,Aber ganz abgesehen davon, lernst du langsam, wie ein König zu reden", meinte Gimli. Ich schmunzelte nur über die Worte des Zwerges, während ich mir schon einmal die Fragen zurechtlegte, die ich Feren stellen wollte. Sie betrafen vor allem Tauriel, denn so wie es schien, hatte Vater noch nicht mit Feren über meine Schwester gesprochen. Als ich das Knarzen der Tür hörte, schreckte ich aus meinen Gedanken auf, allerdings waren es nicht Adar und Feren, die eintraten, sondern der große Wolf. Gimli und Lessien wichen vor dem Wolf ein kleines bisschen zurück, der zielstrebig auf mich zulief. Am Bett angekommen, blieb der große Wolf stehen und legte seinen großen Kopf neben meine Hand, die Lessien zuvor gehalten hatte. ,,Kommst du mich auch besuchen?", fragte ich den Wolf und er gab wie zur Bestätigung ein leises Grummeln von sich. Ich lachte ein wenig, was sich aber als Fehler herausstellte, denn noch war eine Wunde frisch und meine Rippen noch nicht wieder verheilt. Ein kurzer Schmerz durchzuckte mich, als ich lachte, weshalb ich meine Hände reflexartig auf meine Rippen legte und das Gesicht verzog. ,,Was ist?", fragte Lessien sofort. ,,Lachen ist wohl noch nicht so gut für meine Rippen", antwortete ich. ,,Aber gut für deinen Gemütszustand", meinte Gimli und murmelte dann mit einem Blick zu Lessien, ,,Und auch gut für ihren." Danach herrschte Schweigen und ich wusste nicht genau, ob Lessien Gimlis Worte ebenfalls gehört hatte. Jedenfalls lächelte sie ein wenig. Es klopfte an der Tür und einen Moment später traten Vater und Feren ein. ,,Hir nin (Mein Herr)", grüßte Feren mich mit einer leichten Verbeugung. Ich nickte ihm kurz zu und wandte mich dann an die anderen drei. ,,Lasst uns allein", sagte ich. Gimli und Lessien folgten meiner Bitte und gingen, während Vater stehenblieb. ,,Damit meinte ich auch dich, Vater", sagte ich. Adar sah kurz von mir zu Feren, bevor er antwortete. ,,Ich denke, dass auch mich dieses Gespräch etwas angeht", meinte Vater dann. ,,Trotzdem möchte ich mit Feren alleine sprechen", erklärte ich, ,,Falls es dir um meine Sicherheit geht, sei unbesorgt, der Wolf bleibt bei mir." Vater nickte daraufhin mit einem widerwilligen Seufzen, warf Feren noch einen Blick zu und ging. Feren sah ihm kurz nach, bevor er sich mir wieder zuwandte. ,,Setz dich", sagte ich mit einer einladenden Geste auf den Hocker neben dem Bett. Feren folgte meiner Bitte, allerdings nicht, ohne den Wolf aus den Augen zu lassen. ,,Er wird dir nichts tun, es sei denn du greifst mich an", erklärte ich. ,,Was ich nicht vorhabe", sagte Feren. Ich nickte und begann zunächst, ihm die Fragen zu stellen, die Vater ihm wahrscheinlich auch gestellt hatte: Wieso der Verrat? Woher wusste er wo wir waren als der Dämon uns angegriffen hatte? Weshalb konnte er den Dämon mit Leichtigkeit bekämpfen und töten? Feren beantwortet alle meine Fragen und dadurch, dass er mir ununterbrochen ins Gesicht sah, war ich mir auch fast sicher, dass er nicht lügte. ,,Jetzt habe ich nur noch eine Frage, die du mir wahrheitsgemäß beantworten sollst", sagte ich. Feren nickte nur abwartend. ,,Liebst du Tauriel?", fragte ich. Diesmal schwieg Feren und senkte den Blick, als wüsste er nicht, was er darauf antworten solle. ,,Feren, liebst du sie?", wiederholte ich nach einem weiteren Moment der Stille meine Frage. ,,Ja", antwortete er schließlich flüsternd und hob den Blick schließlich beinahe unsicher zu mir. Ich betrachtete ihn für einen Moment mit steinerner Miene, bevor meine Züge weicher wurden und ich lächelte. ,,Dann hatte Vater doch recht mit seiner Vermutung", meinte ich. ,,Welche Vermutung?", hakte Feren nach. Jetzt warf ich ihm einen verwirrten Blick zu. Hatte er tatsächlich keine Ahnung von Tauriels Umständen? ,,Du weißt es nicht?", fragte ich ihn. ,,Nein. Ist Tauriel etwas zugestoßen!?", entgegnete Feren plötzlich aufgebracht. ,,Zugestoßen kann man wohl nicht sagen, aber...", setzte ich an, wurde aber von Feren unterbrochen. ,,Was ist mit ihr!?", fuhr Feren mich an und umfasste grob meine Hand. In seinem Blick lag Furcht. Paradox, wenn ich an seine lässige Haltung von vorhin dachte. Der große Wolf, der sich auf dem Boden neben meinem Bett zusammengerollt hatte, sprang auf, als er sah, dass Feren meine Hand gepackt hatte. Sofort zog Feren sich von mir zurück, den Wolf nicht aus den Augen lassend. ,,Schon gut", murmelte ich und legte meine Hand auf den Kopf des Wolfs. Dieser knurrte Feren noch einmal kurz an, bevor er sich wieder entspannte. Feren sah daraufhin wieder zu mir, immer noch die Anspannung im Blick, wie ich seine Frage zu Tauriels Zustand beantworten würde. ,,Was ist mit Tauriel?", fragte er noch einmal mit Nachdruck. ,,Sie erwartet ein Kind", ließ ich die Bombe platzen, um Feren nicht weiter auf die Folter zu spannen. Feren jedoch sah mich an, als hätte ich ihm offenbart, Illuvatar persönlich zu sein. Mit einem hörbaren Ausatmen sank er auf dem Hocker ein wenig zusammen. ,,Das ist kein Scherz?", fragte er. ,,Vater hat es mir erzählt und er weiß es von Tauriel selbst", antwortete ich. Feren fuhr sich mit den Händen durch sein Haar und schüttelte ungläubig den Kopf. Ich ließ ihm etwas Zeit, um die Nachricht zu verarbeiten, brach das Schweigen dann jedoch. ,,Deiner Reaktion nach zu urteilen, bist du der Vater des Kindes, oder?", meinte ich. Feren stieß ein kurzes, gezwungenes Lachen aus. ,,Meiner Reaktion nach zu urteilen, solltet Ihr bemerkt haben, dass ich auf eine solche Nachricht nicht vorbereitet war", entgegnete er dann, ,,Aber ja, es ist wohl so, dass ich der Vater des Kindes bin." Wieder fuhr er sich durch sein braunes Haar, stockte jedoch auf einmal mitten in der Bewegung und sah mich erschrocken an. ,,Aber sie ist doch nicht immer noch im Wald oder?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. ,,Sie ist meines Wissens nach in Bruchtal und steht unter dem Schutz von Elronds Söhnen", erklärte ich und Feren atmete erleichtert aus. Dann schien es allerdings so, als würde er nachdenken. ,,Kann ich Euch etwas fragen, hir nin?", fragte er. ,,Natürlich", antwortete ich, während ich kurz durch das dichte Fell des großen Wolfes strich. Der Wolf hatte sich aufrecht neben mich ans Bett gesetzt und Ferens und meinen Worten offenbar aufmerksam gelauscht. ,,Als ich Tauriel das letzte Mal gesehen habe, offenbarte sie mir etwas, das ich nicht erwartet hatte", setzte Feren an, ,,Es ging dabei um Euch und Euren Vater." Ich ahnte worauf Feren hinauswollte, so zögernd wie er die Worte aussprach. ,,Tauriel ist meine Schwester", unterbrach ich Feren, ,,Aber glaub mir, die Nachricht hat mich nicht mehr überrascht wie dich." ,,Ihr wisst es also", stellte Feren fest und ich nickte. Ein leichtes Ziehen unter den Verbänden erinnerte mich auf einmal wieder daran, dass ich eigentlich verletzt war. Vorsichtig legte ich meine Hand auf die Verbände an meiner rechten Seite. ,,Alles in Ordnung?", fragte Feren. ,,Ich denke schon. Aber etwas Ruhe täte mir jetzt wahrscheinlich gut", antwortete ich. Feren nickte und stand auf. ,,Was geschieht nun mit mir? Dazu habt Ihr noch nichts gesagt", meinte er, bevor er ging. ,,Du bist nun mein Gast. Du darfst dich frei in den Höhlen bewegen und bekommst ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Wende dich an Vater, er beherrscht die Sprache der Werwölfe", beschloss ich. Feren lächelte daraufhin erleichtert. ,,Ich danke Euch", sagte er, verbeugte sich leicht und ging anschließend. Ich streichelte den Kopf des Wolfes, bis mir schließlich die Augen zufielen.

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Pünktlich zu Weihnachten habe ich es geschafft ein neues Kapitel zu schreiben🎄🎅🎁

Kissed by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 3⚜Where stories live. Discover now