Flucht aus dem Auenland

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Legolas
Wir galoppierten zurück zu Pippins Hobbithöhle. Dort angekommen sprang ich von Arods Rücken und stürmte hinein. ,,Legolas ihr seid zurück!", rief Gimli erfreut, als er mich sah. Vater wurde natürlich sofort hellhörig, als er meinen Namen vernahm. ,,Legolas, habt ihr sie gefunden?", fragte er. ,,Ja und wir haben den Saft", antwortete ich, ,,Allerdings bleibt uns nicht viel Zeit! Wir müssen fort von hier,denn die Weißen Reiter sind auf dem Weg hierher!" ,,Deshalb dieses erdrückende Gefühl von nahender Gefahr", murmelte Vater nachdenklich. ,,Und was tun wir jetzt?", fragte Pippin nervös. ,,Du bleibst, schließlich lebst du hier", entgegnete ich, ,,Wir anderen gehen. Sofort!" ,,Legolas, sie werden ihn töten, wenn er zurück bleibt", meinte Vater, ,,Er muss mit uns kommen!" Kurz dachte ich nach. Vater hatte wahrscheinlich recht, die Weißen Reiter würden Pippin wahrscheinlich wirklich umbringen, wenn er hier blieb und ihnen schutzlos ausgeliefert sein würde. ,,Du hast recht Adar, Pippin sollte auch mitkommen", sagte ich, ,,Packt schnell eure Sachen zusammen, unnötiges lasst hier! Vater ich helfe dir dabei." Alle nickten und einige Minuten später hatten wir das nötigste zusammengepackt und verstaut. Ich half Vater, auf sein Pferd zu steigen, obwohl er das wahrscheinlich auch ohne meine Hilfe geschafft hätte. So ging es allerdings schneller. Pippin saß vor Lessien im Sattel und Gimli hinter mir wie damals im Ringkrieg. Gimlis Pony hatten wir laufen lassen. Es würde den Weg zu einem Stall in kurzer Zeit finden, denn in der Nähe befand sich das Gasthaus Der Grüne Drache. ,,Sind alle bereit?", fragte ich in die Runde und erhielt zustimmendes Nicken. ,,Dann lasst uns verschwinden", meinte ich und wir trieben unsere Pferde an. Stundenlang ritten wir mit nicht allzu vielen Pausen in Richtung Süden, meist abseits der Wege, da wir befürchteten, dass die Weißen Reiter uns dort schneller fanden. Pippin und Lessien froren bald und auch Gimli fröstelte es ein wenig, wegen dem eisigen Winter. Pippin behalf sich mit seinem lorischen Mantel und ich gab Lessien meinen, was ihr tatsächlich half. Bei Einbruch der Dunkelheit fanden wir eine kleine Höhle in den ersten Ausläufern der Nebelberge, welche wir kurz zuvor erreicht hatten. ,,Die Höhle scheint unbewohnt zu sein, wir sollten über Nacht hier bleiben", meinte Gimli und stieg ab, plumpste aber eher auf den Boden wie dass er normal abstieg. Langsam führte ich Arod in die kleine Höhle. Sie bestand nur aus einem Raum und hatte einen großen relativ offensichtlichen Eingang, doch es war besser wie unter freiem Himmel zu übernachten. ,,Offenbar war hier vor kurzem jemand und hat dieses Holz hier gelagert", meinte Pippin und deutete auf einen Haufen Holz. Ich lief zu dem Holzhaufen und betrachtete ihn genauer. Das Holz war trocken, weshalb es sich perfekt für ein Lagerfeuer eignete. Daneben lag ein Haufen Heu für Pferde. Vor dem Holzhaufen fand ich einen flachen Stein in den etwas eingeritzt war. ,,Ruht jetzt und sammelt Kraft für eure lange Reise. W.", las ich leise. Lessien kam zu mir und betrachtete den kurzen Text. ,,Glaubst du, das W steht für Wanderin?", fragte sie. ,,Ich glaube schon, schließlich hatte sie in ihrer Nachricht soetwas gesagt", antwortete ich. ,,He Legolas, gib mir mal Holz rüber, ich mache mal ein kleines Feuerchen", sagte Gimli. Ich kam seiner Bitte nach und der Zwerg machte sich sofort an
Arbeit. ,,Wenn gerade schon von Feuer die Rede ist, Legolas...", setzte Vater an, der auf dem leicht sandigen Boden saß. Ich nickte nur wortlos, holte die kleine Phiole mit dem Saft der Feuerrose aus einer versteckten Tasche meines Gewandes und ging dann zu meinem Vater. ,,Du musst den Saft nicht nur trinken, Vater", erklärte ich, nachdem ich mich neben ihn gesetzt hatte, ,,Drei Tropfen müssen direkt in dein Blut." ,,Sicher?", fragte Vater und wandte seinen Kopf in meine Richtung. Großvater erschien hinter Vater. Er bedeutete mir, Vater zu berühren, damit er ihn hören konnte. Ich nickte und nahm Vaters Hand in meine. ,,Es stimmt was er sagt, ion nin", sagte Großvater, ,,Drei Tropfen müssen direkt in dein Blut." ,,Nun, du musst es wissen, Vater", entgegnete Vater und streckte mir seinen Arm entgegen. Er war bereit, das Experiment zu wagen, um sein Augenlicht wieder zu erlangen. Langsam und noch etwas zögernd zog ich ein Messer und legte die Klinge kurz dort auf Vaters Arm, wo ich ihm einen kleinen Schnitt zufügen wollte, damit er sich nicht allzu sehr erschreckte. Trotzdem zuckte er ein bisschen zusammen, als ich ihm schließlich den dünnen Schnitt zufügte. Sofort quoll Blut aus der kleinen Wunde. Ich nahm die Phiole mit dem Saft der Feuerrose zur Hand, öffnete sie und gab drei Tropfen direkt in die Wunde. Bei jedem Tropfen zischte Vater leise auf. ,,Schmerzt es?", fragte ich ihn bevor ich den dritten Tropfen in die Wunde gab. ,,Nur ganz kurz wenn der Tropfen in die Wunde gelangt", erklärte er, seine Augen nach unten auf den Arm gerichtet, als könnte er sehen, was dort vor sich ging. Ich gab den dritten Tropfen in die Wunde und plötzlich schloss sich diese wie durch ein Wunder innerhalb von Sekunden. ,,Erstaunlich", murmelte ich. ,,Was ist geschehen?", fragte Vater, hob seinen Kopf und seine blinden Augen schienen direkt in meine zu starren. ,,Die kleine Wunde hat sich innerhalb von Sekunden geschlossen. Nun ist nichts mehr davon zu sehen", erklärte ich. Vater strich mit seiner anderen Hand über den Arm und war selbst erstaunt darüber, als er sich sicher war, dass ich die Wahrheit gesprochen hatte. ,,Dann wirkt es also wirklich", meinte er und streckte fordernd seinen Arm nach vorne, ,,Wie viel muss ich trinken?" Fragend sah ich zu Großvater, der noch immer hinter Vater stand. ,,Die Hälfte der Phiole müsste reichen", meinte er. Vater und ich nickten und ich gab Vater die Phiole. ,,Sagt mir wenn ich aufhören muss zu trinken", sagte er, setzte die Phiole an seine Lippen und begann zu trinken. Kurz darauf stoppte ich ihn gerade noch rechtzeitig, sonst hätte er beinahe zu viel getrunken. Vater gab mir die Phiole zurück, doch ich schloss sie nur und gab sie wieder ihm. ,,Behalte du sie lieber", meinte ich, ,,Wie fühlst du dich? Spürst du irgendetwas?" ,,Mae (ja) ich...", setzte Vater an, doch im nächsten Moment sank er bewusstlos zusammen. Ich fing ihn auf, bevor sein Kopf den Boden erreichte und drehte ihn so, dass sein Kopf auf meinem Schoß lag. Lessien war sofort bei uns und befühlte Vaters Stirn, da dieser zu schwitzen begann. ,,Er hat Fieber", stellte sie fest und sah besorgt zu mir. ,,Gimli, ich brauche die Kräuter mit den blauen Blumen", rief ich dem Zwerg zu, der sofort zu Arod lief und die Satteltaschen nach besagten Kräutern durchsuchte. ,,Legolas, mach dir keine Sorgen, das ist normal", meinte Großvater sanft und legte beruhigend seine Arme um meine Schultern. ,,Sicher?", fragte ich und sah ihn an. Großvater lachte kurz leise auf. ,,Die Sorge steht dir ins Gesicht geschrieben, mein Lieber, doch sie ist unnötig. Ich bin mir ganz sicher dass das normal ist, schließlich habe ich das schon einmal miterlebt", erklärte Großvater. ,,Du musst es wissen", seufzte ich und wandte mich an Gimli: ,,Gimli, ich brauche die Kräuter doch nicht." Fragend und teilweise auch verständnislos sahen mich alle an. ,,Großvater meint, das wäre normal und ich vertraue ihm, schließlich hat er das schon einmal miterlebt", erklärte ich. ,,Legt ihn hin und deckt ihn zu. Morgen müsste es dann vollständig gewirkt haben", sagte Großvater. Ich nickte und bat Lessien zwei Decken zu holen und eine davon als Kissen zu falten, welches wir dann unter Vaters Kopf schoben. Mit der anderen Decke deckte ich ihn anschließend zu. ,,Losto vae adar (Schlaf gut Vater)", flüsterte ich dann und küsste ihn auf die heiße, verschwitzte Stirn. ,,Ich bin mir sicher, er hat es gehört und gespürt", meinte Großvater leise zu mir und setzte sich neben Vater. Ich lächelte Großvater flüchtig zu und ging um das kleine Lagerfeuer herum, welches Gimli inzwischen gemacht hatte, und setzte mich neben Lessien. Ich sah kurz zu unseren anderen beiden Gefährten. Pippin schlief bereits tief und fest und Gimli rauchte eine Pfeife, allerdings sah auch der Zwerg so aus, als würde er jeden Moment einschlafen. ,,Gimli, nimm die Pfeife aus dem Mund bevor du einschläfst", sagte ich, woraufhin er mich kurz böse ansah. ,,Ich bin überhaupt nicht müde", entgegnete der Zwerg, ,,Aber falls dich der Pfeifenrauch stört, kann ich sie gerne weglegen." Demonstrativ legte er die Pfeife weg und einige Minuten später begann er zu schnarchen. ,,Ich bin überhaupt nicht müde", wiederholte ich Gimlis Worte mit ironischem Unterton und versuchte, die tiefe Stimme des Zwerges zu imitieren. Lessien lachte leise auf. ,,Natürlich nicht", sagte sie und wir beide lachten. ,,Er ist wirklich ganz anders wie man von einem Zwerg erwarten würde", meinte Lessien, ,,Allerdings braucht es eine Weile, bis man sich an ihn gewöhnt hat. Zumindest war das bei mir der Fall." ,,Glaube mir, nicht nur bei dir. Als er sich der Gemeinschaft des Ringes angeschlossen hat, dachte ich mir, dass wir mit ihm im Schlepptau sicherlich nicht weit kommen würden. Aber das hat sich als Irrtum herausgestellt", meinte ich, ,,Allerdings war es mit ihm teilweise auch ziemlich anstrengend." ,,Ist es das jetzt nicht immer noch?", fragte Lessien, worauf wir beide wieder kurz lachten. Diese Vertrautheit zwischen uns, während wir redeten und zusammen lachten, fühlte sich gut an und mir wurde ein wenig warm ums Herz. Ich fragte mich, wie es Lessien wohl ging, ob es ihr auch warm ums Herz wurde und ob sie die Vertrautheit zwischen uns ebenfalls so genoss wie ich? ,,Wie fühlst du dich?", rutschte mir die Frage heraus, allerdings schien Lessien zum Glück den eigentlichen Grund der Frage nicht zu bemerken, was mir eine peinliche Situation ersparte. ,,Ganz gut eigentlich, dafür dass ich die ganze Zeit elendig gefroren habe", antwortete sie, ,,Trotz deines Mantels." Bei ihrer Antwort konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. ,,Frierst du noch immer?", fragte ich. ,,Nun ja, vielleicht ein wenig", entgegnete sie, doch ich wusste, dass sie log. ,,Lüg mich nicht an", bat ich und nahm ihre Hand in meine. Ihre Finger waren noch immer kalt. ,,Das geht schon", entgegnete sie. Ich musste lächeln. Wie sie versuchte, keine Schwäche zu zeigen, erinnerte mich ein wenig an mich selbst, doch die Tatsache, dass sie mich nicht ansah, verriet, dass sie noch immer log. Ich legte eine Hand an ihre Wange und drehte ihren Kopf zu mir. ,,Lüg mich nicht an, Lessien", wiederholte ich, ,,Deine Wangen sind kühl und deine Finger wieder kalt." Jetzt seufzte sie ergeben. ,,Du hast ja recht", murmelte sie leise. ,,Du verträgst die Kälte also nicht?", fragte Großvater und zerstörte somit den Moment. Vorwurfsvoll sah ich ihn an. ,,Nein, denn im Süden bei uns gibt es keinen Winter wie hier", antwortete Lessien. Großvater hatte inzwischen meinen Blick bemerkt und sah mich entschuldigend an. ,,Oh, ich verstehe. Bitte entschuldigt und lasst euch nicht stören", meinte er, bevor er auch für mich verschwand. Fragend sah Lessien zu mir. ,,Was war das? ", fragte sie verwirrt. ,,Nichts, er denkt nur so ähnlich wie Vater", murmelte ich. ,,Alles klar...", meinte Lessien daraufhin nur. Eine Weile saßen wir schweigend da und starrten ins Feuer, bis Lessien ihren Kopf auf meine Schulter legte. ,,Wie viele Decken haben wir eigentlich noch?", fragte sie. Ich sah zu der Stelle, wo wir alle unsere Decken hingelegt hatten. ,,Eine", antwortete ich und drehte meinen Kopf zu ihr. ,,Dann müssen wir uns wohl diese Decke teilen", meinte sie und sah zu mir auf, ,,Wobei ich nichts dagegen hätte, denn wie du inzwischen weißt ist mir immer noch ein wenig kalt." Ich lachte leise. ,,Entweder das oder du suchst generell meine Nähe", sagte ich und legte einen Arm um ihre Schultern, allerdings sehr zögernd, da ich nicht einschätzen konnte, ob das für sie nicht zu weit ging. Doch sie ließ mich gewähren und schmiegte sich an mich. Ich genoss ihre Nähe und legte meinen Kopf sachte auf ihren. ,,Es mag verrückt klingen, aber ich bin müde", meinte sie, nachdem wir wieder eine Weile schweigend dagesessen waren. ,,Die Kälte macht dir schon zu schaffen oder?", fragte ich und ich spürte wie sie auf meiner Schulter nickte. ,,Dann schlaf jetzt", sagte ich sanft. Sie löste sich aus der leichten Umarmung, in welcher ich sie sanft festgehalten hatte und legte sich auf den Boden. Ich holte die Decke und deckte sie damit zu. ,,He, wo willst du hin?", fragte Lessien, als ich mich ein paar Schritte entfernt von ihr ans Feuer setzen wollte. ,,Wolltest du dich nicht zu mir legen?", fragte sie. Ich lächelte. ,,Wenn Ihr es so wünscht, my Lady", sagte ich und einen Augenblick später lag ich neben Lessien unter der Decke. ,,Warum nennst du mich immer Lady? Ich bin keine Adelige", fragte sie. Unsere Gesichter waren sich unglaublich nah, näher als jemals zuvor, was mein Herz etwas schneller schlagen ließ. ,,Für mich zählt nicht der Geburtsstatus, sondern der Charakter und die Person selbst", antwortete ich flüsternd, ,,Und ich finde der Titel Lady passt sehr gut zu dir." Ich konnte mich einfach nicht länger zurückhalten, legte vorsichtig eine Hand in ihren Nacken und zog sie immer näher zu mir. Schon in Pippins Hobbithöhle war die Versuchung, sie zu küssen groß gewesen, doch ich hatte ihr nicht nachgegeben. Aber jetzt hatte ich einfach nicht widerstehen können. Doch auf halbem Weg meinte Lessien plötzlich: ,,Ich sollte jetzt wirklich schlafen." Mit diesen Worte befreite sie sich aus meinem Griff und drehte sich um, sodass sie mir den Rücken zudrehte. Gedanklich verfluchte ich mich selbst dafür, dass ich viel zu früh und zu schnell diesen Schritt hatte tun wollen. Und was, wenn sie das überhaupt nicht wollte? ,,Gute Nacht, Lessien", sagte ich leise und als ich keine Antwort erhielt, legte ich sanft den Arm um sie, schmiegte meinen Kopf in ihr weiches Haar und atmete ihren süßen Duft ein.

Kissed by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 3⚜Where stories live. Discover now