11 - Verstehen und verstanden werden

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"Ich fasse es nicht. Ich fasse es einfach nicht."

Grummelnd setzte Tate den Blinker. "Ich habs verstanden. Du fasst es nicht, richtig."

"Nein, du verstehst das nicht", schnaufte ich und klappte mir die Sonnenblende herunter. Ich hatte das Gefühl, meine Augen würden von dem grellen Licht gleich nur noch weiß sehen. "Immer lass ich mich von dir überreden und umgekehrt klappt es nie."

Tate grinste mich voller Stolz an. Vielleicht war da auch etwas Überheblichkeit in seinen Augen zu finden. "Tja. Mein verstecktes Talent. Ich sollte vielleicht doch Anwalt statt Internationales Management anstreben."

"Pff, ist egal. Sollte dein Managementzeug da klappen, kannst du dir in Zukunft deine Wagen selber tunen lassen, ohne selbst Hand anzulegen", witzelte ich spöttisch

"Ach was, höre ich da puren Neid aus deiner Stimme triefen?", unterstellte er mir lachend. "Was ist denn jetzt eigentlich mit deinen Plänen. Hat dich jetzt doch eine Uni angenommen?"

Schlagartig sank meine Laune in den Keller. Ich glaubte, Tate spürte deutlich, dass er eindeutig die falsche Seite für einen Sonnenschein Smalltalk im Auto gewählt hatte.

Zerknirscht warf er mir einen kurzen Seitenblick zu, bevor er seine Augen wieder konzentriert auf die Straße richtete. "Sorry, Honey, ich dachte nur, dass du jetzt vielleicht doch Glück hattest."

Geknickt winkte ich ab. "Schon gut, schon gut."

Bei den anderen ließ ich es nie groß heraushängen, tat es als Leichtigkeit ab, aber eigentlich traf es mich schon sehr tief, von sämtlichen Unis eine Absage zu erhalten.

Da setzte man sich in den Sommerferien hin, eine unglaublich kostbare Zeit und trotzdem war das alles wortwörtlich für die Katz.

Ja ich bin zwar nicht eine Einserschülerin in der Schule gewesen, aber auf dieses Zeugnis hatte ich doch einen gewissen Stolz gegenüber meinen anderen Absturzzeugnissen aufgebaut und trotzdem war es nicht gut genug.

Man fühlte sich schon dezent dumm - und nun hing ich Zuhause fest.

Falls mich mein Dad nicht herauswerfen würde. Aber das würde er bestimmt nicht tun... hoffte ich doch.

Wahrscheinlich hatte er sich schon ausgemalt, wie er jetzt wieder frei und unabhängig als ziemlich begehrter Chameur reihenweise Frauen abschleppen könnte, ohne die Angst zu haben, sein Kind könnte beim Akt hereinspazieren.

Als ob das nicht schon oft genug passiert wäre.

Mom hatte sich auch von ihm getrennt, weil er ihr dauernd fremd gegangen ist. Von einem Tag auf dem anderen war sie plötzlich weg und ließ mich alleine bei meinem Vater zurück.

Ohne einen Abschied.

Seit dem hatte ich nie wieder was von ihr gehört und war auch froh darüber. Ich war noch immer verletzt, denn eigentlich hatten wir einen sehr guten Draht zueinander gehabt und doch ist dieser wohl auch nicht gut genug gewesen.

Und richtig selbstständig konnte ich mich auch nicht machen. Fünf Tage in der Woche arbeitete ich auf einer Farm am Stadtrand, räumte den Mist weg und was sonst noch alles an Arbeit anfiel. Fuhr Trecker, fütterte die Tiere und half beim Viehtrieb auf den großen Weiden.

Viel Geld verdiente ich nicht, aber im Moment gab es nichts weiteres im Umfeld und wenigstens konnte ich schonmal etwas Geld ansparen. Außerdem wäre mir die Arbeit in einem Supermarkt oder in einem Cafe zu langweilig gewesen. Da bevorzugte ich den Gestank nach Bauernhof doch eher.

Wahrscheinlich liebte ich diesen sogar schon mittlerweile und wollte es mir gar nicht weiter eingestehen.

"Hast du denn jetzt eine Alternative irgendwie gefunden?", fragte Tate vorsichtig, nachdem ein paar Sekunden in Schweigen vergangen sind.

Etwas deprimiert zuckte ich nur mit meinen Schultern. "Nöö, nichts weiter...."

Kurz herrschte eine erneute Stille im Auto, nur das Brummen des Motors war zu hören.

"Ich glaube, es wäre mal wieder an der Zeit, dass wir so richtig feiern gehen."

Ich schaute ihn entgeistert von der Seite an. "Dein Ernst? Wir waren doch erst feiern und ich bin erstmal satt davon."

"Dass ich das mal aus dem Mund von Iva Westwick höre."

Ich verdrehte die Augen.

"Nein mal im Ernst", versuchte er es erneut. "Ich würde da schrecklich gerne nochmal hingehen und mir diesen anderen Clubbereich anschauen. Warum bist du denn so dagegen, wenn es angeblich so toll war, hm?"

Diese Frage konnte ich ihm schwer ehrlich beantworten, deswegen entschied ich mich für die halbwegs ehrliche Antwort.

"Mein Vater ist die gesamte nächste Woche Zuhause. Also wird es in naher Zukunft erstmal nichts mit Feiern. Er verrät mir neuerdings auch immer erst kurz vor Peng, wenn er wieder abreist. Dass ich wahrscheinlich genau solche feierwütigen Abende nicht planen kann."

Tate lachte laut. "Als hätte dich das jemals abgehalten. Komm schon Iva. Wir müssen da wieder hin. Zur Not gebe ich dir ein glaubwürdiges Alibi. Dein Dad mag mich doch oder? Also lass ich mir für die nächste Woche etwas einfallen." Er tätschelte mit seiner großen Hand kurz meinen Oberschenkel, dann legte er seine Hand wieder an das Lenkrad und summte gutgelaunt vor sich her.

Er ist doch nur auf Frauenjagd oder besser gesagt, auf Venice Jagd. Was das angeht, verstand ich ihn nicht. Aber da hatte ich Jungs noch nie wirklich verstanden.

So bitter es auch klang, aber wenn sie Tate so sehr mochte, hätte sie sich doch längst gemeldet. Er schnitt sich doch nur in sein eigenes Fleisch. Möglicherweise findet er sie da am nächsten Mittwochabend mit irgendeinem anderen Kerl vor, den sie für den anderen Clubbereich auserwählt hat.

Tja und mich konnte er schlecht verstehen, weil ich ihm eben nicht alles erzählt hatte.

Es war doch zum Mäusemelken.



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