64 - Das Urteilsvermögen anderer

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"Sag mir nicht, dass du jetzt etwa auf falsche Gedanken kommst", warf Easton mir mit einem angedeuteten Lächeln entgegen, während er auf mich zukam und neben mir stehen blieb.

Scheisse, war das so offentsichtlich?

Ich musste mich jetzt wirklich mal unauffälliger verhalten und nicht noch offentsichtlicher heraushängen lassen, dass ich extrem auf ihn stand.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken, um zu ihm hochschauen zu können. "Warum sollte ich?"

"Deine Wangen haben nicht immer diese... intensive Farbe."

"Du achtest auf die Farben meiner Wangen?"

"Ich achte auf so Einiges", antwortete er und blickte vielsagend zu mir herunter.

Sollte das jetzt ein versteckter Wink sein, dass er schon lange herausgefunden hatte, wie heiß ich ihn fand?

Wenn ja - wie derbe peinlich ...

Er wartete nicht weiter auf eine Antwort von mir, sondern visierte seinen Schreibtisch an, um dort in einen Rucksack zu fassen. "Ich meinte eigentlich, dass ich dir schonmal deine Teilnahmeurkunde geben kann", erklärte er plötzlich seinen Satz von eben.

"Achso", sagte ich. Natürlich, was sollte er auch sonst meinen? Ich legte die Fenrbedienung neben mir ab und watschelte zu ihm herüber. "Danke nochmal, dass du dich darum gekümmert hast."

Er holte ein Schriftstück in Folie heraus und packte sie auf den dieses Mal nicht allzu unordentlichen Schreibtisch. "Kein Problem. Ich lege sie dir hierhin. Nicht vergessen ja?"

Ich nickte. "Natürlich nicht. Dann kann ich endlich meine Bewerbung abschicken."

"Perfekt", murmelte er und erst jetzt bemerkte ich, dass er schon wieder etwas nachdenklich aussah. Doch ich brauchte nach dem Grund gar nicht weiter zufragen, denn er rückte ihn von alleine heraus. "Sag mal... warum bist du eigentlich nach dem Baseballspiel so schnell verschwunden? Charon meinte, du müsstest zwar arbeiten, aber so richtig geglaubt hat er es dir nicht."

Anscheinend glaubte er es ja selber nichtmal.

Ich starrte in seine grünen Augen und war tatsächlich am Überlegen, ob ich ihn anlügen oder einfach die Wahrheit sagen sollte.

Ich meine, er wusste mittlerweile bestimmt wie verkorkst Adriana war.

Schulterzuckend entschied ich mich dafür, einfach die Wahrheit zu sagen. Zwar war Petzen nicht mein Ding, doch ich konnte Adriana eh nicht mehr schlechter vor ihm machen, als sie es ohnehin schon für ihn war. Und da wir ja anscheinend auf einer Art "Freundebasis" waren, konnte ich halbwegs ehrlich zu ihm sein. Außerdem war es die ideale Gelegenehit, um zu testen, ob er das alles auf dem Spielfeld nur gemacht hatte, dass sie es sah und möglicherweise bewusst ihre Eifersucht heraufgetrieben hatte. Ich wollte kein Mittel zum Zweck sein.

Also atmete ich nochmal tief durch, ehe losredete. "Ich hatte noch ein sehr interessantes Gespräch mit Adriana", gab ich zu.

"Tatsächlich? Inwiefern?", fragte er aufrichtig interessiert, doch seine Augen wurden vor Argwohn gleich schmaler.

War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

"Naja", fuhr ich weiter fort und ließ mich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. "Sie hat gesehen, wie wir uns beide auf dem Spielfeld nach Spielende unterhalten hatten - hast du sie etwa nicht gesehen?"

Jetzt wurde es spannend. Mit hämmerndem Herzen betrachtete ich ihn und hoffte sehnlichst, dass er sie nicht gesehen hatte oder das zumindestens seine Reaktion überrascht sein würde - und zu meinem Glück schien er tatasächlich sehr überrumplt.

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