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*Leyla*
Als ich in mein Auto stieg, war es gerade 6:35Uhr und die Sonne schien schon mit all ihrer Kraft. Das verhieß ein schöner Tag zu werden. Aber ich würde nicht viel davon mitbekommen, denn: Die Arbeit rief! Ich hatte es schon richtig vermisst. Gleich würde ich wahrscheinlich auch noch Ben sehen, der mit seinem Nachtdienst fertig war. Manchmal hasste ich diese Tage, an denen wir uns nur ganz kurz zu Gesicht bekamen, weil es unsere Dienstpläne einfach nicht anders zuließen.
Ich startete den Motor, setzte meine Sonnenbrille auf und stellte das Radio laut. Zum Glück war die Klinik nicht allzu weit von Bens und meiner Wohnung entfernt. Noch während ich meinen Käfer parkte, sah ich Larissa Johannsen auf ihrem Fahrrad an mir vorbeifahren. Sie steuerte auf den Haupteingang des JTKs zu, um dort ihr Rad abzustellen. Ich war richtig gespannt, was sie so zu erzählen hatte und ob sie sich schon eingelebt hatte. "Larissa!?", rief ich, als ich kurz vor dem Eingang der Klinik angekommen war. Meine neue Kollegin drehte sich um und strahlte mich an. "Leyla! Wie schön dich zu sehen!". Sie kam auf mich zu und wir umarmten uns. Seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren mindestens acht oder neun Jahre vergangen. Zwischendurch hatten wir ein paar Telefonate, bei denen es aber hauptsächlich um Fachliches ging. "Bist du wieder fit?", wollte Larissa wissen, während wir durch den Eingangsbereich des Klinikums liefen. "Ich denke ja.", sagte ich mit einem Lächeln und hoffe selbst, dass das auch tatsächlich so stimmte. "Jetzt erzähl du aber mal... wie war dein erster Tag gestern? Tut mir echt leid, dass ich nicht da war! Heute werde ich dich noch ein wenig herum führen und dir alles zeigen!", versprach ich, als wir bei den Umkleiden angekommen waren.
"Ja, und hier wären wir dann wieder beim Zimmer der Oberärzte", erklärte ich Larissa, als wir unsere Tour durchs JTK beendet hatten. "Manchmal gleicht das Klinikum einem kleinem Labyrinth, aber du wirst dich schnell zurecht finden, da bin ich mir sicher.", sagte ich zu meiner neuen Kollegin, während ich sie Schiebetür öffnete. "Ja, ich denke auch... und wenn nicht : es ist ja alles beschildert", antwortete diese, ließ sich auf einem Stuhl nieder und zwinkerte mir zu.
Ich war ein bisschen außer Atmen, obwohl wir wirklich nicht lange unterwegs gewesen waren und setzte mich deshalb lieber auch hin. Ich begann den OP Plan zu begutachten. Heute Nacht kam ein Polytrauma-Patient rein und Ben stand wohl bereits 6 Stunden zusammen mit Dr.Lindner am Tisch. Der Arme... Hoffentlich waren sie bald fertig. Ben hatte in letzter Zeit so viele Überstunden gesammelt, dass wir theoretisch zwei Monate am Stück hätten Urlaub machen können... aber das ging natürlich ganz und gar nicht.
"War das eigentlich ein Unfall, Leyla?", fragte Larissa dann unvermittelt und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich sah sie verwirrt an. "Was meinst du?". Ich runzelte die Stirn. "Na die Schwangerschaft", antwortete sie prompt und schob sich einen Kaugummi in den Mund.
"Ich meine, du bist ja nicht mehr die Jüngste! Deinen Freund kenne ich zwar nicht so gut, aber er ist doch mindestens 12 Jahre jünger als du!", plapperte Larissa weiter. Ich dachte, ich hatte mich da gerade verhört!
"Larissa... ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber Ben ist 10 Jahre jünger als ich. Ist das denn ein Problem? Und nein, es war kein Unfall, sondern ist ein absolutes Wunschkind!", fuhr ich sie etwas ruppiger als eigentlich geplant an. "Oha, tut mir leid Leyla! Es war nur eine Frage!". Sie hob beschwichtigend die Hände, lief zur Kaffeemaschine und nahm sich eine Tasse - Niklas' Tasse! Ich stand auf, nahm ihr die Tasse wieder aus der Hand und reichte ihr eine andere. "Ach Gott Leyla! Ich hatte nicht in Erinnerung, dass du so empfindlich bist!", sagte Larissa mit einem sarkastischen Unterton. Vielleicht waren es wirklich die Hormone, die gerade mit mir durchgingen oder die Kopfschmerzen, die sich schon wieder anbahnten, aber ich war gerade wirklich ein wenig genervt. Eventuell auch etwas mehr als ein wenig... "Ok, hör mir zu", begann ich. "Wir kennen uns von früher. Das ist schön! Aber wir kennen uns eben auch nur auf beruflicher Ebene. Vielleicht wäre es besser, wenn es auch erstmal so bliebe.", schlug ich vor und versuchte ruhig zu bleiben. Mich hatte ihre Aussage eben einfach verletzt. Was bildete sie sich denn ein? Meine Schwangerschaft sollte ein Unfall gewesen sein!? Wenn sie wüsste, wie sehr wir uns ein Kind wünschen und wie lange und hart wir gekämpft hatten, würde sie vielleicht anders denken. Außerdem hatte ich eine riesige Angst, dass noch irgendetwas bei dieser Schwangerschaft schiefen gehen könnte. Ich war gerade mal am Ende des zweiten Monats. Da weiß man nie! Larissa nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. "Gut, Frau Dr.Sherbaz. Ich weiß zwar nicht, was Sie gegen mich haben, aber dann bleibt es eben auf der beruflichen Ebene", fauchte mich Larissa an, nahm ihre Akten und verließ den Raum. Jetzt waren wir also wieder beim "Sie". Wow, das ging ja super los... ein wenig geknickt schaltete ich den Wasserkocher an, um mir einen Tee zu kochen. Danach war es auch schon Zeit für die Morgenvisite...

In aller Freundschaft die jungen Ärzte - Nichts bleibt, wie es istWhere stories live. Discover now