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*Ben*
„Guten Morgen, Schatz! Ich muss schon mal los, Termin bei Herrn Berger... wir sehen uns später bei der Frühbespechung", mit diesen Worten verabschiedete sich Leyla von mir. Ich lag noch im Bett und war eben erst wach geworden. Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn, nahm ihre Tasche und war auch schon verschwunden.

Ich ließ mich nochmal zurück in die Kissen sinken. Leyla war gestern erst nach mir aus der Klinik nach Hause gekommen und jetzt ist sie schon wieder weg? Woher nimmt sie bloß diese Energie?

Seit Niklas weg war, sahen wir uns eigentlich nur noch auf der Arbeit und dort auch nur zur Visite, zur Frühbesprechung oder auf dem Flur. Leyla war wie ein Wirbelwind.

Ich sah auf die Uhr – auch für mich war es nun Zeit das warme Bett zu verlassen und mich auf den Weg ins JTK zu machen. Schließlich warteten die Patienten und es gab viel zu tun!

*Vivienne*
„Dr. Koshka, Sie sind heute mit Dr. Moreau in der Plastischen, gleich kommt ein Patient, der seinen abgetrennten Zeigefinger gerne wiederhaben würde. Frau Berger, Sie gehen bitte wie immer ins Kinderwunschzentrum. Ben, du bist mit Dr. Lindner in der Onko und Dr. Kling kommt mit mir in den OP. Ach ja, Dr. Bähr hat heute dienstfrei und Zondek und Rantala sind bereits mit Prof. Patzelt in der NA – vielleicht hat die sie besser im Griff als ich...", Dr.Sherbaz sah von ihrer Liste nach oben. „Haben Sie noch Fragen? Gut, dann mal los!"

Schon drehte sich unsere neue Ausbilderin um und ließ uns allein am Stationscounter zurück.

„Also seit Leyla schwanger ist und Dr. Ahrends Job übernommen hat, ist sie wie aufgezogen, oder?", ich sah Ben an. „Da sagst du was... Ich hatte jetzt schon zwei Kaffees und bin immer noch müde. Sie hingegen ist schon seit gut einer Stunde hier in der Klinik und hüpft durch die Gänge!". Ben gähnte.

„Ich geh dann mal los, Dr. Lindner wartet. Wir sehen uns später in der Cafeteria!".

Als ich 10 Minuten später in den Waschraum des OPs kam, war meine Ausbilderin natürlich schon da. Irgendwie wirkte sie blass. Naja, kein Wunder, wenn sie nur so wenig Schlaf abbekam.

„Frau Kling, Sie operieren heute. Ich denke, Sie sind mit dem Eingriff vertraut?", Leyla sah mich an. „Natürlich, eine Appendektomie ist ja eher eine Routineoperation.". Ich war trotzdem etwas nervös. Es ist doch nicht das Gleiche, ob man einem Oberarzt bei den OPs nur zur Hand geht, oder ob man selbst Entscheidungen trifft und Herr oder besser gesagt Frau über das Skalpell ist.

Der Patient lag schon in Narkose und alles war bereit. Tatsächlich hatte ich schon einige Bilddarmentfernungen durchgeführt – zwar eben bisher nur als Assistenz, aber nach dem Ausbildungskonzept von Dr. Sherbaz sollten wir, die jungen Ärzte, ja jetzt die Eingriffe selbst durchführen. Ich war natürlich bestens vorbereitet und hatte gestern Abend das Procedere bis ins Detail mit Elias durchgesprochen. Es konnte also gar nichts schief gehen! Ich benetzte meine Hände noch ein letztes Mal mit dem Desinfektionsmittel, bevor ich in den OP eintrat.

Man hörte das Piepsen des Überwachungsmonitors. Der Puls des Patienten war ruhig und regelmäßig – alles im grünen Bereich. Dr. Sherbaz hatte den sterilen Kittel bereits an und stand an der Stelle des Tisches, an der normalerweise die Assistenten die Haken hielten und die Instrumente anreichten. Sie war schon damit beschäftigt, das OP Feld steril abzudecken. Ich war sehr froh, so eine erfahrende Ausbilderin an meiner Seite zu haben. Auch ich ließ mir jetzt von der OP-Schwester in den Kittel helfen und die Handschuhe anziehen, nahm das Skalpell, atmete tief durch und machte den ersten Schnitt.

„Schnitt: 7:23 Uhr!", informierte ich den Anästhesisten, der dem Patienten sogleich noch eine kleine Dosis Fentanyl verabreichte.

*Leyla*
„Sehr schön, Frau Kling, das machen Sie gut. Jetzt noch die Anastomose und wir sind fertig.", lobte ich die junge Assistenzärztin mir gegenüber, nachdem sie den entzündeten Wurmfortsatz erfolgreich abgetrennt hatte. Sie lächelte mich an. Ich war stolz auf meine Assistenzärzte. Sie machten sich wirklich gut und ich war froh, dass ich den Entschluss gefasst hatte, sie nun mehr selbstständig operieren zu lassen. Solo-OPs waren Gold wert! Nur so bereitete ich sie optimal auf den Facharzt und die Zeit vor, in der sie wirklich auf sich allein gestellt waren.

In aller Freundschaft die jungen Ärzte - Nichts bleibt, wie es istDonde viven las historias. Descúbrelo ahora