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*Leyla*
„Die Assistenzärzte werden vorerst von Dr. Lindner betreut, bis Sie wieder einsatzbereit sind.", antwortete die Chefärztin.

Ich seufzte und stand auf. Übelkeit überkam mich und ich presste eine Hand auf meinen Bauch. Sogleich war Prof. Patzelt an meiner Seite und führte mich zur Tür. „Sie lassen sich jetzt bitte an der Pforte ein Taxi rufen und fahren nach Hause! Herr Ahlbeck ist wahrscheinlich noch im OP beschäftigt, ich informiere ihn aber, dass ich Sie heimgeschickt habe." Sie strich mir über die Schulter. „Ich möchte Sie hier erst wiedersehen, wenn sie sich erholt haben, haben wir uns verstanden?"
Der strenge aber auch gleichzeitig mütterliche Tonfall von Karin Patzelt überzeugte mich schließlich. Ich lächelte etwas gequält, nickte dann aber.
Seit ich im JTK arbeitete war ich eigentlich nie krank gewesen! Das letzte Mal nach dem Motorradunfall mit Ben, aber das war eine andere Geschichte....

Nachdem ich mich umgezogen hatte, rief ich Marc Lindner an, um ihm eine Übersicht zu geben, was ich für welchen Assistenzarzt vorgesehen hatte und wie der OP-Plan der nächsten Tage aussah.
"Leyla, machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe das alles schon einmal gemacht. Ich kenne die Assistenzärzte alle gut, weiß um ihre Macken und werde schon mit ihnen fertig. Alles kein Problem!", klang seine ruhige Stimme über mein Handy. "Ihnen gute Besserung! Ingwer wirkt Wunder bei Magenbeschwerden, glauben Sie mir."
"Danke Marc. Ich versuche so schnell es geht wieder fit zu sein!", versprach ich ihm.

Nachdem wir aufgelegt hatten, holte meine Tasche und ließ mich von einem Taxi nach Hause bringen.

Dort angekommen konnte ich gerade noch so die Jacke ausziehen, ehe ich auf das Sofa fiel und einschlief.

*Ben*
Na super... ich hatte es schon kommen sehen. Prof. Patzelt hatte mich gleich nach Ende der OP zu sich gebeten und mir erklärt, was mit meiner Leyla los war.
Natürlich machte ich mir jetzt noch mehr Sorgen!

Netterweise bot Julia mir an, meine Nachtschicht zu übernehmen. Ich konnte Leyla ja jetzt nicht allein lassen!
Ich verabschiedete mich von allen, nahm meinen Helm und stieg auf das Motorrad.

Da ich vermutete, dass Leyla schlief und schloss ich zu Hause angekommen ganz leise unsere Wohnungstür auf.
„Ben?" hörte ich es aus dem Wohnzimmer. Ich lugte um die Ecke. Da saß sie, in einer Decke gewickelt, mit verheulten Augen.

„Hey Sonnenschein, du bist ja wach!" ich setzte mich neben sie. „Was ist los? Wie geht's dir? Hast du geweint?", wollte ich mit ruhiger Stimme von ihr wissen.

„Ach Ben...", Leyla schluchzte. „Ich habe einfach versagt! Dabei wollte ich alles so gut machen. Wie Niklas! Aber scheinbar bin ich einfach nicht gut genug!"
Tränen liefen ihr über die Wangen.
„Sag doch sowas nicht!" Ich legte einen Arm um ihre Schultern und sie schmiegte sich an mich. „Du machst das ganz großartig! Es ist einfach nur extrem viel Verantwortung! Du kannst dich ja nicht vierteilen." Ich wischte ihr mit dem Finger eine Träne von der Oberlippe.

„Außerdem bist du schwanger und unser Baby nimmt dir natürlich auch ganz viel deiner Energie! Hast du schon vergessen? Du, ich und das Baby! Das ist jetzt das Wichtigste." Ich drückte sie an mich.

Als ich vorhin mit Prof. Patzelt geredet hatte, hatte ich etwas mitbekommen. Irgendwie war ich mir aber nicht sicher, ob ich es Leyla erzählen sollte. Zumindest jetzt noch nicht...

„Leyla, wie geht's dir? Ich hoffe, etwas besser?", ich sah ihr in die Augen.
„Es geht schon...", sie strich sich eine dunkle Locke aus der Stirn. „Ich habe vorhin etwas geschlafen. Danach war die Übelkeit zum Glück weg. Ich bin einfach so unendlich erschöpft." Sie griff nach einem Taschentuch und putze sich die Nase.

Ich stand auf, lief in unsere Küche und schaltete den Wasserkocher an um meiner Freundin einen Tee zu kochen.
„Als ich eben bei Prof. Patzelt war,...", begann ich dann doch. Ich konnte es Leyla nicht verheimlichen. „... war gerade eine Bewerberin bei ihr."
„Wie bitte?", Leyla setze sich plötzlich kerzengerade hin. „Eine Bewerberin wofür? Eine neue Ärztin?"

Den Tee in der Hand kam ich zurück ins Wohnzimmer, stellte ihn auf den Tisch ab und setzte mich.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Ja, eine Ärztin war es – Dr. Johannsen - stand zumindest auf ihrer Bewerbungsmappe." Leyla sah mich entgeistert an. „Larissa Johannsen!?", fragte sie.
Sie kannte die junge Ärztin? „Ja, gut möglich! Braune, schulterlange Haare, schlank, ungefähr so groß wie du!", beschrieb ich die Bewerberin so gut ich sie eben noch im Gedächtnis hatte.
„Das gibt's doch nicht!", Leyla schüttelte mit dem Kopf. Ihre Miene hellte sich aber auf, was mich etwas beruhigte. „Larissa und ich haben damals zusammen den Notarztkurs belegt!", erzählte Leyla. „Sie ist wie ich Anästhesistin, hat aber soviel ich weiß zusätzlich noch den Facharzt in Pädiatrie gemacht. Ich kenne sie schon länger."
Ich reichte Leyla den Tee und sie nahm einen kleinen Schluck.
„Ok...das heißt, du meinst sie wäre eine gute Kandidatin für unser Team?", wollte ich wissen. Leyla nickte und nippte nochmal an dem heißen Getränk. „Ja, durchaus! Nur finde ich es etwas seltsam, dass Prof. Patzelt gar nichts erzählt hat!", gab sie leise zu.

Ich küsste meine Freundin auf die Stirn. „Das wirst du schon noch erfahren. So wie ich unsere Chefin verstanden habe, hat sie schon gesehen, wie sehr gestresst du seit dem Weggang von Dr. Ahrend bist. Dass du wegen des Babys nicht mehr ewig arbeiten kannst, weiß sie ja auch."
Leyla nickte langsam. „Lassen wir es mal auf uns zukommen.", beschloss sie und seufzte.

*Leyla*
Es sollte also wirklich Verstärkung im Team des JTK geben. Larissa Johannsen war eine brillante Ärztin, keine Frage. Aber auch sehr bestimmt, ehrgeizig und manchmal ein wenig eigen. Sollte sie dann meine Nachfolgerin werden? Sie war soweit ich weiß bisher an einer Uni-Klinik angestellt und wusste deswegen sicherlich, wie man mit jungen Assistenzärzten umging. Andererseits kannte sie das JTK nicht und wusste ebenso wenig, wie hier die Abläufe waren. Und warum wollte sie überhaupt nach Erfurt wechseln?

Naja, abwarten! Wer weiß, ob es nicht noch weitere Bewerber gab. Ich war nur wirklich irritiert, dass unsere Chefärztin so schnell eine neue Ärztin einstellen wollte ...

Plötzlich fing Ben an zu lachen. Ich schaute ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an.
„Was ist denn jetzt so lustig?", fragte ich.
Er zeigte auf meinen Bauch, ich sah an mir herunter und musste dann selbst etwas grinsen. Dort lag Zoes alte Wärmflasche, die sie noch hier vergessen hatte. Eine quietschgrüne Plüschwärmflasche mit dem Bauwagen der Kindersendung „Löwenzahn" darauf. „Das war eben Zoes Lieblingssendung!", erklärte ich Ben kichernd und zuckte mit den Schultern.

Ach Ben Ahlbeck – wenn ich dich nicht hätte!
Dieser Mann konnte mich immer wieder aufheitern, egal wie schlecht es mir ging, er brachte mich zum Lachen. Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn innig. Danach legte ich mich auf seinen Schoß, er streichelte meine Haare und ich schlief wieder ein.

In aller Freundschaft die jungen Ärzte - Nichts bleibt, wie es istWhere stories live. Discover now