~ 2 ~

1.4K 28 1
                                    

*Julia*
Letzte Woche habe ich Dr. Sherbaz noch die Meinung gesagt. Dass wir uns als Assistenzärzte zurzeit teilweise allein gelassen fühlen, weil unsere Ausbilderin wie ein Flummi durch das JTK hüpft und bei Fragen einfach nicht erreichbar ist. Das tat mir im Nachhinein sehr leid. Ben hatte mir schon erzählt, wie viel Herzblut Leyla in die ganze Sache steckte. Und nun ging es ihr so schlecht...
Ich öffnete die Tür zum Untersuchungsraum. Zum Glück war heute nicht ganz so viel los in der Ambulanz, so konnte ich mir genug Zeit für Dr. Sherbaz nehmen. Hoffentlich war alles gut!
„So, bitte legen Sie sich einfach auf die Liege und schieben ihren Kasack nach oben!" Ich lächelte Layla an. Sie sah wirklich nicht gut aus. Dunkle Augenringe hatte sie! Ich schaltete das Ultraschallgerät ein und suchte das Überträgergel.
Meine Ausbilderin hatte sich bereits auf den Rücken gelegt und ihren Bauch frei gemacht. „Frau Berger... ich möchte wirklich, dass das unter uns bliebt – egal was jetzt bei der Untersuchung herauskommt, ok?" Sie sah mich an und ich bemerkte sofort, wie ernst es ihr war.
„Schweigepflicht!" Ich zwinkerte ihr zu. „So... es wird mal ein bisschen kalt. Entspannen Sie sich bitte!".
Behutsam fuhr ich mit dem Ultraschallkopf über Laylas Unterleib. Da ich sehr geübt darin war, hatte ich schnell die Fruchthöhle gefunden. Ich drehte den Monitor etwas, sodass meine Ausbilderin sich das Bild mit ansehen konnte.
Jetzt musste auch sie lächeln. „Da ist das Kleine!", sagte sie und ich sah, wie ihre Augen etwas feucht wurden. „Gott sei Dank! Und das Herz schlägt auch!".
Ich drückte den Auslöser, damit ich ihr ein Bild ausdrucken konnte. Es war wirklich alles in bester Ordnung – zumindest bei dem Kind. Nun tastete ich den Bauch noch behutsam ab, um eine eventuelle Abwehrspannung nicht zu übersehen. Doch ich konnte keine Auffälligkeiten bemerken.
„Dr. Sherbaz, am besten, Sie gehen nach Hause, machen sich einen Kamillentee und legen sich ins Bett. Ich glaube, Ihnen schlägt der ganze Stress und die Umstellung einfach auf den Magen. Tun Sie es für sich und das Baby!", ich gab ihr ein paar Tücher, damit sie sich von dem Gel befreien konnte und säuberte gleichzeitig das Ultraschallgerät.
„Das kann schon sein. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich ein wenig zügeln." Sie schaute auf den Boden. Ich spürte deutlich, dass Dr. Sherbaz von sich selbst enttäuscht war. Sie wollte es eben jedem recht machen. So, wie Niklas es getan hat. Mein Niklas... Oh, ich vermisste ihn so wahnsinnig! Seit seinem Abflug hatten wir nur einmal kurz geschrieben. Sonst war Sendepause. Das war jetzt schon 2 Wochen her.
„Danke, Frau Berger!", riss Leyla mich aus meinen Gedanken. Dr. Sherbaz saß am Rand der Liege und zog sich ihren weißen Kittel wieder über.
„Immer gerne, das wissen Sie! Egal wann, wenn ich etwas für Sie tun kann...", ich sah sie an. „Ich weiß das zu schätzen, aber ich komme klar!". Da war es wieder: Das typische Leyla-Lächeln. Auch wenn ich genau wusste, dass es heute aufgesetzt war.

*Leyla*
Ich war wirklich erleichtert, dass es unserem Kind gut ging. Trotzdem fühlte ich mich richtig elend und beschloss, Prof. Patzelt einen Besuch abzustatten. Es musste sich etwas ändern – so viel war klar! Ich nahm das Ultraschallbild, verstaute es in meiner Kitteltasche und lief los.
Wieder klingelte das Telefon. Nein, jetzt nicht! Ich drückte auf den roten Knopf und der nervige Ton verstummte.

Als ich am Büro unserer Chefärztin ankam und gerade klopfen wollte, öffnete sich die Tür. „Matteo?! Oh, ich wollte nicht stören, ich kann auch später nochmal...", entschuldigte ich mich, als ich sah, wie verdutzt Matteo schaute.
„Nein, nicht nötig! Ich bin sowieso gerade auf dem Sprung!" Dr. Moreau zog die Augenbrauen hoch. „Leyla, bist du ok? Du siehst echt schlecht aus. Bist du krank?", platze es aus ihm heraus. „Wenn ja, dann komm mir bloß nicht zu nahe!" Er hielt seinen Laptop schützend vor seinen Mund. Das war einfach typisch Matteo!
„Ich bin tatsächlich nicht ganz fit heute... aber keine Angst, ich werde dich schon nicht anstecken!", versprach ich ihm.
„Schon ok! Na dann: Gute Besserung! Ich muss los", mit diesen Worten zog er Richtung Oberarztzimmer davon. Empathisch wie immer!

Jetzt trat ich in das Büro der Chefärztin ein. „Guten Morgen Frau Prof. Patzelt! Ich würde gerne mit Ihnen über etwas reden.", begrüßte ich sie.
„Dr. Sherbaz?", Karin Patzelt stand von ihrem Schreibtisch auf und kam in meine Richtung. „Bitte, setzen Sie sich doch!" sie zeigte auf Ihre Couch und ich gehorchte. Sogleich begann ich, ihr die Situation zu erklären. Es war mir wirklich unangenehm zugeben zu müssen, dass ich mich übernommen hatte.

„Leyla, ich habe tatsächlich schon mitbekommen, dass Sie gerade versuchen Unmenschliches zu schaffen! Sie sind schwanger und müssen dazu noch den Klinikalltag managen."
Manchmal wirkte Prof. Patzelt, vor der ich unfassbar großen Respekt hatte, wirklich mütterlich.
Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich habe darüber sogar schon mit Herrn Berger gesprochen."
Ich wurde hellhörig. Hinter meinem Rücken? Jetzt war mir die ganze Sache noch unangenehmer und mein Magen meldete sich wieder.
„Wir haben beschlossen", fuhr Prof. Patzelt fort „Sie zu entlasten."
Ich sah sie fragend an. „Wollen Sie mir die Ausbildung der Assistenten wieder wegnehmen?", wollte ich wissen.
„Dr. Sherbaz, niemand will Ihnen irgendetwas wegnehmen. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Sie für diese Aufgabe am besten von allen Oberärzten geeignet sind! Sie sind einfühlsam, geduldig und haben ein immenses Fachwissen!" Ok, das war mir dann doch echt peinlich. Gleichzeitig tat es sehr gut, Ihre Worte zu hören.
„Und was genau heißt das jetzt für mich?", fragte ich etwas verunsichert.
„Da ich sehe, dass Sie hier sitzen wie ein Häufchen Elend und mir schon zu Ohren gekommen ist, dass Sie vorhin im OP fast zusammengeklappt sind, schreibe ich Sie jetzt erstmal ein paar Tage krank! Sie gehen nach Hause und erholen sich. So können Sie sowieso nicht mehr in den OP. Danach sehen wir weiter." Sie stand auf und lief zu Ihrem Schreibtisch.
„Und die Assistenzärzte?", ich verstand nicht ganz, wie sich Prof. Patzelt das vorstellte.

In aller Freundschaft die jungen Ärzte - Nichts bleibt, wie es istWhere stories live. Discover now