Kapitel 17

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Kapitel 17

Ich keuche völlig außer Atem und ich kann deutlich Schweißperlen auf meiner Stirn spüren. Mittlerweile sitze ich aufrecht in meinem Bett und drücke meinen Rücken so dicht an die Wand, wie nur möglich, in der Hoffnung, von diesem Unbekannten zu entkommen. Ich weiß nicht mehr, wovon mein Traum gehandelt hat, aber es ist eindeutig, dass es kein guter, rosafarbener Kindergartentraum war. Ob ich tatsächlich geschrien habe, kann ich auch nicht sagen, doch ich weiß noch, das von irgendwo her ein Schrei kam. Meine Kehle fühlt sich rau und trocken an, aber gleichzeitig blockiert irgendetwas meine Stimmbänder, sodass ich im Moment kein Wort heraus bringe. Falls ich geschrien hätte, dann hätte das doch jemand anderes in diesem Haus mitbekommen, oder?

Da es erst halb fünf Uhr in der Früh ist, versuche ich all diese Gedanken zu verwerfen, ich lege mich wieder hin, drehe mich auf die andere Seite und gebe mein bestes, um in einen ruhigen Schlaf überzugehen. Lange Zeit kriege ich kein Auge zu, aber irgendwann erdrückt mich die Müdigkeit und alles um mich herum wird wieder schwarz.

„Ich hab nicht mal seine Handynummer, wie sollte ich denn überhaupt-“

„Wie 'du hast nicht mal seine Handynummer'? Frag ihn gefälligst das nächste Mal danach“, will mich Sophie überzeugen.

Wir telefonieren mal wieder und ich kann sie einfach nicht vom Thema „Kyle“ wegführen, obwohl ich es wirklich probiere. Gerade jetzt will sie, dass ich mich mit ihm verabrede. Was ich allerdings nicht vorhabe. Wir sind nur Freunde. Punkt.

„Sophie, bitte. Wenn du so weiter machst, dann leg ich sofort auf“, jammere ich.

„Okay, okay, beruhig dich, Kleines. Aber denk an meine Worte: Der Spalt zwischen Freundschaft und Liebe ist manchmal sehr, sehr, sehr schmal.“

„Komm mir jetzt nicht mit deinen Lebensweisheiten. Themenwechsel: Wie war's bei den Eltern von Josh?“

Und endlich habe ich es geschafft, irgendetwas zu finden, dass sie komplett ablenkt. Es entsteht eine lange Diskussion über übertriebene Sorgen, die sich meine beste Freundin mal wieder macht, und ich versuche sie ihr auszureden. Dieses Gespräch erspare ich euch mal lieber.

Samstag Nachmittag. Fast vier Uhr. Ich sitze im Wohnzimmer vorm Fernseher und es klopft plötzlich an der Tür.

„Überraschung!“, ruft Kyle mir laut entgegen, obwohl nicht einmal zwei Meter zwischen uns liegen, als ich die Tür öffne.

„Du schon wieder?“

„Freust du dich nicht, mich zu sehen?“ Er schiebt seine Unterlippe vor und macht einen auf „armer, kleiner Junge, dem sein Spielzeug weggenommen wurde“.

„Nein. Das-das ist es nicht. Ich frage mich nur, ob du nicht vielleicht irgendwann mal was anderes zu tun hast, als ständig meinen Aufenthaltsort herauszufinden und dann dort aufzukreuzen“, meine ich, während ich eine Augenbraue hochziehe.

„Irgendwann mal vielleicht schon. Aber vorerst nicht, Schneewittchen“, sagt er und zwinkert mir zu. „Los, komm. Lass uns gehen.“

Er steht immer noch außerhalb des Hauses und jetzt glaube ich, dass er nie vorhatte, es heute zu betreten.

„Was? A-aber wohin denn?“ Die Verwirrung muss mir mal wieder deutlich anzusehen sein.

„Vertrau mir einfach.“

Dann macht Kyle doch ein paar Schritte ins Wohnzimmer. Er dreht den Fernseher ab, nimmt meinen Mantel vom Kleiderständer und hält ihn mir auf, wie ein Gentleman.

SternträumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt