Kapitel 11

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Kapitel 11

„Warten Sie!“, ruft mir dieser komische Fremde hektisch zu, als ich schon mit einem Fuß draußen stehe.

Ich halte abrupt an und drehe mich dann zögerlich um, nur um zu sehen, dass der Junge in lautes Gelächter ausbricht. Na toll, kaum bin ich hier, schon mache ich mich zur Witzfigur oder wie? Ich verschränke meine Arme vor der Brust und sehe in abwartend an, während ich ihm auch ein paar genervte und wütende Blicke zuwerfe.

Nachdem er fast gänzlich zu lachen aufgehört hat, atmet er ein paar mal tief ein, um sich zu beruhigen.

„Hast du mir das ehrlich abgekauft?“, fragt er dann skeptisch und in einer etwas höheren Stimmlage, die tausendmal besser zu ihm passt.

Ich überlege schnell nach einer guten, schlagfertigen Antwort, irgendeinem raffinierten Konterangriff. Aber weil ich ich bin, fällt mir nichts ein.

„Ähm... Naja“, meine ich also nur.

Kurz schaut er mich an und wir sind beide ganz still, doch nach wenigen Sekunden fängt er erneut an zu lachen. Wahrscheinlich sollte ich jetzt sauer sein, weil er mich bloß verarscht hat. Er hat meine Unwissenheit ausgenützt, um mich einzuschüchtern und das ist ihm auf jeden Fall gelungen. Allerdings triumphiert die Erleichterung darüber, dass er mich nicht wirklich raus geschmissen hat. Und unter anderen Umständen wäre das vielleicht auch für mich so lustig, wie es für ihn ist.

„Ein kleiner Tipp: beim nächsten Mal solltest du dein Hemd richtig zuknöpfen und vielleicht auch die Krawatte anständig binden. Das kommt nicht so gut an, als Lehrer. Und möglicherweise würden dir eine Brille und ein falscher Schnurrbart gar nicht so schlecht stehen“, sage ich dann, ohne groß darüber nachzudenken.

Er beruhigt sich wieder, wischt sich diesmal sogar Lachtränen aus dem Gesicht, bevor er zuerst sein Hemd mustert, dann den Kopf schief legt, meinen Blickkontakt aufnimmt und lächelt.

„Gute Idee, ich werd´s mir merken.“

„Unfassbar, dass ich das ehrlich geglaubt habe“, murmele ich vor mich hin. Eigentlich nur zu mir selbst, aber er hört es denke ich trotzdem. „Du bist schließlich nur ein normaler Schüler, oder?“

„Also bitte. Ein überdurchschnittlich gut aussehender Schüler“, sagt er in einem übertriebenen Tonfall, der zeigt, dass er nicht mal sich selbst ernst nimmt.

„Und kein bisschen eingebildet“, schnaube ich sarkastisch.

„Wer? Ich? Nie im Leben“, führt er den Sarkasmus grinsend fort.

Was tue ich hier eigentlich? Ich sollte schon längst im Sekretariat sein! Oder vielleicht sogar schon im Unterricht, wer weiß? Aber stattdessen stehe ich hier in dieser Aula und... rede mit irgendeinem verrückten Jungen, der sich einen verdammt fiesen Scherz mit mir erlaubt hat.

„Ähm. Kannst du mir vielleicht sagen, wo das Sekretariat ist?“, frage ich dann plötzlich und sein Grinsen wird kleiner.

„Oh, Fuck. Es ist ja schon fünf vor halb neun. Scheiße.“ Er verschränkt seine Arme hinter seinem Kopf und geht nervös ein paar Schritte auf und ab. „Du hast nicht zufällig Lust, mit mir zu warten, bis die erste Stunde komplett vorbei ist? Nach meinen Erfahrungen bekommen wir dann weniger Ärger.“

„Mit einem Jungen, dessen Namen ich nicht mal kenne? Und der mich noch dazu gerade vorhin ziemlich verarscht hat?“, frage ich rhetorisch, während ich eine Augenbraue hochziehe.

„Ja. Ganz genau“, antwortet er lachend. „Also, wie heißt du?“

„Ich wüsste nicht, wieso ich dir das sagen sollte.“ Okay, das war jetzt ziemlich überheblich, Chloe.

SternträumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt