Kapitel 24

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Es war still. Nachdem ich meine Erklärung beendet hatte, war Itachi in konzentriertes Schweigen verfallen. Nachdenklich spielte ich mit meiner Kette und strich mir ein langes Haar hinter mein Ohr. "Würdest du mir eine Frage beantworten?",began ich und räusperte mich leise. Ein zustimmendes Brummen seinerseits ließ mich kurz zögern und einen Moment überlegte ich angestrengt, ob und wie ich am besten meine Frage stellen konnte. Das leise Rascheln der Blätter beruhigte mich. Sanft zeichnete ich die Konturen des kleinen Anhängers in meiner Hand nach. Es war erstaunlich, wie scharf meine anderen Sinne auf mein eingeschränktes Sehvermögen reagierten. Deutlich konnte ich Itachis Atmen hören und der Geruch von feuchter Erde wehte vom Wald zu uns. Eine Weile saßen wir still nebeneinander, bevor ich weitersprach.

"Warum hast du Sasuke nie die Wahrheit gesagt?"

Entsetzt keuchte der Ushiha neben mir auf. Ich aktivierte mein Sharingan und sammelte ein wenig Chakra. Kurz darauf wurde ich grob am Hals gepackt und ein spitzer Felsen bohrte sich tief in meinen Rücken. Unscharf konnte ich einen roten Stich in Itachis Gesicht ausmachen. Er hatte ebenfalls sein Sharingan aktiviert. Leise keuchte ich. Ich hatte mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet. Mittlerweile war es nichts neues, dass der Ushiha mich so grob anfuhr.

"Was weißt du alles?!",zischte Itachi vor mir und verstärkte seinen Griff um meinen Hals.  "Lass mich los oder ich sag dir gar nichts." Meine ruhige Stimme brachte ihn kurz aus der Fassung, bevor er langsam locker ließ. Vorsichtig tastete ich meinen Hals ab. Ich zuckte zusammen, als der leichte Schmerz durch meinen Körper fuhr. Das würde ein schöner blauer Fleck werden. Unzufrieden rutschte ich in eine bequemere  Lage und versuchte die Umrisse von Itachis Gesicht zu entdecken. Zusammengekauert saß er neben mir. Er schien mich keine Sekunde aus den Augen gelassen zu haben. Unwillkürlich seufzte ich auf. Ich würde aus dem Erklären wohl nie ganz rauskommen.

"Als ich Sasuke das erste mal gesehen habe, war ich schon skeptisch. Ein von Hass und Rachesucht zerfressener Junge, der nicht glauben konnte, was sein großer Bruder getan hatte. Natürlich hatte ich von dem Ushiha-Massaker gehört, aber als er mir dann erzählte, dass du das Ganze zu verantworten hast und ihm erzählt hast, dass das alles ja nur Training sei, wurde ich  misstrauisch. Mir war klar, dass mehr hinter dieser ganzen Sache stecken musste und genau so habe ich das auch Sasuke erklärt."

Ich machte eine kurze Pause, lehnte meinen Kopf gegen den kalten Felsen und schloss meine Augen.

"Er schien sehr unsicher. Sein Leben hatte sich,aufgrund deiner Geschichte, nur um Rache gedreht und das erste mal machte er den Eindruck, als würde er nichts mehr mit sich anfangen können. Ich versprach ihm die Wahrheit herauszufinden und ihn zu unterstützen. Mit der Zeit öffnete er sich mir gegenüber immer mehr und sah mich teilweise schon als Schwester."

Kurz schmunzelte ich bei der Erinnerung an den kleinen Ushiha und fuhr leise fort.

"Es gab ein paar...nunja... Komplikationen und ich entschied mich dazu Konoha zu verlassen. Ich hinterließ ihm einen Brief und deine Akte."
Ein Keuchen ertönte von Itachi.
"DU hast mit einer Aussage beinahe das gesamte Leben deines eigenen Bruders zerstört und ich frage dich: Warum das ganze? Warum all diese unnötigen Schmerzen? Es kann dir doch nicht egal sein, wie dein eigener Bruder sich fühlt."

Ich stockte. Völlig in Rage, verstummte ich und atmete tief ein. Ich musste ruhig bleiben. Ein leichter Wind fuhr zwischen den Felsen entlang und erzeugte einen heulenden Ton. "Warum, Itachi?",flüsterte ich und öffnete meine Augen wieder. Eine einzelne Träne rollte über meine Wange und hinterließ eine warme Spür.

"Du weißt gar nichts." Die Kälte in seiner Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken wandern. "Du warst nicht an meiner Stelle. Du musstest nicht die Wahl treffen. Dich nicht zwischen deiner Familie und dem Dorf entscheiden. Du musstest nicht deinen gesamten Clan umbringen, damit wenigstens dein Bruder verschont wird. DU WEIßT NICHT, WAS ICH FÜR IHN DURCHGEMACHT HABE UND HAST NICHT DAS RECHT ÜBER MEIN HANDELN ZU URTEILEN.!"

Langsam stand ich auf. Eine Hand an den Felsen gestützt, drehte ich mich zu Itachi um, der mittlerweile wütend aufgesprungen war. Zitternd wischte ich mir eine weitere Träne von meinem Gesicht. Seine Worte hatten mich mehr getroffen, als ich zugeben wollte. Monoton starrte ich auf den unscharfen Fleck von Ushiha vor mir.

"Da irrst du dich. Ich allein habe das Recht, dir diesen Fehler vorzuhalten. Ich bin es leid zu sehen, wie Sasuke durch eine dreiste Lüge leidet. Ich verstehe dein Handeln und den Wunsch, deinem Bruder ein besseres Leben zu bieten, aber denkst du wirklich, dass der Weg, den du eingeschlagen hast, der richtige ist? Für Sasuke UND für Dich?"

Bewegungslos starrten wir uns an. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich wusste besser als jeder andere, was Itachi für seinen Bruder durchmachte. Auch wenn ihm das nicht ganz bewusst war, teilten wir in dieser Hinsicht die selben Gefühle. Mit einem mal fühlte ich mich ganz schwach. Dieses Gespräch zehrte an meinen Kräften und unaufhaltsam liefen einzelne Tränen über mein unbewegten Gesicht. Der Wind frischte auf und eine unangenehme Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Er schwieg, aber ich konnte das leichte Zittern spüren, das von ihm ausging.

"Ich... Ich dachte...",er brach ab und sank auf den Boden. Er wollte nur das beste für Sasuke und aus seiner Sicht ging das nur auf diese Weise. Vorsichtig löste ich meine Hand von den sicheren Felsen und wank auf ihn zu. So verletzlich hatte ich ihn noch nie erlebt. Es passte überhaupt nicht zu seinem distanzierten Charakter und es verunsicherte mich extrem. Ich sank vor ihm auf die Knie und zog ihn langsam hoch. Ein Zittern fuhr durch seinen Körper und sein Kopf war gesenkt.
Zögernd stellte ich ihn gerade hin. Mit einer Hand fuhr ich von seiner Schulter hoch zu seinem Kinn. Sanft drückte ich seinen Kopf hoch und zog ihn in eine Umarmung. Er versteifte sich augenblicklich. Warum mache ich das? Unsicher wollte ich mich wieder von ihm lösen, als er seine Arme um mich schlang. Schwach verkroch er sich in meiner Halsbeuge. Sein heißer Atem striff meine Haut und zögernd strich ich über seinen Rücken. Mein Herz raste unkontrolliert und ein angenehmer Schauer fuhr durch meinen Körper. Er war Sasuke so ähnlich, dass es mir in der Seele wehtat, ihn so verletzt zu sehen. Seine Finger verkrampften sich im Stoff meines Pullovers. Die Uchiha Brüder mussten sich dringend mal aussprechen. Langsam beruhigte er sich. Sein Atem wurde kontrollierter und er entspannte sich.

Sanft drückte ich ihn von mir und betrachtete den großen hellen Fleck vor meinen Augen. Seine Hand fuhr über meine Wange und wischte eine meiner Tränen weg. Überfordert machte ich einen Schritt zurück. Er räusperte sich leise. Die Situation war mehr als unangenehm.

"Gute Nacht, Itachi."

Meine Stimme war leise und stockte leicht. Ich drehte mich um und tastete mich unter seinem stechenden Blick zurück zur Höhle.

Was war das?

Kiră Uchiha- Verzweiflung Where stories live. Discover now