Ich kann das nicht...

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Während Lukas und Elli zusammen auf der Wiese saßen und das bunte Treiben beobachteten, spürte Elli eine Kinderhand auf ihrem Rücken. Kaum hatte sie sich umgeschaut und Oskar entdeckt, brüllte dieser auch schon: "Du bist!". Oh nein, es war Zeit Fangen zu spielen. Elli und rennen. Eine Kombination, die man nur in den seltesten Fällen beobachten konnte. Wobei... Eigentlich nie. Selbst wenn sie kurz vor der Straßenbahnstation war und die Bahn einfuhr, rannte sie nicht. Im Gegenteil, sie wurde langsamer und wartete lieber auf die nächste. Auch in der Schule war sie immer die schlechteste beim Rennen oder besser gesagt, allgemein beim Sport. Beim Crosslauf, den ihre Schule austrug, quer durch den Stadtpark, wurde sie stolze Vorletzte von siebzig, aber auch nur weil der letzte umgeknickt war. Trotzdem war das ihr Highlight, in ihrer Sportkarriere.
Elli reagierte trotzdem ziemlich schnell und schlug sofort an Lukas Schulter: "Jetzt bist du!" und rannte davon. Sie suchte sich ein halbwegs gutes Versteck, damit sie nicht nochmal gefangen werden würde. Hinter einem Baum wog sie sich in Sicherheit. Eine ganze Weile beobachtete sie Lukas, wie er extra langsam den Kindern hinterher rannte und sich zum Teil auch extra fangen ließ. Sein Umgang mit Kindern war richtig toll. Es sprach Elli immer wieder auf's neue an. Lukas war an der Reihe und seine Blicke suchten die Umgebung ab. Elli machte sich so dünn, wie nur möglich hinter ihrem Baum, doch scheinbar zu spät. Sie luntzte hinterm Stamm hervor und sah Lukas auf sie zu rennen. Wie ein kleines Kind fing sie an zu kreischen und rannte davon, so schnell sie nur konnte und das war definitiv nicht schnell. Nach einer Weile, Elli kam es wie eine Ewigkeit vor, spürte sie die Arme von Lukas, der sie von hinten an der Hüfte umklammerte. Durch den Ruck, den es in Elli auslöste, konnte sie sich nicht halten und fiel hin. Da sich Lukas an ihr fest klammerte, konnte auch er sich nicht halten und landete ebenfalls auf den Boden. Die Kinder hatten zwischenzeitlich einen neuen Fänger ausgemacht, da Lukas und Elli aus ihrem Sichtfeld waren. Wie hieß es schon immer so schön? Aus den Augen, aus dem Sinn.
Beide lagen nun auf dem Boden, des großen Krankenhaus Gartens und lachten sich dumm und dämlich. Lukas drehte sich ein wenig auf dem Boden hin und her und plötzlich landete seine Hand auf Elli's Hand, die sich auf ihrem Bauch befand. Am liebsten hätte sie zugepackt und ganz klassisch Händchen gehalten. Doch Elli war immer noch stark genug, keine Gefühle zu zeigen. Sie riss ihre Hand nicht weg, genoss es sogar, dass seine darauf lag. Es war einfach nur schön. Der Boden war zwar etwas kalt, doch der Ausblick, den Elli, auf dem Rücken liegend hatte, war idyllisch. Viele Baumkronen, die den ein oder anderen Versuch starteten, Knospen zu bilden. Die Vögel zwitscherten und das Kindergeschrei im Hintergrund, störte auch nicht.
Vielleicht war es die Sonne, vielleicht auch ein anderer Grund, der auf der Hand lag, dass in Elli einige Schmetterlingslarven ihre Flügel bekamen. Kurzum sie hatte dieses Kribbeln im Bauch, was sie bisher nur von Martin kannte. Dass dieses irgendwann im Laufe einer Beziehung weniger wurden, war klar.
Eine ganze Weile lagen beide schweigend da, wie angewurzelt, ohne Bewegung. Nach einiger Zeit spürte Elli, dass Lukas mit seinen Fingern auf ihrer Hand rum spielte. Immer noch sagte sie nichts. Dann allerdings fing er an zu singen: "Das ist die Izibizi Spinne...", Und krabbelte mit seinen Fingern an Elli's Arm hinauf. Ihre Gefühle gingen komplett mit ihr durch. Was war das? Ein Annäherungsversuch? Hatten die Kinder ihn angesteckt und er war nun auch wieder ein Kind? Elli wusste es nicht. Alles war möglich. Er kam an ihrer Schulter an und war nun komplett über sie gebeugt. Elli's Atmung wurde schwerer und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie versuchte so cool, wie nur möglich zu bleiben und beide grinsten sich an. Sie verlor sich in seinen Augen. Immer wieder dachte sie sich, dass er so unfassbar hübsch ist. Die Blicke wurden intensiver und ganz langsam bewegte sich Lukas, mit seinem Kopf, auf sie zu. Sein guter Duft, kroch Elli intensiver, als je zuvor in die Nase. In ihr schoss die Panik hoch. Was sollte sie machen? Es zulassen, da ihre Gefühle eh schon verrückt spielten? Oder nicht? Die Welt herum wurde langsam, alle Geräusche, die die Umwelt zu bieten hatte, nahm Elli nicht mehr wahr. Es war nicht mehr viel Platz, bis sich ihre Lippen berühren würden. Elli war nun klar, dass es ein Annäherungsversuch und kein kindlicher Übermut war. Kurz bevor es passierte, drehte Elli ihren Kopf weg und stieß Lukas sanft weg. "Ich kann das nicht...", sagte sie und eine Träne rollte über ihre Wange. Lukas ließ sofort von ihr ab: "Oh Gott, es tut mir leid." Elli versuchte Fassung zu bewahren, zitterte jedoch am ganzen Körper. Sie war kurz davor Martin fremd zu gehen. Selber regte sie sich immer über Fremdgeher auf, doch nun hätte sie es selber fast gemacht. Irgendwie konnte alles nicht so weiter gehen.
"Am besten, wir halten nur noch sporadisch Kontakt!", sagte Elli entschlossen. Irgendwie musste sie Abstand gewinnen, endlich wieder zu sich finden. Alles was passierte und eventuell passieren könnte, war Martin nicht fair gegenüber. Er arbeitete sich dumm und dämlich, den schönsten Tag im Leben zu finanzieren und Elli grinste sich still und heimlich einen neuen Freund an. So konnte das nicht funktionieren. Lukas wurde ruhig und nachdenklich. Eine neue, hartnäckige Art legte er an den Tag, die Elli noch nicht kennen lernen durfte. Oder wollte sie diese Seite garnicht kennen? Er sagte: "Ich glaube Abstand gewinnen geht nicht. Wir wissen beide, dass irgendetwas in uns schlummert und uns gegenseitig anzieht. Was willst du machen? Wenn du mit Martin schläfst oder ihn auch nur küsst, wirst du dann an ihn denken oder an jemand anderen? Wir müssen uns der Situation stellen." Es waren Worte, die Elli nicht hören wollte. Vielleicht hatte er Recht. Aber einen kleinen Funken Hoffnung hatte Elli noch, dass sich alles normalisieren würde. Es waren nur noch fünf Monate bis zur Hochzeit. Unmöglich konnte sie jetzt alles weg werfen. Sechs Jahre Beziehung, die durch dick und dünn führte. Immer waren sie für einander da. Martin war auch ihr bester Freund, da konnte selbst Steven zu Jugendtagen nicht mithalten. "Lukas, das geht so nicht. Wir fühlen uns wahrscheinlich voneinander angezogen, weil wir uns so oft sehen. Klar teilen wir Leidenschaften, aber... Ach ich weiß auch nicht...", sagte Elli. Beide waren nun betrübt, wussten aber, dass der jeweils andere auch Gefühle hatte. Eine Klarheit, die spontan kam. Noch vor einigen Stunden hatte sich Elli noch gefragt, ob nur sie etwas für Lukas empfindet. Diese Unsicherheit war nun dahin. So schnell hatte sie noch nie Gefühle zu gelassen. Sie kannte sich seit bald 23 Jahren selber und immer wieder entdeckte sie neue Seiten an sich. Das Klassentreffen war gut und schlecht zugleich. Bevor Lukas noch irgendetwas sagen konnte, stand Elli auf und verschwand in der Kinderschar, die mittlerweile Verstecken spielten. Noch eine ganze Weile saß Lukas enttäuscht auf der Wiese. Der Tag nahm eine Wendung, die sich beide so nicht vorstellten. Er machte sich große Vorwürfe, sich so an Elli ran gemacht zu haben, doch ändern konnte er es nicht mehr. Lukas hoffte, dass sich alles wieder normalisiert, wenn er bald auf Album Promo Tour geht. Da würden sich beide nicht sehen und einen gewissen Abstand gewinnen. Doch da täuschte er sich, denn die beiden sahen sich schneller wieder, als ihnen beiden lieb war...

Teufelskreis (Alligatoah FF Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt