Das Kostüm

305 14 9
                                    

Die Blätter färbten sich langsam gelb und orange, die Tage wurden kürzer und Elli hatte gelernt mit ihren Gedanken umzugehen. Sie liebte den Herbst, nicht ganz so doll, wie den Winter, aber er kam direkt auf Platz zwei. In den letzten Wochen hatte sie nur sporadisch Kontakt zu Steven und Lukas. Eigentlich war alles wieder, wie vor dem Klassentreffen. Der Kontakt zu Sarah wurde wieder viel intensiver und die beiden verbrachten viele Abende zusammen, die Elli eigentlich alleine gewesen wäre.
In ihrem Job hatte sich viel geändert. Durch eine Schulung durfte Elli nun auch Sehtest's durchführen und durch eine personelle Umstellung, fühlte sich Elli garnicht mehr wohl. Viele Kollegen, mit denen sie sich blind verstand, mussten in eine andere Filiale wechseln, da es der Firma nicht gefiel, dass sich alle so verstanden. Anscheinend war es den Vorgesetzten lieber, wenn sich alle verstreiten würden. Das alles traf nur auf Unverständnis bei Elli und sie hasste den Job. Umso mehr freute sie sich an ihren freien Tagen, die kleinen Kämpfer auf der Kinderstation des Krankenhauses, aufzubauen.
Es war Anfang Oktober und Elli spielte ausgelassen mit den Kindern. Oskar war nun wieder auf freien Fuß und durfte auch ausgelassen mitspielen. Er war nicht mehr an sein Bett gefesselt und hatte die kritische Phase überstanden, natürlich ganz zur Freude Aller. Schwester Anita kam auf Elli zu. "Wir feiern in ein paar Wochen eine kleine Halloween Party für die Kids, wir würden uns sehr freuen, wenn du auch kommen würdest!", sagte sie grinsend. Alle Kinderaugen glitzerten, als sie das Wort Halloween hörten. Es war für viele ähnlich wie Fasching und eine willkommene Abwechslung zum tristen Krankenhausleben. Elli hasste Halloween. Immer wieder hatte sie sich über den Hype aufgeregt, der aus Amerika rüber schwappte und mittlerweile groß gefeiert wurde. Doch durch die leuchtenden Augen der Kinder, konnte sie nur zu sagen. Sie hoffte einfach frei zu haben, da es in Berlin kein Feiertag war. "Zieh dich nicht so gruselig an!", scherzte Schwester Anita noch, als die den Raum verließ. Oh man, nun musste Elli noch ein Kostüm besorgen. Gott sei Dank war Halloween nicht mehr so, wie in Anfangszeiten, dass alles gruselig sein musste. Ein einfaches Bettlaken mit zwei Löchern für die Augen, also als Gespenst, würde sicherlich ausreichen, so schloss Elli den Gedankengang über das Kostüm ab und kümmerte sich nicht weiter darum.
Keine Woche später erreichte sie eine Nachricht von Tim: Am 31.10. 20 Uhr Halloweenparty, Ort später
Ja vielen Dank für die Info, dachte sich Elli. Kurze Nachrichten mit wenig Inhalt waren das Markenzeichen von Tim. Hauptsache jede Info ist enthalten. Anscheinend war er sehr schreib faul. Elli wusste, dass Martin an Halloween irgendwo in Wales rum kurven würde, sodass sie sich auf den Spaß einließ und zusagte. Auch wenn die Gefahr bestand, dass ihre Lieblingsfeindin Jill da wäre, stört Elli herzlich wenig, denn sie verstand sich ja nun auch mit Lukas. Auf die Nachfrage, ob sie Sarah mitbringen könnte, schrieb Tim nur ein kurzes, aber bündiges "Ja".
Um ganz sicher zu gehen, dass Elli am 31.10. frei hat, trug sie sich auf Arbeit einen Urlaubstag ein, den sie eh noch offen hatte. Sie konnte ja nun nicht mehr zwei Veranstaltungen sausen lassen. Somit war das auch erledigt und sie wühlte nun doch Mal diverse Internetshops nach Kostümen ab. Ein Bettlaken tat es, zumindest auf der Feier am Abend, nicht mehr.
Sie steigerte sich richtig in die Halloweenparty's rein, irgendwie erinnerte sie das wirklich an Fasching und ihre Kindheit, wo sie bei dem jährlich Umzug immer ganz vorne mit einem umgedrehten Regenschirm stand, um auch jedes noch so kleine Bonbon zu fangen. Auch die Kostüme waren in ihrer Kindheit sehr außergewöhnlich. Ihre Erinnerungen reichten bis zu einem Kostüm als Baby in der Grundschule zurück, wo sie auch einen riesen Schnuller um den Hals trug. Damals wollten alle Pirat oder Prinzessin sein, doch Elli nie. Ihr außergewöhnlichstes Kostüm bereitete ihr ein kurzes Schmunzeln, als sie daran dachte. Damals, als Daniel Kübelböck die Nation spaltete, ging sie im Kübelböck Kostüm auf die Faschingsfeier der Schule. Die Haare wurden annähernd so gestylt von ihrer Mutter und mit dem Schottenrock, den Elli's Oma extra aus Stoff genäht hat, über der schwarzen Hose, wusste jeder was das Kostüm darstellen sollte. Keiner konnte ihn leiden, sodass nun auch Elli in der Schule alle spaltete. Doch auch das war ihr egal, sie stand zu dem, was sie tat und mochte. So langsam schwirrte sie wieder in ihrer Vergangenheit herum und konzentrierte sich nicht mehr auf das Wesentliche - die Kostümsuche. Irgendwie war bisher nichts passendes dabei, sodass sie erst einmal Sarah anrief, um zu fragen, ob sie an Halloween ihre Begleiterin sein möchte.
Nach einem Stundenlangen Telefonat über Gott und die Welt, hatte Elli fast den ausschlaggebenden Punkt vergessen, weswegen die anrief, doch Sarah half ihr auf die Sprünge: "Weswegen hast du jetzt eigentlich angerufen? Langeweile?" Elli überlegte kurz und dann fiel es ihr wieder ein: "Achso... Neee... Wollte fragen, ob du Lust hast mit auf eine Halloween Party zu kommen? Also Tim hat mich gefragt." "So richtig mit Kostüm und so?", wollte Sarah nun wissen. "Naja klar! Ich bin auch schon am suchen, aber so richtig finde ich nix...", erklärte ihr Elli und das Gespräch schweifte wieder ab. Es gab noch keine klare Antwort von Sarah, aber da beide über passende Kostüme diskutierten, konnte sich Elli schon denken, dass es eine Zusage von Sari war.
"Du bist doch Poké Elli, geh doch als irgend so nen Vieh!", schlug Sarah plötzlich vor und Elli war doch ziemlich begeistert von der Idee. Doch wo bekommt man so ein Kostüm her? Kein Mensch hatte 2012 noch Interesse an Pokémon, die Zeiten waren einfach vorbei. Das es kurze Zeit später durch Pokémon Go einen Aufschwung geben sollte, konnte da noch keiner ahnen. "Ich frag Mal Steven, vielleicht spielt er mit. Er war doch auch immer so scharf auf Pokémon. Ich glaube nicht, dass ich dich von so einem Kostüm begeistern kann?", fragte Elli vorsichtig nach und als hätte sie es geahnt, sagte Sarah blitzartig: "Auf keinen Fall! Da bin ich raus!" "Aber bei der Party bist du dabei?", fragte Elli sicherheitshalber noch einmal nach. Sarah stimmte zu mit der Vorraussetzung, dass sie nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müsse. Aber da bräuchte sie definitiv keine Angst haben, denn kostümiert fuhr Elli mit Sicherheit auch keine Straßenbahn, auch wenn sie an diesem Tag nicht die einzigen wären.
Gleich nachdem das Telefonat mit Sarah beendet war, fragte Elli aufgeregt bei Steven nach, ob er denn dabei wären als Pokémon zu gehen. Es war keine große Überraschung, dass er zusagte. Er konnte sich sogar schon denken, als was denn Elli gehen würde. Jetzt würde die Vorfreude immer größer und mit einem genauen Bild vor Augen, machte sich Elli auf die Suche nach dem passenden Kostüm, auch wenn sie es erst zusammen basteln musste.
Um es vorweg zu nehmen, musste Elli tatsächlich basteln, doch schon eine Woche vor der großen Feier, war es fertig und die Ungeduld es endlich tragen zu können, war ungebremst...

Teufelskreis (Alligatoah FF Fanfiction)Where stories live. Discover now