Die Enttäuschung

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Elli spielte sich überraschend gut ein, alleine zu leben, irgendwie hatte sie auch ihren Spaß daran, vermisste aber Martin in ruhigen Momenten um so mehr. Tatsächlich vermisste sie vorallem das sanfte Schnarchen, welches sie immer zum einschlafen brachte. Gespräche kompensierte sie, indem sie fast täglich mit Sarah telefonierte, trotz, dass sie sich mehrmals täglich sahen. Doch es gab immer neues zu erzählen und es wurde nie langweilig. Die Themen reichten von Arbeit über Musik bis hin zu Tieren. Doch wäre das nicht schon alles genug - Nein - so schloss sich Elli zusätzlich noch, ab und zu, den täglichen Spaziergängen von Sarah und ihrem Dackelmischling Lilly an. Aber pünktlich 21 Uhr herrschte Funkstille zwischen Elli und Sarah, denn dann war Martin Zeit. Täglich telefonierte das Verlobte Paar miteinander, um sich wenigstens ein wenig auszutauschen. Auch tagsüber schickte er immer fleißig Bilder, wie es in Schottland aussieht, damit Elli immer irgendwie mit dabei war, an den schönsten Orten, die das Land zu bieten hatte.
Da Elli relativ gut mit der Situation zurecht kam, machte sie sich auch keine Gedanken über die Gefühlslage von Martin. Doch kam er auch wirklich, mit der Trennung auf Zeit zurecht? Eigentlich nicht...
Sehr oft dachte er daran, dass er sich für den falschen Job entschieden hat. Vorallem wenn die Sonne unterging, wurde er immer sehr nachdenklich in seinen Transporter. Er dachte daran, dass Elli in diesem Moment Feierabend hat und nach einer halben Stunde Straßenbahnfahrt in die leere Wohnung kommt. Es war keiner da, der ihr, wie gewohnt das Essen auf den Tisch stellte und damit den Abend versüßte. Elli war nicht die große Köchin, hielt aber den Kopf über Wasser, da der Supermarkt über ein riesen Angebot an Fertigprodukten verfügte.
Doch mit seinen Gedanken wollte er Elli nicht belasten und tat immer so, als wäre alles in Ordnung. Würde er seine Zweifel laut ausprechen, würde Elli alles dafür tun, um in so so schnell wie nur möglich aus dem Job raus zu holen. Doch das wollte Martin auch nicht, denn das Geld war schon sehr verlockend. Laut seiner Rechnung musste er das knapp acht Monate durchhalten, um eine super teure Hochzeit mit allem Schnickschnack zu feiern, den man sich nur vorstellen konnte und genau das war sein einiges Ziel bei dem Job.
Es war ein verregneter Donnerstag im April und Elli machte sich wieder auf den Weg zur Straßenbahn, wo auch schon Sarah mit ihren riesen Regenschirm auf sie wartete. Da das Wartehäuschen bis zum Anschlag mit Menschen überfüllt war, quetschte sich nun auch Elli mit unter den Schirm und konnte endlich die Kapuze abnehmen. Leicht genervt sagte sie: "Ich habe heute eh schon einen Bad Hair Day und da muss das Wetter auch noch so kacke sein..." Sarah lachte und meinte: "Sei froh, so haben alle ohne Schirm und Kapuze einen Bad Hair Day, da fällt deiner nicht so sehr auf!" Beide lachten und schon kam die Bahn. Die Menschenmassen trängelten sich in das innere, aber die beiden Mädels bekamen trotzdem noch ihren Stammplatz. Langsam sollten sie ein Namensschild an die Sitze bekommen. Außerdem schien es so, als ob an regnerischen Tagen viel mehr Leute mir der Bahn fuhren und ihr Fahrrad im Keller stehen ließen.
"Diese Woche ist doch Klassentreffen!", meinte Sarah, die ein Talent dafür hatte, sich Termine zu merken, die rein garnichts mit ihr zu tun hatten. "Ja ist richtig, aber ich freue mich auf Martin!", sagte Elli, der alleine bei dem Namen Martin, das glitzern in den Augen begann. "Kann ich verstehen, dann habe ich am Wochenende ja mal Ruhe vor dir!", scherzte Sari und Elli musste lachen. Sie hatte schon Recht, die letzte Woche hatten beide schon verdammt viel Zeit miteinander verbracht.
Der Arbeitstag blieb ohne Vorkommnisse und Elli kam am Abend in die leere Wohnung. Die Szene, die sich Martin auch jeden Abend traurig vorstellte. Eine Tütensuppe wanderte in den Topf, das müsse reichen für heute, denn ihr brannten die Füße von dem ganzen Laufen am heutigen Tag, sodass Elli keine Lust hatte, ein länger dauerndes Fertiggericht zu kochen. Außerdem hatte sie eh nicht den großen Hunger, denn alleine essen, machte ihr absolut keinen Spaß. Das Festnetztelefon klingelte, als hätte es jemand exakt angepasst, dass Elli ihre Tütensuppe aufgegessen hatte. Auf dem Display stand die Nummer von Martin, der heute schon eine halbe Stunde eher dran war, als üblich. "Hey, schon Feierabend?", fragte Elli mit einem hörbaren grinsen, als sie den Hörer abnahm. Martin klang bedrückt und sie wusste sofort, dass er irgendwas hatte. Doch mit der Sprache rückte er zunächst nicht raus. Erst nach mehrmaligen Nachfragen, schaffte er es Elli die schlechte Nachricht zu überbringen. Es zerbrach ihm das Herz und trotzdem musste er es langsam los werden: "Ich muss nochmal nach Dover und eine Ladung abholen, die ich nach Dortmund bringen soll. Vor Sonntag bin ich leider nicht zu Hause." Elli verstummte und seufzte, wusste aber auch, dass sie jetzt taff bleiben muss, sonst würde sie Martin in ein tiefes Loch reißen. Sie meinte: "Naja die zwei Tage mehr, halten wir auch durch!" Sie telefonierte noch eine ganze Weile, sodass sie sich sicher war, dass Martin jetzt beruhigt einschlafen konnte. Elli hingegen war enttäuscht, wusste aber, dass Martin der letzte war, der was dafür konnte. Die Nacht war sehr unruhig, Elli fand kaum Schlaf. Immer wieder fasste sie auf Martin's Bettseite, die allerdings leer war. Hatte sie sich etwa doch noch nicht so an die Situation gewöhnt, wie es anfänglich schien?
Sie entschied, das Wochenende bei ihren Eltern zu verbringen, schließlich hatte sie ja frei, denn eigentlich wollte sie mit Martin die freien Tage genießen. Direkt nach der Arbeit am Freitag schnappte Elli sich die Autoschlüssel von Martin. Das Auto stand sowieso schon viel zu lange ungenutzt auf dem Parkplatz an der Straße. Zwar fuhr sie nur ungerne, aber auf Flixbus oder Bahn hatte sie noch weniger Lust, vorallem am Freitag, da waren die gerammelte voll, sodass sie sich für das Auto entschloss. Natürlich durfte sie es nehmen und freudig fuhr sie die 300 Kilometer in ihren Heimatort, begleitet von lauter Musik und ihrem lauten mit singen. Trotz, dass es mittlerweile schon 23 Uhr war und ihre Eltern in der Regel viel früher zu Bett gingen, warteten sie sehnsüchtig auf ihre Tochter. Kaum sahen sie das Auto in die Auffahrt einbiegen, sprangen sie aus dem Haus um Elli mit einer Umarmung in Empfang zu nehmen. Elli's Mutter ging dann gleich mit schnellen Fuß in die Küche und stellte die Mikrowelle ein. Eine Portion Brokkoliauflauf drehte im Mikrowellenlicht langsam seine Runden. "Du hast dich bestimmt noch nix gegessen!", sagte sie und stellte ihr den mittlerweile warmen Teller vor die Nase. Elli hatte wirklich noch nichts gegessen und stopfte alles in sich hinein, ging aber nach einem kurzen Smalltalk auch gleich ins Bett, denn der Tag war lang. Um noch ein wenig runter zu kommen, checkte sie noch eine Weile lang ihren Facebook Account und schrieb mit Martin.
In der rechten Ecke stand eine bevorstehende Veranstaltung. Es war das Klassentreffen. Da Elli mittlerweile garnicht mehr wusste, ob sie noch Lust darauf hatte, ignorierte sie es gekonnt. Allerdings währe sie ja jetzt in der Nähe, also spontan dahin gehen war immer noch eine Option.
Nach einer Weile schlief sie in ihrem alten Kinderzimmer ein. Immer noch schauten ihr diverse Poster von Eminem und Sido dabei zu. Nichts hatte sich in den sechs Jahren, vor ihrem Auszug, daran geändert.

Teufelskreis (Alligatoah FF Fanfiction)Where stories live. Discover now