Die Flucht

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Zum ersten Mal in dem Leben des Autos von Martin und Elli, war es voll besetzt. Gut, dass es im Kofferraum noch zwei Notsitze gab, die eigentlich für Kinder gedacht waren. So konnten wenigstens alle sechs mitfahren. Die Fahrt war auch noch voller Spaß und ausgelassener Stimmung. Sie bog in die Straße der Kneipe ein, in der die Party jetzt richtig starten sollte. Die Location war nicht allzu sehr besucht, was Elli toll fand. Sie mochte es, wenn nicht zu viele Leute um sie herum waren. Leider gab es keinen passenden Parkplatz und eine Nebenstraße im Wohngebiet musste her halten.
Schnellen Fußes ging die kostümierte Gruppe in die Kneipe. Der Wirt erkannte die Trailerpark Jungs und schmiss eine Runde Drinks. "Kannst ruhig was alkoholisches bestellen, fahre dich auch nach Hause!", sagte Elli, als Lukas eine Cola bestellte. "Ne, ne, beim Abgrillen hast du auch nix getrunken, also mache ich das jetzt auch so. Man kann auch ohne Alkohol feiern und es reicht, wenn du mich nachher wieder am Ostbahnhof aussetzt.", sagte er. Elli fand das sehr rührend, dass er nun auch auf Alkohol verzichtete, weil sie es damals auch tat. Jill hatte ihn nicht verdient. Beide grinsten sich verständnisvoll an. Die anderen der Gruppe ließen den Alkohol in Massen fließen. Es lief relativ leise Musik, das Ambiente war idyllisch und die anderen Halloween Freunde der Nacht, feierten auch friedlich in ihren Grüppchen. Tanzen stand nicht auf den Plan, eher ein lustiges beisammen sitzen an dem runden Tisch und reden. So mochten es Elli und Sarah am liebsten. Davon abgesehen, dass Elli eh nicht tanzen konnte oder wollte.
Plötzlich spürte Elli einen Ruck an ihrem Rückenpanzer. Es war Lukas, der ihn ihr abnehmen wollte. "Pack das Ding weg, du sitzt doch nicht bequem!", sagte er und Elli weigerte sich partout das unhandliche Ding abzulegen. "Nein, nein, ich hab das in stundenlanger Arbeit angefertigt, also trage ich ihn auch! Es soll doch alles perfekt sein, wen ich schon Mal Halloween feier.", sagte sie und Lukas antwortete sofort: "Das Kostüm ist doch scheiß egal. Ob mit oder ohne Panzer, du bist hier die Perfekteste." Elli's Augen wurden riesen groß und sie starrte ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? War das etwa ein Flirtversuch? Was lief hier ab? Auch alle anderen schaute gespannt in die Richtung der beiden und warteten was Elli nun antworten würde. Doch es kam kein Wort aus ihr heraus. Stattdessen ließ sie sich wortlos helfen, den Panzer auszuziehen. Natürlich hatte er Recht, dass sie jetzt wesentlich bequemer saß. Ein leises "Danke", ging ihr über die Lippen, doch immer noch war sie verunsichert von der Situation.
Man spürte von nun an auch eine komische Stimmung zwischen Steven und Lukas. Elli wollte sich davon aber nicht abbringen lassen. Nicht noch einmal würde sie abhauen, wie damals nach dem Konzert. Sollen sich doch alle um sie prügeln. In zehn Monaten wäre sie sowieso verheiratet und ihr altes Leben wäre zurück. Gerade lebte sie nur eine Phase aus, die sie in der Jugend nicht hatte. Feiern, ausgehen und Spaß haben.
Alles beruhigte sich nun wieder, bis Sarah auf das Klo ging. Nun war neben Elli ein Platz frei, den sich Steven sofort schnappte. Eingekesselt von Lukas und Steven saß Elli nun da.
Mit schlechten Anmachsprüchen versuchte sich Steven wieder bei Elli einzuschleimen, doch der Erfolg blieb aus. Eher wurde sie immer genervter und zeigte das auch anhand ihres Gesichtsausdruckes. Innerlich versuchte sie ruhig zu bleiben.
Irgendwann wurde es ihr doch zu dumm und im ruhigen Ton und so, dass es die anderen nicht mit bekamen, sagte sie zu Steven: "Error, das hatten wir doch schon Mal. Hör auf damit! Hier laufen genug Mädels Rum, flirte doch mit jemand anderen." Er wollte es nicht wahr haben, dass er immer wieder bei Elli abblitzte und sagte: "Aber Lukas darf dich als die Perfekteste betiteln?" Elli verdrehte die Augen und meinte: "Er meinte das nicht so! Er hat ne Freundin und ich nen Verlobten, also lass es bitte sein." Steven nuschelte: "Ja, tolle Freundin hat er. Da muss viel Liebe sein, wenn er jetzt wo anders feiert, als sie!" Es war nicht für Elli's Ohren bestimmt, eher sagte er es laut vor sich hin, doch durch ihre guten Ohren, hörte Elli so einiges, was eigentlich nicht für sie gedacht war.
"Reißt euch zusammen! Was soll das? Hätte ich gewusst, das es alles so ausartet, wäre ich nie zu auch nur einem Treffen gekommen!", sagte Elli und so langsam platzte ihr die Hutschnur. Sie hatte sich groß vorgenommen, nicht wieder abzuhauen, aber jetzt brauchte sie frische Luft. So ging sie schweigend vor die Kneipe und lief ziellos durch die Straßen, um einfach die Ruhe zu genießen. Ihre Kostümierung war ihr egal, denn sie war nicht die einzige, die um die Uhrzeit noch so Rum lief. Außerdem trug sie ihre Jacke und Kapuze, da es angefangen hatte zu nieseln.
Langsam nährte sie sich der Kneipe wieder und sah, wie Sarah aufgeregt vor der Tür telefonierte. Ein Blick auf Elli's Handy verriet, dass sie ständig angerufen wurde. So war es halt, wenn sie das Handy immer lautlos ließ. "Mensch Elli, du kannst doch nicht einfach gehen, ohne ein Wort zu verlieren!", sagte Sarah erleichtert, als sie Elli entdeckte. "Ich brauchte nur Mal frische Luft, ist alles gut! Lass uns wieder rein gehen.", beruhigte Elli ihre beste Freundin.
Sie setzten sich wieder an den Tisch der anderen. Elli strengte sich an, den restlichen Abend noch zu genießen, doch die Stimmung war vergiftet. Während Basti und Tim den Spaß ihres Lebens hatten, würdigten sich Lukas und Steven keines Blickes. Außerdem sah man, dass Steven deprimiert auf den Tisch schaute.
Was war nur schon wieder passiert? Jedes Mal etwas anderes, wenn eine Feier anstand. Keine Party, die ruhig über die Bühne lief.
Auch, als sich nach einer gefühlten Stunde, die Situation nicht zu verbessern schien, reichte es Elli endgültig: "Steven, kommst du bitte mit raus?", fragte sie und Steven's Blick änderte sich von deprimiert zu hoffnungsvoll. Sie suchten sich eine ruhige Ecke und Elli erfragte, was das alles soll. Steven atmete schwer durch und fand dann, die für ihn passenden Worte: "Ich mag es nicht, wenn dich jemand als die Perfekteste betitelt. Du bist meine beste Freundin, wir kennen uns seit knapp 15 Jahren und ich will dich doch nur schützen." Elli verzog ihr Gesicht und sagte: "Häh? Wovor willst du mich schützen? Ich bin nicht mehr das kleine unwissende Mädchen von damals, was damit prahlt einen tollen Kumpel zu haben. Und außerdem sagst du es schon selber, wir kennen uns seit 15 Jahren, in denen wir uns acht nicht gesehen oder gehört haben. Es hat sich viel geändert, auch wir. Ich weiß garnicht, wieso du so anhänglich bist, wobei du weißt, dass ich nicht mehr zu haben bin." Elli sagte das alles in einem bestimmenden aber ruhigen Ton. Steven senkte seinen Kopf, er war tief getroffen von den Worten. Nach einer kurzen Pause fing er an zu reden: "Elli, du verstehst das nicht! Du bist meine Kinder-Liebe, die vergisst man nicht einfach so. Dann sitzt du da plötzlich bei dem Klassentreffen und alle Situationen, die wir durchlebt haben, waren wieder in meinem Kopf. Klar haben wir uns verändert, aber fremd geworden sind wir uns nicht." Elli verzweifelte so langsam an der Vernarrtheit von Steven: "Error, man, natürlich sind wir uns nicht fremd geworden, dafür haben wir zu viel erlebt. Du bist ein hübscher, großer Mann geworden. An jeder Ecke kannst du dir ne Frau angeln, also mach das auch und wein nicht deiner Kinder Liebe hinterher. Ich hab dich echt lieb, aber das wird nix mit uns!" Elli tat es in der Seele weh, Steven zu sehen, wie er wie ein Häufchen Elend auf dem Bürgersteig saß, doch die Worte waren nun Mal nötig. Sie gab sich einen Schubser und umarmte ihn, auch wenn dies vielleicht kontraproduktiv sein könnte. "Komm, wir gehen wieder rein...", sagte sie leise und Steven nickte.
Nach dem Gespräch wurde der restliche Abend zwar nicht ganz ausgelassen, aber entspannter, als er vorher war.
Gegen 5 Uhr jagte der Wirt die letzten Gäste, auch die kleine sechköpfige Gruppe, aus der Bar. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder an Elli's Auto ankamen und sich hinein pellten. Das Taxiunternehmen Elli war nun einsatzfähig. Normalerweise wäre sie in spätestens 1,5 Stunden zu Hause, doch ein Seelenstrip, den sie nicht erahnen konnte, verzögerte die Heimfahrt um ein Vielfaches...

Teufelskreis (Alligatoah FF Fanfiction)Kde žijí příběhy. Začni objevovat