"Sei erwachsen!"

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Elli riss die Augen, nach einem langen, erholsamen Schlaf auf und sofort stieg ihre Laune bis ins unermessliche. Es war Silvester, der für sie, schönste Tag des Jahres. Auch wenn Martin nicht da war, würde sie sich alleine eine schönen Tag machen, der nach typischer Elli Manier von vorne bis hinten durch geplant war. Doch sollte ihr Plan durchquert werden, was sie noch nicht wissen konnte.
Sie stand auf und ging laut singend ins Bad. Sie zupfte sich kurz die Haare zurecht und putzte sich die Zähne. Arbeiten stand heute nicht auf den Plan, denn wer Heilig Abend arbeiten war, musste Silvester nicht Ran. So machte sie es schon, seitdem sie bei der Optikerkette, angefangen hatte.
Mit einer Tüte voll kleiner Glücksbringer, in Form von Schweinchen, Schornsteinfegern und Hufeisen, machte sie sie auf den Weg zu ihren kleinen Kämpfern ins Krankenhaus, um ihnen im Jahr 2012, zum letzten Mal eine Geschichte vorzulesen. Sie fuhr zur Abwechslung einmal Straßenbahn, denn mit dem Auto hatte sie einen zu guten Parkplatz ergattert. Silvester musste man immer aufpassen, wo man parkte, denn die Marzahner Straßen entwickelte sich spätestens 18 Uhr zu einer großen Pyromanen Show. Leider auch mit vielen Polen Böllern, da man relativ nah an der Grenze wohnte.
Elli kam gut gelaunt im Krankenhaus an und als sie den rappel vollen Parkplatz sah, war sie froh, sich für die Straßenbahn entschieden zu haben.
Als sie in der Kinderstation ankam, war sie doch sehr verwundert, dass kein einziges Kind auf den Flur war. Normalerweise empfanden die Kleinen es immer als Abwechslung, wenn Elli die Tür hinein kam, doch heute war niemand zu sehen. Etwas verwundert steuerte sie das Spielzimmer an, welches mit einer Glastür von Flur abgetrennt war. Sie grinste, als sie die ersten Kinder in einem Stuhlkreis sitzen sah. Ihre Hand bewegte sich Richtung Türklinke und einen kleinen Schritt ging sie nach vorne, bevor sie ihn betätigte. Was sie nun im Augenwinkel wahrnahm, drückte ihre Stimmung.
Lukas saß da und alle Kinder schauten ihn gebannt an, während er ihnen ein Buch vorlaß. Elli's Hand ließ die Klinke los und innerlich kämpfte sie mit sich, ob sie den Raum nun betreten sollte. Innerlich sagte sie sich immer wieder: "Sei erwachsen! Die Kinder haben damit nichts zu tun!" Schlussendlich stand nun Schwester Anita hinter ihr, was Elli am Anfang garnicht mitbekam. Erst durch die Worte: "Also Elli, Stillstand ist scheiße!", Registrierte Elli Anita, die damit andeutete, dass Elli die Tür versperrte. Sie schubste Elli hinein und nun stand sie mitten im Raum. Während sich die Kinder freuten Elli zu sehen, stand sie wie angewurzelt da und starrte Lukas an, der sie auch mit einem steinernen Gesichtsausdruck anschaute. "Lest ihr uns gemeinsam vor?", fragte die kleine Luisa. "Nein, ich bleibe nur kurz und wollte jeden von euch einen kleinen Glücksbringer schenken.", sagte Elli immer noch abwesend, während sie die kleinen Figuren verteilte. Nachdem sie das tat, verabschiedete sie sich auch wieder von Gruppe, was eigentlich so nicht geplant war. Ein letzter Blick von ihr schwenkte auf Lukas, bis sie mit gesenktem Kopf den Raum verließ. Schnellen Fußes bestritt sie den Krankenhausflur. Nach Hause, Elli wollte einfach nur noch nach Hause. Es tat ihr weh, Lukas zu sehen, weil sie wusste, dass sie ihn verletzt und sitzen gelassen hat. Doch so erwachsen war sie noch nicht, wie sie es sich eingeredet hatte. Es war wieder eine Art Flucht, die sie antrat. Wäre sie erwachsen, hätte sie sich zusammengerissen und gemeinsam mit Lukas, zumindest für die Kinder, ihnen etwas vorgelesen.
Der Ausgang nährte sich und ein lautes: "Elli, nun warte!", riss sie aus den Gedanken. Sie drehte sich um und sah, wie Lukas auf sie zu gerannt kam. Wieder steckte sie in einer Zwickmühle. Weglaufen oder sich der Situation stellen? Sie entschied sich für das zweite und mit Herzpochen erwartete sie nun eine Standpauke von ihm.
"Elli, was soll das? Deine Antwort war nicht sehr befriedigend. Mag sein, dass du ein schwacher Mensch bist, aber ich bin nicht besser. Ich bin auch kaputt und schwach!", sagte er in einem ruhigen Ton. Elli war überrascht, sie hätte mit anderen Worten gerechnet. Trotzdem versuchte sie dem Gespräch aus dem Weg zu gehen: "Lukas, ich will das wirklich nicht hier im Krankenhaus besprechen!" Wie aus der Pistole geschossen sagte er: "Dann lass und irgendwo Kaffee trinken gehen, ich will geklärt haben, was hier läuft." Aber auch darauf hatte Elli keine Lust und machte einen schweren Fehler, der ihr Leben nun komplett auf den Kopf stellte. Sie sagte: "Dann komm halt mir zu mir, dann reden wir über alles." Ein bisschen schlummerte die Hoffnung in ihr, dass Lukas Nein sagen würde, da er noch auf eine Silvesterparty eingeladen sein würde. Doch den Gefallen tat er ihr nicht und meinte: "Okay, machen wir so! Habe heute eh nichts mehr vor!" Innerlich stöhnte Elli laut und musste sich nun wirklich der Situation stellen.
"Lass und wenigstens noch ein wenig mit den Kindern spielen. Die können nix für unsere Probleme...", sagte Lukas und Elli stimmte zu. Es war eine komische Atmosphäre in dem Spielzimmer. Wie in zwei kleinen Grüppchen spielte jeder der beiden mit anderen Zwergen. Elli, aber auch Lukas, konnten sich den Kindern nicht so hingeben, wie sonst. Beide versuchten aber das beste, die Kinderaugen zum Strahlen zu bringen. Als die kleinen zum Mittagessen gehen mussten, verabschiedeten sich Elli und Lukas von ihnen und brachen gemeinsam auf. "Bist du mit Auto?", fragte er. Elli schüttelte nur den Kopf. "Dann fahren wir jetzt gemeinsam zu dir!", entschied er. "Ich muss aber vorher noch zu meinen Schwiegereltern, die haben Abendessen für mich vorbereitet, wie jedes Silvester.", sagte Elli, die nun hoffte, dass Lukas erst später zu ihr kommen würde. "Ist ja kein Problem, musst mir sagen, wo die wohnen, dann warte ich solange im Auto.", sagte er. Scheinbar hatte er das Vertrauen zu Elli verloren und dachte sich, dass sie nie die Tür öffnen würde, wenn er jetzt nicht direkt mit zu ihr kommt.
Sie dirigierte ihn durch die Straßen Marzahn's, bis zur Haustür ihrer Schwiegereltern. Eigentlich wohnten sie nur vier Straßen weiter, was nun auch Lukas registrierte, aber nichts dazu sagte. Eher fühlte er sich in seiner Annahme, dass Elli abends die Tür nicht öffnen würde, bestätigt. Er schwieg und sagte nichts dazu. Nach einer geschlagenen halben Stunde, kam Elli mit einer riesen Schüssel voll Essen wieder aus dem Haus und die letzten paar Meter fuhren sie jetzt zu ihr. "Es ist aber nicht aufgeräumt!", sagte sie, als sie ihre Wohnungstür aufschloss. "Das ist mir sowas von egal.", sagte Lukas und zum ersten mal an dem Tag, grinsten sie sich an. Tatsächlich bot sich Lukas ein unaufgeräumter Anblick. Klamotten lagen quer verteilt im Wohnzimmer und leicht staubig war es auch. Schnell versuchte Elli ihre Dreckwäsche noch in die Waschmaschine zu stopfen, was den Anblick nun leicht verbesserte. Sie stellte das Essen in den Kühlschrank und kochte beiden eine Kaffee. Als sie sich auf das Sofa setzte, wusste sie genau, dass sie nun das ernste Gespräch erwarten würde...

Teufelskreis (Alligatoah FF Fanfiction)Where stories live. Discover now