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Das Flugzeug startet, als ich meine Augen schließe und zu den unverwechselbaren Lines meines Lieblingsrappers lausche. Flugzeug fliegen ist für mich so etwas wie Routine, doch dieses Mal weiß ich, dass ich nicht wieder zurückfliegen werde. Meine Mum hat einen dauerhaften und zudem besser bezahlten Job bei einer amerikanischen Modelagentur bekommen. Vor ihr modelten dort bereits einige It-Girls, welche sich als meine Vorbilder entpuppen und deswegen bin ich sogar froh dafür umzuziehen. Bis zu diesem Moment wohnten meine Mum und ich in London, doch in den USA, genau genommen Los Angeles, wartet ein brandneues 1500 Quadratmeter-Apartment auf uns beide und ich kann es kaum erwarten mein Zimmer zu sehen und mich dort auf mein Bett fallen zu lassen. In Amerika starten wir beide einen Neuanfang. Obwohl Mum schon 30 ist, sie hat mich übrigens mit 16 bekommen, hat sie immernoch einen wunderschönen Körper und ein Vogue-taugliches Gesicht. Und ich sehe aus wie eine kleinere Version von ihr. Lange blonde Haare, dunkelbraune Augen, leicht geschwungene Lippen und eine spitze Nase und natürlich ein ziemlich guter Geschmack in Sachen Mode sind Teile von uns. Unersetzliche Teile. Mein Aussehen ist bis jetzt das Wichtigste um das ich mich kümmere und kümmern muss. Schule ist drittrangig, denn vor der Schule kommt noch mein Freund. Er lebt zwar immernoch in London, denn sein Vater kann wegen seines Jobs momentan nicht in die USA, doch nachdem er den jetzigen Dreh abgeschlossen hat, werden beide nachfliegen und auch in Amerika wohnen. Er ist einer der einzigen Personen, die verstehen wie es ist, berühmte Eltern zu haben und sich viel um das eigene Aussehen und Wohlergehen zu kümmern. Sein Nachname ist Pritt. Jeder kann was mit diesem Namen anfangen. Viele nennen ihn Fuckboy-Pritt, dafür wurde ich oft als Schlampe oder arrogant bezeichnet und das alles nur weil wir das "Promipaar" der Schule waren. Eventuell auch wegen den Knutschflecken die unsere Nacken zierten, aber ganz ehrlich, nur weil die anderen Mädchen und Jungs von ihren Eltern 24/7 überwacht werden und ihr Liebesleben deshalb nicht ausleben können, ist das offensichtlich nicht mein Problem. Jedenfalls haben er und ich uns Stück für Stück in eine Blase eingeschlossen in der es nur uns gibt und wir alle Kommentare von den Menschen um uns herum nicht an uns ranlassen. Ich hab es mir von meiner Mum abgeschaut. Sie hatte zahlreiche Affären mit den berühmtesten Männern Hollywoods und hat keinen Schaden von den Schlagzeilen mitgetragen, da sie sich ausschließlich darüber und die hungrigen Geier, welche Journalisten genannt werden, lustig gemacht hat und ja, es hat einwandfrei funktioniert, also tat ich dasselbe mit unserer Beziehung. Doch ich glaube, dass diese Blase heute zerplatzt ist. Wenn man sich mit dem Showbusiness auskennt, weiß man wie lange es dauern kann bis auch nur eine Szene, geschweige denn ein Film, fertig gedreht worden ist. Mister Pritt ist zwar ein waschechter Profi was das angeht, doch der Regisseur spielt darin immer noch die größte Rolle und wenn dieser zu pingelig ist kann eine einzige Szene Stunden in Kauf nehmen. Kurz gesagt ist meine Hoffnung unsere Beziehung normal weiter führen zu können bereits gestorben als ich ihn gestern Abend zum Abschied geküsst habe. Es hat natürlich weh getan, aber ich muss ihn loslassen. Professionalität. Denn auch ich werde durchgehend von Paparazzi verfolgt und diese wollen nichts lieber als Stars die sich die Seele aus dem Leib heulen, doch dieses Material werden sie nicht von mir kriegen.

"Maja.", Mum schaut mir mit müden Augen ins Gesicht, ihre Schlafmaske befindet sich auf ihrem Kopf. Ich drehe mich zu ihr um und ziehe einen meiner Kopfhörer aus dem Ohr, "Was denn?" Sie richtet sich auf und schaut mich diesmal richtig an.

"Wenn wir angekommen sind, wird uns ein Auto am Flughafen abholen", ein ausgiebiges Gähnen unterbricht sie, "Unser Chauffeur wird darin sitzen und uns zukünftig überall hinbringen. Das jetzige Auto ist zwar nur ein Ford, aber in Zukunft werden wir uns einige neue Autos zulegen." Ich schaue sie mit einem fragenden Blick an, weil ich nicht ganz verstehe, was sie mir damit sagen will.

"Damit meine ich, dass wir direkt zu unserem neuen Apartment fahren ohne einen Zwischenstopp einzulegen, da wir sonst den Morgenverkehr mitbekommen." Ohne eine Reaktion meinerseits abzuwarten dreht sie sich wieder um und zieht ihre Schlafmaske über ihre Augen. Wir sind beide nicht sonderlich aufnahmefähig, wenn es früh morgens ist und wir noch keinen Kaffee hatten, also drehe ich mich auch wieder um und genieße weiterhin die Beats, welche leise durch meine Kopfhörer in meinen Kopf dringen. Ich beobachte die kleinen Lichter weit unter uns, welche durch den Regen mehr und mehr vor meinen Augen verschwimmen und ein unscharfes Bild aus roten, weißen und gelben Farben bilden. Ich beobachte dieses Bild so lange, bis unser Flugzeug durch eine Wolkendecke fliegt und ich von der hellen Sonne oberhalb der Wolken geblendet werde. Ich liebe Flüge. Wenn ich im Flugzeug sitze habe ich das Gefühl von allen meinen Sorgen befreit zu sein und am friedlichsten Ort dieser Welt zu sein. Ich blende meine Umgebung komplett aus und schaue aus dem Fenster auf diese immer kleiner werdende Welt und lasse alle meine Probleme fallen. Hier oben gibt es nur mich und die wunderschöne Wolkendecke, welche alle Menschen, Gerüchte und Erinnerungen von mir trennt und das ist auch gut so. Erinnerungen verbinde ich immer mit Sorgen, denn in der Blase, in der ich lebe, ist genügend Platz für meine eigenen Sorgen und irgendwann ersticken mich diese. Ob ich will oder nicht. Sorgen loszuwerden ist nicht einfach. Ich habe mich in dieser Blase eingeschlossen und weiß, dass ich nicht mehr rauskommen werde. Also werden meine Sorgen auch keinen Ausweg finden. Deshalb halte ich normalerweise auch nur noch an materiellen Dingen fest und nicht an Erinnerungen, denn diese machen mir keine Sorgen. Es gibt nur einen Menschen an den ich ab heute festhalten werde - und das bin ich.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 02, 2019 ⏰

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