Unschuld

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~Seine Sicht~

Ich wartete keine zwei Sekunden, bis ich den beiden hinterherstürmte. Yamato hielt mich mit zögerndem Blick am Ärmel fest.

''Sie meinte, wir sollen uns im Hintergrund halten.'', flüsterte er, während er sich kurz zum alten Mann umdrehte.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen.

''Du weißt, was Ryu gesagt hatte, diese Typen könnten wieder auftauchen. Und ohne ihn ist sie so gut wie machtlos.'' Das war der Satz, der seinen Griff an meinem Ärmel lockerte und ich mich schließlich von ihm losreißen konnte.
Auch wenn Yamato es nicht mochte, Ryu hatte uns darum gebeten, nun noch mehr als vorher auf sie aufzupassen.

''Zumindest bis ich weiß, mit wem wir es hier genau zu tun haben.'', erwähnte er mit einer hallenden Stimme und hellblau-spektralen Körper, während ich Arisus bewusstlosen Körper in meinen Armen hielt.

Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie das, was ich zuerst als Chakra bezeichnet hätte, in Strömen aus Arisu in den Himmel empor stieg und wenig später eine menschliche Form annahm. Dabei konnte ich ihren Körper gerade noch auffangen, bevor es der Waldboden tat. Doch bevor ich noch sein Gesicht oder andere Details ausmachen konnte, hob er seine Hände.

''Ich bin kein Feind. Ich arbeite mit Arisu zusammen'', sagte er ruhig und schien mich dabei direkt anzugucken mit dem, was ich als Augen eingestuft hätte. Wenn man Zusammenarbeit unter aus der anderen Person herausströmen definiert, dann hatte er definitiv Recht.

Ich gab mit einem Lächeln zu: ''Haben wir gesehen.'' Er ließ darauf hin nur seine Hände fallen und schien seine Schultern damit sacken zu lassen. Er hatte sich komplett entspannt.

Nun konnte ich sein scharfes Kinn und seine schmalen Augen ausmachen, die denen einer Schlange ähnelten. Sein Gesicht schien an manchen Stellen immer noch etwas unförmig zu sein, was ich als eine Art von Narben interpretierte. Jetzt, wo ich seinen gesamten Körper musterte, fiel mir auf, dass er mit diesen Lücken übersäht war. Allerdings schienen ihn auch viele verschiedene Muster mit Cyan-Licht zu zieren. Siegel. Mindestens ein Dutzend alleine über seinem Oberkörper verteilt.

Auch seine Kleidung, bestehend aus einer losen, fransigen Hose und sämtlichen Armbändern geschmückt mit geflochtenen Strängen, Blättern, Knochen und Zähnen, waren wie er durchsichtig und in ein helles, blaues Licht gehüllt.

''Ich nehme an, du bist noch etwas, dass Arisu uns verschwiegen hat?'', fragte Yamato spöttisch, als er sein Kunai wegsteckte.

Er schnaubte nur kurz als Antwort.

''Eigentlich hättet ihr mich auf der gesamten Mission noch nicht mal kennenlernen sollen.''

''Und womit haben wir dann die Ehre?'', fragte ich spontan und wunderte mich selbst, die Frage so abrupt gestellt zu haben. Ich schaute kurz herunter in meine Arme in Arisus Gesicht. Sie schien die ganze Zeit über so schweigsam, was sie, die Mission und generell alles darum betraf. Ich fragte mich, was sie uns wohl noch alles nicht gesagt hatte.

''Weil sich unsere Mitspieler gezeigt haben.''

''Mitspieler?'', fragte Yamato verwundert.

''Nun ja,'', antwortete er mit einer Art Seufzen, ''man kann das hier als eine Art Wettlauf beschreiben. Ein Wettlauf gegen die Zeit, in der sich der Fluch verbreitet. Nur dachte ich zuerst, dass außer uns noch andere von Tempeln wussten. Uns war klar, dass die Leute nahe des Dorfes eventuell ein Problem darstellen könnten, aber das es doch andere Leute gibt, die aktiv ihre Hände im Spiel haben... Wenn wir Glück haben, wollen sie nur an die Schätze des Tempels.''

Er hielt für einen Moment inne und ich konnte schwören, dass seine Form für eine Sekunde stärker, fast schon hart wurde, als er sagte: "Wenn wir Pech haben, besitzen sie sie schon."

Yamato und ich guckten uns erschrocken an. Gerade, als wir Fragen darüber stellen wollten, fuhr er fort: ''Allerdings habe ich eine Ahnung, woher diese Typen stammen könnten.''

Dafür, dass das ein guter Anhaltspunkt war, schien sein Blick für eine Sekunde düster, bis sie sich im nächsten Moment wieder gelegt hatte und sein Blick auf Arisu fiel.

''Und ich nehme an, dass du das jetzt herausfinden wirst?'', fragte ich und ertappte mich selbst dabei, wie ich meinen Griff um ihre zarten Arme festigte.

Sein Mund zog sich zu einem zwielichtigen lächeln und er schien zufrieden mit meiner Frage. Ich versuchte gar nicht erst mein Glück, jetzt schon über die Tempel nachzufragen. Bald würden wir es selbst sehen.

''Genau. Und ihr werdet bis dahin genau das machen, wofür ihr hier seid. Zumindest bis ich weiß, mit wem wir es hier genau zutun haben und wie viel sie wissen.''

Ich musterte ihn noch einmal kurz. ''Also was genau bist du?''

Das war eine berechtigte Frage.

Alles, was ich zuerst als Antwort bekam, war ein lautes, hallendes Lachen. Als er sich dann wieder gefasst hatte, erwiderte er spöttisch: ''Ah, wo bleiben meine Manieren für das irdische Volk? Ich bin Ryu. Und naja, ich kann dir erklären was ich bin, aber das würdest du jetzt noch nicht verstehen.''

Im nächsten Moment befand sich die leuchtende Gestalt direkt vor meinem Gesicht und mir lief plötzlich ein unergrünlich eisiger Schauer über den Rücken. ''Aber wenn ihr irgendetwas zustoßen sollte während ich weg bin, wirst du dir wünschen, du hättest mich nie kennengelernt.''

Und damit war er verschwunden. Ich bemerkte gar nicht, wie blass ich sein musste, als mich Yamato besorgt fragte, ob es mir gut ginge. Ich nickte nur langsam. Anscheinend hatte nur ich den letzten Satz gehört.

Ich war mir sicher, dass ich auch so den beiden nachgegangen wäre, allerdings würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass Ryus Drohung dabei keine Rolle gespielt hatte. Mit großem Abstand folgte ich den beiden und als sie schließlich stoppten, blieb auch ich stehen und hielt mich versteckt. Auch wenn ich normalerweise andere Damen nicht einfach so belauschte, musste ich versteckt bleiben um vor potenziellen Angreifern eine Chance zu haben.

Als ich ihrem Gespräch zuhörte, konnte ich deutlich wahrnehmen, wie sehr die Verfolgung an ihren Kräften gezehrt hatte.

Und ihr haltet euch im Hintergrund.

So sehr ich es auch hasste, ihre Stimme so schwach und erschöpft zu hören, tat ich das, was mir gesagt wurde. Es hätte nichts gebracht, wäre ich ihr nachgeganen. Ich hatte keine Ahnung, was sie am Tempel erwarten würde und könnte sie nur anlügen im Versuch, sie zu beruhigen. Arisu schon.

Dann kamen sie nach langer Diskussion beide aus dem Gebüsch gekrochen, dass ihren Stop gefedert hatte.

Ich kann ihr trauriges Lächeln nach Anjas Frage nicht vergessen.

''Natürlich.'', hauchte sie mit eiskalten, gläsernen Augen und ich fühlte das Stechen in meiner Brust mit einem Satz umso stärker.

Sie schien die Traurigkeit hinter ihrer Stimme nicht zu bemerken und nahm Arisus ausgestreckte Hand, worauf sie selbst kurz zusammenfuhr.

"Ich komme mit!"

Und dann, so schnell, dass ich dachte ich hätte es mir nur eingebildet, schien ihre Miene in einem Meer aus blauen Schleiern eisern zu werden und sie drückte dem Mädchen einen Stein aus ihrem Beutel an die Stirn, worauf der kleine Körper zusammenfiel.

Arisu fing sie noch auf und nahm Anja in ihre Arme. Ihre Beine baumelte über Arisus Armen hin und her, als sie ging.

Sie guckte mich nicht an, als sie nur noch ein kühles ''Komm.'' entgegnete.

Unter den Wolken [GER]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt