15 * Vendetta

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Als Krista die morsche Haustür öffnete hatte sie alles erwartet, vom Staubsaugervertrer bis hin zum Gerichtsvollzieher, doch auf keinen Fall wäre ihr der kleine Junge mit den wasserstoffblonden Haaren in den Sinn gekommen. Schwer atmend krümmte er seinen Rücken, er musste gerannt sein. "Isaac? Was, was machst du hier?", fragte die hagere Frau verdutzt. Er deutete ihr zu warten, indem er einen Zeigefinger hob. "Oh, ja, ähm, weißt du Isaac, du kannst auch rein kommen, dann geb ich dir was zu trinken und danach ist immer noch Zeit zum Plaudern." Sie trat ein Stück zurück und zog die Tür weiter auf. Jedoch schüttelte der Junge nur den Kopf. "Ich... ich, ähm, ist Mick da?" Nickend grinste Krista. "Du hast Glück, er wollte gerade los, er ist noch im Bad", erklärte sie. Einladend trat sie von der Tür weg, sodass Isaac eintreten konnte. Doch erneut schüttelte er seinen Kopf. "Ich würde hier gerne warten und dann mit ihm reden." Krista zuckte mit den Schultern. "Mir ist es so ziemlich egal, aber ich denke, du kannst ruhig zu Micki, er muss nämlich langsam los, also solltest du jetzt gleich mit ihm sprechen." Isaac verzog sein Gesicht, schien seine Möglichkeiten abzuwägen. Schlussendlich nahm er sich der Worte Kristas an und trat in das Haus. "Na siehst'e Kleiner, ist doch gar nicht so schwer, das Bad ist gleich da, aber klopf vorher, er ist da sehr zimperlich", trällerte die schlanke Frau. Der Blonde nickte, zog sein Jacke aus und gab sie Krista, die bereits darauf gewartet hatte.
Isaac schlich vorsichtig zu der Tür, wohinter sich das Bad befinden sollte.

Zaghaft klopfte er an das dunkle Holz. "Kannst rein", erklang Micks tiefe Stimme kurz darauf. Beherzt drückte der Blonde die Klinke und trat in das kleine Bad. Vor einem Spiegel stand Mick mit dem Rücken zur Tür, bekleidet nur mit einer Unterhose. Überrascht weiteten sich seine Augen, als er Isaac im Türrahmen erkannte. "Oh, Newton, mit dir habe ich nicht gerechnet, ich dachte, äh, ich dachte es wäre jemand aus der Familie", Mick legte die Haarbürste beiseite und drehte sich zur Toilette, auf der seine Sachen lagen. Jedoch kam er nicht dazu sie anzuziehen, da der Blonde kurzerhand die Tür geschlossen hatte und und den Großen umarmte. Ein wenig überrumpelt drückte Mick seinen Freund. Isaac zitterte und war ganz kalt in Gesicht. "Hey, Newton, was ist denn passiert? Wir sehen uns doch morgen", fragte Mick. Als Antwort bekam er nur ein Schluchzen. Wortlos klammerte sich der Kleine weiterhin an den Schwarzhaarigen und versuchte aufkommende Tränen zu unterdrücken. Behutsam strich Mick über die feinen hellen Haare. "Shh, Baby, alles gut. Ich bin da, dir kann nichts passieren", murmelte er an den Kopf des Kleinen. Vorsichtig setzte er sich auf die Toilette und zog Isaac auf seinen Schoß. Dieser ließ es widerstandslos geschehen. Das Schluchzen hatte aufgehört, jedoch zitterte der schmächtige Körper weiterhin. Mick versuchte nochmal ein Gespräch anzufangen: "So, Newton, jetzt atme einmal tief durch und dann erzählst du mir erstmal, was dich so durcheinander gebracht hat."
Er spürte, wie der Kopf an seiner Schulter nickte. Mick versuchte ein freundliches Lächeln aufzusetzen, doch als ihn glasige blaue Augen anschauten, verzog sich sein Gesicht ungewollt zu einer besorgten Miene.
"Meine Eltern, sie, sie wollen mich-", Isaacs Stimme brach. Behutsam hob sein Freund eine Hand und fing an, mit federleichten Berührungen über die blasse Wange des Blauäugigen zu streichen. "Was wollen deine Eltern?"
"Sie wollen, dass morgen und die ganze Woche ein Mädchen bei mir schläft", der kleine Körper begann zu zittern.

Der Schwarzhaarige drückte den Kleinen fester an sich und flüsterte fast atemlos in sein Ohr: "Aber das ist doch kein Problem, erstens hast du einen sehr charmanten und gutaussehenden Freund, der dich vor allen Dingen beschützen wird und zweitens werde ich dich morgen trotzdem besuchen."
Isaac schniefte, seine Nase war in Micks wilden Locken verschwunden und er hatte sich unbewusst in die unbekleidete Schulter des Jungen gekrallt. "Ich würde Maike jetzt nicht als Ding bezeichnen, aber beim ersten Punkt stimme ich dir zu", hauchte er in das Ohr des Großen. Dieser musste bei den Worten grinsen und drückte Isaac ein Stück von sich. Der Blonde löste seinen Griff ein wenig, wenn auch nur ungern. Micks Wärme, seine Zuneigung und seine Ruhe hatten eine heilende, fast magische, Wirkung auf sein eigenes schüchternes und angespanntes Wesen. Der Kleine wurde aus gutmütigen braunen Augen angesehen. "Newton, ich liebe dich und niemand in dieser Welt und bestimmt kein Mädchen, kann das ändern", murmelte Mick so leise, dass der Angesprochene die Worte nur mit Mühe verstehen konnte. Augenblicklich blieb die Erde stehen. Isaac vergaß alles. Seine Eltern, Maike, die Tabletten und seine Ängste, denn er war für diesen innigen Moment der glücklichste Mensch. Mick schaute ihn verunsichert an. "Es tut mir leid, wenn das gerade zu schnell war, ich wollte nicht-", doch weiter kam er nicht, da der Kleine sich kurzerhand nach vorne gelehnt hatte und ihre Lippen vereinigte. Überrascht von der plötzlichen Handlung zuckte der Schwarzhaarige ein wenig, jedoch genoss er den vorsichtigen Kuss.
Der Junge auf seinem Schoß spielte mit den schwarzen Locken im Nacken seines Freundes. Mick bekam eine Gänsehaut von den zärtlichen Berührungen. Dennoch unterbrach er den Moment der Sinnlichkeit, indem er, samt Isaac im Arm, aufstand und den Kuss damit stoppte. Verwirrt wurde er gemustert. "Mick, Mick, was tust du da?", quietschte es hyterisch von seinen Armen. Der Große lächelte nur gutmütig. "Weißt du Newton, so sehr ich das hier gerade schätze, tut es mir leid, dich daran erinnern zu müssen, dass ich noch immer zur Arbeit muss." Isaac seufzte leise. Er wollte nicht, dass sein Freund ging. "Aber keine Sorge, es sind nur fünf Stunden", fuhr Mick fort. Fürsorglich setzte er den Kleinen auf der Toilette ab. "Jedoch muss ich mich vorher noch anziehen, ich glaube nämlich, dass mein Chef nicht begeistert wäre, wenn ich nur in Unterwäsche dort auftauchen würde", der Große zwinkerte der dünnen Gestalt neben sich zu. Diese nickte nur abwesend und zog seine knochigen Knie an sich. Ihm war erst jetzt aufgefallen, dass der Schwarzhaarige tatsächlich nur Boxershorts und Socken trug. Schlagartig wurde ihm heiß und seine Handflächen fingen an zu schwitzen. Er hatte gerade mit einem fast nackten Jungen gekuschelt und es war ihm nicht einmal bewusst. Langsam rutschte er tiefer in seinen weiten Pullover.

Mick schaute das Bündel nachdenklich an, drehte sich dann jedoch weg, um seine Kleidung anzuziehen. Neugierig erhaschte der Blonde einen flüchtigen Blick auf Micks Hintern, als dieser sich herunter beugte. Widerwillig musste er sich eingestehen, dass dieses Bild ihm sehr gefiel. “Und was machen wir mit meinen Eltern?", nuschelte er in den Auschnitt seines Oberteils. Ruckartig drehte der Braunäugige sich zu Isaac, er war gerade im Begriff seine schwarze Jeans anzulegen. Mit einem hämischen Grinsen blickte er dem Dürren fest in die Augen. "Oh, ich weiß genau, was wir machen."
"Wirklich? Dein Grinsen macht mir ein wenig Angst."
Mick rollte mit den Augen und zog seine Hose hoch, was sich als etwas kompliziert herausstellte, da diese sehr eng war. Hüpfend versuchte er das Kleidungsstück über seine langen Beine zu bekommen. Bei dem Anblick seiner beinahe fliegenden Locken musste Isaac schmunzeln. "Lachst du mich gerade aus?", fragte Mick herausfordernd. Der Angesprochene setzte eine ernste Miene auf und schüttelte schnell den Kopf. "Na ja, ich glaub dir mal. Aber zurück zu deinen Eltern; eigentlich wollte ich dich ja erst morgen besuchen, so offiziell halt, aber wie wäre es, wenn ich heute ganz offiziell bei dir schlafe?", der Große streifte sich gerade seinen Hoodie über den Kopf und konnte die Reaktion des Blonden nicht sehen. "Da machen sie nicht mit. Meine Mutter vielleicht, sie mag dich wahrscheinlich sogar, aber mein Vater macht da auf keinen Fall mit“, überlegte er laut. Mick, welcher jetzt komplett angezogen war, stellte sich vor Isaac und drückte behutsam den schmalen Körper gegen seinen Bauch. “Tja, dann dürfen wir ihm einfach keine Wahl lassen“, murmelte er in die weichen blonden Haare und setzte einen Kuss auf den Scheitel. “Nur eins noch, hast du einen Rollkragenpullover oder einen Hoodie, der geht auch?“, verwirrt wurde der Schwarzhaarige aus stechenden blauen Augen gemustert. “Ja, ja ich denke schon, wieso?“
“Wirst du noch herausfinden.“

Der melodische Klang der Klingel durchbrach die Stille in der modernen Wohnung. Überrascht sah Lona zu ihrem Mann. “Erwartest du Besuch?“, als Antwort bekam sie nur ein wortloses Kopfschütteln. Vielleicht hat Isaac ja jemanden eingeladen, dachte sie. Jedoch verwarf sie diesen Gedanken wieder, ihr war durchaus bewusst, dass ihr Sohn keine richtigen Freunde hatte, deshalb war sie auch so verwundert, als Mick des Öfteren in Isaacs Gesellschaft aufzufinden war. Es klingelte wieder. Langsam stützte die Frau sich von dem grauen Sofa auf, ihre Knie waren nicht mehr die besten und auch ihr Rücken bereitete ihr von Zeit zu Zeit Schmerzen. Vergleichsweise schnell lief sie die Treppe zum Flur herunter und betätigte den Summer, um den Gast hineinzulassen. Während sie erwartungsvoll durch den Türspion blickte, kam Heinrich ebenfalls herunter, allerdings nur, weil er ins Bad wollte.
Lona hatte wirklich mit vielen Leuten gerechnet, von den Zeugen Jehovas bis hin zu ihrer Schwester, allerdings nicht mit den schmächtigen Jungen, der ihr nur allzu bekannt war. Schnell zog sie die Wohnungstür auf. “Isaac, was, wie, ich dachte du bist in deinem Zimmer“, stotterte sie aufgeregt. Ihr Sohn sah sie gespielt verwirrt an. Mick hatte ihm genau erklärt, was er jetzt sagen sollte. “Äh, hast du nicht mitbekommen, wie ich gegangen bin?“, unsicher kratzte er sich am Hinterkopf. “Na offensichtlich ja nicht“, ertönte da die gelangweilte Stimme seines Vaters. “Also, wo warst du? Doch nicht etwa bei diesem Michael, oder?“
“Mick und nein, nicht direkt. Ich war an der Tankstelle, ich brauchte einen neuen Kuli und auf den Weg dorthin habe ich Mick getroffen, er war gerade auf dem Weg zur Arbeit“, log der Kleine. Unbeteiligt hob der Vater seinen Kopf und verschwand in der Wohnung. Seine Mutter starrte ihn wie hypnotisiert an. “Ähm, Mama, kann ich vielleicht rein?“, durch diese Worte schien sie zu erwachen und trat ein Stück zurück. Als Isaac im Eingangsbereich stand und Jacke wie Schuhe ablegte, hatte sie den forschenden Blick wieder aufgesetzt. “Und da hast du nichts gesagt?“
“Hm, doch, doch, ich hab euch zugerufen, dass ich mich kurz los machen würde, aber ihr hab gerade diskutiert, na ja und dann hab ich wohl meinen Schlüssel vergessen“, er kicherte leicht. Die strohblonde Frau nickte etwas pathetisch, doch dann fing sie sich wieder. “Sag mal Mama, kann Mick heute hier schlafen“, nervös sah der Junge in die Augen seiner Mutter. Er hatte ihre Augenform geerbt, sonst war er eher seinem Vater ähnlich. “Ach, ich dachte, er wollte erst morgen kommen...“
“Ja, so war der Plan, aber ich hab ihm erzählt, dass die Offermanns morgen uns ebenfalls besuchen und da hatten wir die Idee, dass er ja einfach nach der Arbeit hier schlafen könnte, dann würde er die Offermanns auch nicht stören. Außerdem ist die Wohnung doch eh schon geputzt“, berichtete ihr Sohn höflich. Nachdenklich fuhr sie sich mit beiden Händen über das müde Gesicht. Dann atmete sie stark aus. “Na ja, von mir aus darf er hier schlafen, wenn seine Eltern das erlauben“, seufzte sie. Der Junge neben ihr fing an zu strahlen. “Ach, das wird kein Problem sein, er muss bis 17 Uhr arbeiten und wär dann bestimmt so ne Stunde später hier, ähm, ich hol das Gästebett und bereite mein Zimmer vor, kannst du Papa bescheid geben?“, plapperte er eifrig und lief schnellen Schrittes auf sein Reich zu, dadurch ließ er seiner Mutter keine andere Wahl und umging auch noch eine vorrausichtlich unangenehme Konversation mit seinem Vater.

Mitternachtsaffäre   (boyxboy)Kde žijí příběhy. Začni objevovat