4 * Die Sonne der Nacht

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Noch bevor Mick die Hütte betreten konnte, hörte er lautes Gekreische von innen. Er atmete laut aus. Sein Nachmittag bei Isaac war so schön und sie sind sich emotional näher gekommen, denn der Langhaarige hatte es endlich geschafft, dass Isaac ihm so weit vertraute, um von sich zu erzählen, doch jetzt stand er vor einem sanierbedürftigen, kleinen Haus und hörte seine chaotische Familie.

Für nichts auf dieser Welt würde er auch nur daran denken, seine vier Geschwister und seine Eltern zu verlassen, aber an manchen Tagen wünschte er sie ganz weit weg. Er drehte den metallenen Schlüssel im Schloss und die abgenutzte Tür schwang mit einem leisen Knarzen auf. Niemand schien ihn bemerkt zu haben, denn es gab keine Begrüßung von einem der weiteren Hausbewohner. Der Vater saß mit den Zwillingen und seinen anderen Söhnen am Esstisch und versuchte alle Anwesenden zum Essen zu bekommen. Jim hockte schweigsam über seinem Handy, David kitzelte abwechselnd Amy und Janis. Diese lachten und brüllten unter seinen Attacken. Der ältere Mann wiederum schrie dazwischen, damit sein Sohn seine Schwestern in Ruhe ließ und sie endlich essen konnten. Mick schritt in die bewegte Szene ein und hatte augenblicklich die Aufmerksamkeit aller. Von einem Moment auf den anderen machte keiner mehr einen Laut. "Wo warst du so lang?", unterbrach schließlich der dickliche Mann die peinliche Stille. "Ja genau Micki, wo warst du? Janis und ich mussten unsere Hausaufgaben ganz alleine machen! Die waren mega schwer", quietschte Amy. Von ihrer Schwester erhaschte sie ein zustimmendes Nicken, alle Brüder rollten nur mit den Augen. "Ich war bei... einem Freund", sagte Mick nach kurzem Überlegen. Er hatte den flüchtigen Gedanken gehabt, sich kurzerhand vor seiner Familie zu outen und zu zugeben, dass er die Absicht hatte Isaac nicht nur als 'einen' Freund betiteln zu dürfen. Von Jim und David kam nur ein desinteressiertes 'Ahh', seinem Vater aber schien es wichtiger, zu wissen wo sich sein Ältester herum trieb. "Du hast in der Stadt keine Freunde, wo warst du wirklich?" Mick sah ihn bestürzt an. Die Aussage stimmte zwar, aber er hätte nie gedacht, dass sein eigener Vater es sagen würde.

"Tja, seit heute habe ich einen und ich war schon oft bei ihm. Für Schule, heute aber nur so", antwortete der Große patzig. Er war beinahe eine perfekte Kopie von seinem Vater, jedoch hatte er die athletische Statur seiner Mutter geerbt. Die Zwillinge kletterten gelangweilt über die Stühle, David saß einfach nur abwesend rum und Jim hatte sich wieder seinem Handy gewidmet. "Okay, Kinners', ihr könnt in euren Zimmern essen, ich glaube, Mick und ich müssen uns mal unterhalten", erklang die dröhnende Stimme des fülligen Mannes. Ohne weitere Aufforderungen schnappten sich alle einen Teller mit Nudeln und Soße und verschwanden. "Liest du mir nachher noch vor, Micki?", fragte Janis vorsichtig. "Na klar, Süße", dann zog Amy sie in ihr gemeinsames Zimmer.

Die beiden Männer standen sich direkt gegenüber und starrten in die Augen des jeweils Anderen. "Du ziehst jetzt erstmal deine Jacke aus, ich räume auf und dann reden wir wirklich mal", unterbrach der Ältere den Blickkontakt. Da Mick keine reelle Wahl hatte, tat er, was er sollte.

Nur wenige Minuten darauf saßen sie nebeneinander auf dem geblümten Sofa, schützend hielt der Teenager ein Kissen vor seinen Bauch. "Also Mick, bei wem warst du? Bei einem Mädchen? Bitte sprich mit mir", braune, flehende Augen sahen zu ihm. Mick verzog fast schon angeekelt sein Gesicht. Abgesehen von seinen Schwestern und seiner Mutter hatte er absolut nichts mit Mädchen zu tun. "Nein  Paps, ich war wirklich bei ihm. Er heißt Isaac und ich habe dir eigentlich schon von ihm erzählt. Wenn ich mich nicht täusche, dann war er auch schon mal hier, wegen Schule", erklärte er geduldig. Das schwabbelige Gesicht des Vaters erhellte sich. "Ach Gott, du redest von dem Mickrigen. Tut mir leid Mick, dass ich dachte, dass du irgendwas Dummes machen würdest", sein Sohn nickte nur wissend.

Fast zur gleichen Zeit hatten ein anderer Vater und ein anderer Sohn ein ähnliches Gespräch. Nur saßen sie auf einer grauen Designercouch und beide waren strohblond. Auch sah der Jugendliche nur halb so selbstbewusst aus wie der andere, dafür der Vater umso gepflegter.

Mitternachtsaffäre   (boyxboy)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن