Kapitel 19.2

172 16 4
                                    

~S I L C A N~

Es gab Tavernen in Tarranar, die kein Bürger, der noch halbwegs bei Verstand war, freiwillig betreten würde. Und dann gab es Tavernen wie die „silberne Brücke", wo es ein Akt des Überlebens war, sich durch die Bänke der sich am Genuss des Bieres labenden Menge hindurch zu kämpfen. Wer dachte, die Schenke würde ihrem Namen alle Ehre machen, der hatte sich gewaltig geirrt. Sie war genauso heruntergekommen und versifft wie die meisten anderen Tavernen Tarranars. Allein die kleine Brücke, deren heller Stein aus dem Clachan Gebirge im Mondschein silbrig zu glänzen schien, verlieh diesem schmuddeligen Gebäude seinen viel zu ehrwürdigen Namen. Gerade noch hatte Silcan auf der Brücke gestanden und die schneidend frische Luft eingeatmet, jetzt schlugen ihm die sich zu einem penetranten Geruch vermischenden Dünste von Alkohol, der Suppe des Tages und beißenden Schweiß entgegen, als er in den weitläufigen Gastraum trat. Zuerst waren es diese Gerüche, dann prasselte die Geräuschkulisse auf ihn ein und mit einem Mal wünschte er sich in die abendliche Stille der einsamen Gassen zurück. Die Stimmen und das Klirren der Krüge schallten so laut durch den Raum, dass Silcan sich fragte, wie überhaupt noch jemand sein eigenes Wort verstehen konnte. Der Gastraum war gut besucht für die späte Stunde. Silcan bemühte sich nicht in die Gesichter der Menschen zu blicken und seinen strammen Schritt zu bewahren, während er sich durch die bereits schwankenden Körper hin zum Tresen schlängelte, der sich über die gesamte hintere Wand zog. Die Theke war lediglich unterbrochen durch einen Bogen, hinter dem eine Treppe in ein tiefer gelegenes Geschoss führte, das einen zweiten, kleineren Gastraum beherbergte. Egal wie übel das Ambiente von außen erschien, von innen war die „Silberne Brücke" so behaglich und gemütlich wie es in Tavernen eben sein konnte, und außerdem war das Bier exzellent. Solange nicht heute oder morgen wichtiger Dienst anstand war es das, worauf es den Gardisten nun mal ankam, auch wenn Silcan dem Bier vieles vorzog, allem voran den Tannenmet. Silcan steuerte auf den untersetzten Mann mit dem dunklen Vollbart zu, der hinter dem Tresen mit drei Bierkrügen in beiden Händen eilig hin und her hetzte. Schweiß lief ihm die Schläfen hinab und bereits in einiger Entfernung konnte Silcan sehen, wie heftig er zwischen den Schritten nach Luft schnappte. Es war ungewöhnlich viel los und Silcan wollte beim besten Willen nicht mit dem Wirt tauschen. Er zog die Kapuze seines dunklen Umhangs tiefer in die Stirn und beschleunigte seine Schritte. Der Wirt hieß Sven und war ein enger Vertrauter von Elrik oder besser gesagt er war ein gut bezahlter Vertrauter von Elrik und er war eingeweiht in die geheimen Treffen der Garde. Sven schaute auf, als er die sich rasch nähernde Gestalt Silcans bemerkte.

„Na, auch wieder im Lande, Lebuin?" Sven hatte immer diesen unterschwelligen Humor, der in seinen unter den immer etwas fettigen Haaren verborgenen Augen blitzte. Es war ein Spaß für ihn sich immer neue Namen für Silcan auszudenken, der seinen eigenen in einem solchen Rahmen nie preisgab. Und Sven verwendete sie mit aller Ernsthaftigkeit ohne auch nur die Miene zu verziehen.

„Sicher Sven. Ist jetzt auch schon wieder eine Weile her. Sind die anderen schon da?" Bei den letzten Worten beugte er sich unauffällig über den Tresen, um sicherzugehen, dass niemand anderes auch nur einen Fetzen des Gesagtem mitbekam.

„Die meisten sind schon unten. Elrik ist erst vor ein paar Minuten eingetroffen. Die Kleine kommt noch?"

„Sven, lass sie das bloß nicht hören. Sie hat dich schneller mit Messern gespickt als du laufen kannst. Und ja sie kommt noch. Mit Aelfric." Silcan hoffte, dass sich seine Stimme in Wirklichkeit nicht annähernd so bitter anhörte wie in seinem Kopf. Er wusste ja, dass Rhyala und Aelfric, der in Wahrheit Vincent hieß, für diese Rolle nur zum Schein eine Beziehung vorgaben, aber es erzeugte ein makabres Gefühl tief in ihm. Bei solchen Treffen erschienen Rhyala und Silcan nie zusammen, denn niemand sollte auch nur die geringste Verbindung zwischen ihnen sehen. Das war sicherer für sie beide. Doch Silcan war es bei Weitem lieber sie alleine die Schenke betreten zu sehen.

Alestra - SchattennebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt