RAUM 4

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Hieroglyphen

ROE STOLPERTE IN den nächsten Raum hinein und fiel über ihre eigenen Beine

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ROE STOLPERTE IN den nächsten Raum hinein und fiel über ihre eigenen Beine. Fluchend landete sie am harten Metallboden. Sie rollte sich auf den Rücken und sog scharf die Luft ein. Das Knirschen war mit einem Schlag nicht mehr zu hören. Nur das heftige Atmen der kraftlosen Menschen hallte durch die Gegend.

Sie zwang sich dazu, ihre Augen zu öffnen und sich rasch umzusehen. Wer hatte sie in diesen Raum gezogen? Sie erblickte ausschließlich überforderte Leute, die mit sich selbst zu kämpfen hatten. Keiner von ihnen schaute zu ihr. Sie alle saßen auf dem Boden weit entfernt von ihr und dem Kraftfeld. Allesamt konzentrierten sie sich darauf, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Es hatte sie noch nicht einmal jemand bemerkt.

Eine Gestalt löste sich von der Masse. Molly. Sie richtete sich schnell auf und joggte zu Roe. Langsam wurden auch die anderen auf sie aufmerksam. War sie diejenige, die sie hineingezerrt hatte? Nein. Sie hatte bis gerade eben noch auf der anderen Seite des Raumes gekauert. Das befand sich zu weit weg von ihr und der durchsichtigen Wand.

Molly hockte sich neben sie hin und ergriff ihre Hände. Kraftvoll zog sie sie hoch. Ihre freundlichen Augen glitzerten sie an und erkundigten sich stumm nach ihrem Wohlbefinden. Roe reagierte distanziert, indem sie sich von ihrem Halt befreite, einen Schritt zurücktrat und sich den Glasstaub von der Hose klopfte.

"Ich verstehe das nicht", murmelte Caesar. Molly sah Roe noch kurz verständnisvoll an, bevor sie sich im positiven Sinne von ihr entfernte. Sie wollte ihr Freiraum lassen. Dafür war sie ihr dankbar.

"Ich sehe kein Muster. Keinen Anhaltspunkt", hauchte er und vergaß darauf, seine gefälschte aufmunternde Miene aufrechtzuerhalten. "Warum Natalie? Warum genau sie?" Die Leute um ihn herum kauerten antriebslos am Boden und Roe war sich nicht sicher, ob sie ihm überhaupt zuhörten.

W11. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Das war der Anhaltspunkt, den die Gruppe benötigte. Die Symbole auf der Wand waren verdächtig. Sie schrien danach, entdeckt und aufgeschlüsselt zu werden. Das konnte sie den anderen unmöglich vorenthalten.

"Ich habe etwas entdeckt", fing Roe übereilt an. Zögerlich suchte sie nach Blickkontakt. Caesar und Wolvie sahen fast gleichzeitig zu ihr hinüber. "Schriftzeichen an der Wand. Kurz, bevor ich in diesen Raum gekommen bin."

"Schriftzeichen?", fragte Caesar verblüfft. "Was für Schriftzeichen genau? Kannst du dich noch erinnern?" Er kratzte sich am Kinn und ging einige Schritte auf sie zu.

"W11. Es stand sehr weit oben auf der ... flimmernden Wand." Roe deutete hinter sich, wo das Kraftfeld sich gerade eben zurück zu einer massiven Glasscheibe verfestigt hatte. Ihr umherschweifender Blick rief ihr sofort die vergangenen Minuten in Erinnerung. Überrascht keuchte sie auf.

"Ja, die sind mir in den letzten beiden Räumen auch schon aufgefallen ...", überlegte Wolvie zögerlich. "Bei dem ganzen Stress hatte ich sie völlig vergessen." Betroffen senkte er sein Haupt.

"Tatsächlich? In jedem der Räume sind genau diese Schriftzeichen?", fragte Caesar ungläubig und drehte sich in Richtung des potenziellen nächsten Raumes. Er suchte die Glaswand ab und schüttelte resigniert den Kopf. "Ich sehe hier aber überhaupt keine Schrift oder Symbole."

"Nun ja. Sie tauchen immer erst dann auf, wenn die meisten bereits in den nächsten Raum geflüchtet sind. Zumindest habe ich das so beobachtet", erklärte Wolvie. Er schnippte ungeduldig mit den Fingern und kniff die Augenlider konzentriert zusammen. "Ich müsste sie mir gemerkt haben ... im ersten Raum habe ich M4 gefunden und im nachfolgendem ist auf der Wand W9. Und im letzten ist W11 darauf erschienen, wie es Roe bereits erwähnt hat."

"M4, W9, W11", wiederholte Caesar und grübelte. "Ich frage mich nur gerade, warum im dritten Raum ein Zeichen mehr ist. Bist du dir sicher, dass du die Eins nicht eventuell doppelt gesehen hast, Roe?" Er wandte sich ihr zu und registrierte prompt ihr Unwohlsein. Wahrscheinlich war sie auffällig blass im Gesicht.

"Nein, es waren ganz sicher drei Ziffern dort." Roe schloss ihre Augen und presste die Luft aus ihren Lungen. "Es ... tut mir leid. Ich brauche kurz eine Pause."

"In Ordnung. Nimm dir ruhig Zeit, um dich zu sammeln", sagte Caesar verständnisvoll. Was danach gesagt wurde, betraf sie nicht mehr.

Die Stimmen verwandelten sich in fernes Geflüster in ihren Ohren. Sie wurden von ihrem Kopf vertrieben. Von einem einzigen Wort verdrängt. Natalie. Es erklang mit jedem Mal stärker in ihrem Kopf. Es pochte unangenehm und ließ sie einfach nicht mehr in Ruhe. Ein verschwommenes Bild drängte sich ihr auf. Die leblose Puppe mit den Goldlocken. Roe meinte, Glasstaub in ihren Augen fühlen zu können. Es brannte und entlockte ihr eine einsame Träne.

Etwas Warmes berührte Roes zu Fäusten geballte Hände und holte sie aus ihrem Gedankenstrudel zurück. Jemand von der Gruppe war an sie herangetreten. Gereizt wollte sie sich aus dem Griff der Person reißen, als sie unbeabsichtigt den Blick hob und den Typen sah. Sofort hielt sie inne und vergaß alles um sich herum. Es brachte sie aus der Fassung. Aus der Nähe kam er ihr noch vertrauter vor. Sie musste ihn von irgendwoher kennen.

"Alles okay? Besser du setzt dich kurz." Ohne den Blick abzuwenden, machte Roe, was er sagte. Er tat es ihr gleich und ließ ihre Hände erst los, als sie beschämt wegsah. "Hast du sie gut gekannt?", fragte er vorsichtig.

"Eigentlich nicht. Aber eine lange Zeit", murmelte sie und starrte auf ihre Hände. "Es ist so seltsam, jemanden sterben zu sehen. Ich hätte sie retten können." Ihre Finger spielten mit dem gittrigen Metallboden.

"Mach dir keine Vorwürfe. Wir sollten nicht noch mehr Lasten auf den Schultern tragen. Es gibt schon genug", riet er ihr. "Ich bin übrigens Sean. Darf ich ehrlich sein? Du kommst mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann dein Gesicht einfach nirgendwo hineinordnen." Neugierig sah Roe auf.

"Du mir auch", gab sie zu und legte den Kopf schief. Seine dunklen Augen betrachteten sie grübelnd.

"Wir kommen schon noch drauf", versicherte Sean und schmunzelte.

Ein leises Surren riss sie aus ihrem Gespräch. "Ich schätze, man will, dass wir in den nächsten Raum gehen", meinte Caesar und deutete mit einem Kopfnicken auf die Wand, die gerade dabei war, sich in ein Kraftfeld zu transformieren.

Alle richteten sich auf und liefen in Richtung des neuen Raumes. Gerade, als Roe und Sean vor der flimmernden Wand standen, ging das Licht für eine Zehntelsekunde aus. Verblüfft hielt sie inne. Das war ihr schon einmal aufgefallen. Skeptisch ließ sie ihren Blick über die Wände gleiten. Es gab keine Veränderung. Nichts war passiert.

"Komm", forderte Sean sie auf. Sie ging weiter und legte noch kurz den Kopf in den Nacken. Doch eine Veränderung. Diesmal stand dort M14. Sie biss sich auf die Lippe und passierte das Kraftfeld.

 Sie biss sich auf die Lippe und passierte das Kraftfeld

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Entropie | ✓Where stories live. Discover now