RAUM 1

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RAUM 1
❝Anfang vom Ende❞

EIN KNIRSCHEN BRACHTE Roe dazu, die Augen aufzureißen

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EIN KNIRSCHEN BRACHTE Roe dazu, die Augen aufzureißen. Sie zitterte am ganzen Leib, als sie ihren Kopf panisch umherdrehte. Sie versuchte sich so schnell wie möglich aufzurichten, doch Schmerzen im Rücken ließen sie innehalten. Ihre Hand wanderte zu ihrem Nacken und unter der beißenden Pein, die durch ihren Körper zuckte, musterte sie ihre Umgebung.

Um sie herum lagen etwa zwei Dutzend Menschen auf einem metallenen Grund. Vier im Licht glitzernde Glaswände umgaben sie und dahinter verbarg sich alles einnehmende Dunkelheit. Egal wie sehr sie ihre Augen zusammenkniff - sie konnte außerhalb einfach nichts anderes als Schwärze erkennen. Die Ecken des Raums waren von feinen Linien durchzogen. Am Boden glänzten stellenweise Wasserpfützen. Tropfen fielen aus den Rissen in der Decke hinab und nährten die Lachen. Ihr Echo hallte geisterhaft nach. Die Leute um Roe herum regten sich nicht und ihr fröstelnder Körper ließ sie für einen Moment glauben, sie wäre von Leichen umgeben.

Das Knirschen ertönte wieder, gefolgt von einem Geräusch, das an zerspringendes Glas erinnerte. Das Kratzen und Quietschen ging ihr durch Mark und Bein. Um sie herum begannen sich die Menschen zu regen. Als sie erwachten und sich ungläubig umsahen, schienen sie noch nicht so recht begreifen zu können, dass sie nicht mehr träumten. Sie drehten sich um ihre Achsen und betrachteten die glänzenden Glaswände. Einige kratzten sich ratlos am Kopf, andere hoben ihre Hände vor den Mund und unterdrückten Schluchzer. Mit jedem Augenblick wurden sie wacher. Roe glaubte, ihre Gedanken zu hören. Aus verwirrten Mienen wurden von Verzweiflung geprägte Fratzen. Es drohte, eine Massenpanik auszubrechen. Nur Sekunden brauchte die Angst noch, um die Stimmung zum Kippen zu bringen.

"Stopp", rief eine männliche Stimme, "beruhigt euch bitte. Niemand verliert jetzt seine Nerven." Der Sprecher erhob sich und alle Blicke richteten sich auf den jungen Mann. Seine braunen Augen strahlten Wärme aus, die einige zu beruhigen schien. Doch Roe meinte, Unsicherheit in seinen Worten mitschwingen zu hören. Er verbarg es gekonnt, weswegen ihm die meisten in der Stunde der Not voller Vertrauen an den Lippen hingen.

"Gut. Also ich frage ganz konkret: Weiß irgendjemand, wo wir hier sind und was das hier alles soll?" Er blickte erwartungsvoll durch die Runde, doch er bekam als Antwort nur Schweigen.

Wie ein Blitz schoss es Roe durch den Kopf und sie glaubte, die Panik würde sie vollends einnehmen und ihr die Luft zum Atmen nehmen. Sie war an einem fremden Ort aufgewacht. Sie war eingesperrt. In einem gläsernen Raum ohne Türen oder Fenster. Ihr wurde heiß und schwindlig bei diesen Gedanken, doch vielleicht lag es auch an der eigenartigen Dunkelheit, die außerhalb der Scheiben lauerte. Als wären sie in Vakuum gehüllt. Abgetrennt vom Rest der Welt.

"Habe ich mir gedacht", murmelte der Typ, der in der Mitte stand und mit der Gruppe sprach. "Ich weiß es auch nicht. Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich mich in mein Bett gelegt habe. Meine nächste Erinnerung ist, dass ich hier aufgewacht bin", erzählte er. Zustimmendes Gemurmel ertönte. Roe starrte den Metallboden mit den Löchern an, die vor ihren Augen verschwommen waren. Sie stützte sich daran ab und versuchte, ruhig zu atmen. Sie musste sich besser auf das Zuhören konzentrieren.

"Okay. Und geht es jedem soweit gut? Ist jemand verletzt?", fragte er sorgenvoll. Niemand antwortete, woraufhin er nickte und sich seine Hände rieb.

"Ja, bin ich", ertönte es plötzlich aus einer Ecke und alle Blicke richteten sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. "Und du auch. Genauso wie jeder hier. Jeder ist verletzt. Aber nicht physisch, sondern psychisch. Das ist etwas, das man sich durch den Kopf gehen lassen sollte. Seht euch um", forderte die junge Frau auf und deutete mit ihrer Hand auf alles. "Diese Angst, dieses System. Es geht um die Psyche. Nicht um den Körper."

"Was, wenn das alles ein Test ist? Eine Studie, gesponsert von milliardenschweren Unternehmen, die das mit Leichtigkeit vertuschen können", kommentierte einer, der nicht weit von Roe saß. Er richtete sich seine Brille und rümpfte die Nase. Der in der Mitte stehende wollte etwas erwidern, doch jemand anderes ergriff das Wort.

"Eine Studie? Ganz ehrlich, das klingt nach Nonsense. Das ist zu weit hergeholt. Bleiben wir realistisch", widersprach er.

"Warum denn nicht? Schon aufgefallen, dass wir alle in etwa gleichalt sind? Hier sitzen nur Menschen, die circa zwischen 18 und 25 Jahre alt sind - nur junge Erwachsene. Keine Kinder, keine Pensionisten", erwiderte er knapp und starrte den Boden an. Der andere zog eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf.

"Moment, kommt doch wieder runter", sprach der in der Mitte stehende und redete hastig weiter, damit ihm nicht wieder jemand ins Wort fiel, "wir beruhigen uns erstmal. Wenn wir so weitermachen, kommt nur Chaos raus."

"Chaos. Vielleicht ist es das. Vielleicht ist es das Chaos, um das es geht", hauchte die helle Stimme der Frau aus der Ecke. Er trat von einem Fuß auf den anderen und ignorierte den Einwand.

"Also. Fangen wir von vorne an. Ich schlage vor, jeder stellt sich kurz vor, wenn er etwas sagen möchte." Er sah in die Runde und sein Blick streifte Roe, was sie überraschte. Ihr wurde bewusst, dass sie, wie die meisten hier, den stummen Zuseher spielte. So wie meistens in ihrem Leben.

"Dann mache ich einmal den Anfang. Mein Name ist-"

Ein Knirschen schnitt ihm das Wort ab und der Boden unter Roe begann zu beben. Sie duckte sich. Einige schrien auf. Das Geräusch war unangenehm laut und veranlasste viele dazu, sich die Ohren zuzuhalten. Sie versuchte, es ihnen gleichzutun, doch der kratzige Ton drang durch ihre Hände hindurch und grub sich tief in ihr Inneres.

Abrupt hörte das Knirschen auf. Roes pochendes Herz war mit einem Mal unnatürlich laut. Voller Angst verschränkte sie ihre kalten Hände ineinander und richtete sich auf. Sie registrierte, dass alle Blicke auf der gläsernen Decke lagen. Keiner ließ sein Oberhalb mehr aus den Augen. Roe schluckte und legte den Kopf in den Nacken.

Linien durchzogen die Glasplatte, die sich über ihnen erstreckte. Wie brechendes Eis knisterte und knusperte sie. Die Risse wuchsen zu gefährlichen Spalten heran, die im Licht glitzerten.

"Seht!", rief einer und leitete alle Blicke von der Decke zu einer der Wände. Die gewaltige Glasscheibe löste sich auf und ein weiterer Raum kam dahinter zum Vorschein. Er musste schon die ganze Zeit über in Dunkelheit gehüllt dort gewartet haben, doch erst jetzt erstrahlte Licht in seinem Inneren, so wie hier. Ein zartes Flimmern verriet, dass sich ein Kraftfeld zwischen den beiden Zimmern befand.

Noch bevor ein anderer etwas äußern konnte, begann jemand zu rennen. Diese Person löste eine derartige Massenpanik aus, dass jeder anfing, blind in den anderen Raum zu flüchten. So auch Roe. Jedes Mal, wenn ein Körper das unsichtbare Feld passierte, zischte es und die unsichtbare Wand leuchtete bläulich auf.

Roe blieb im zweiten Raum stehen und sah prüfend über die Schulter. Alle glitten durch. Fast alle. Nur einer prallte daran auf, als befände sich eine Betonwand zwischen dem einen und dem anderen Glaszimmer. Voll blankem Entsetzen warf er sich dagegen, doch das Kraftfeld gab nicht nach. Hinter ihm schien der Raum zu zersplittern. Er war dem Tod geweiht.

 Er war dem Tod geweiht

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Entropie | ✓Where stories live. Discover now