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Ich war fünf Minuten zu früh da und schaute mich schonmal vorsichtig um, meine Sinne blieben bei jedem Schritt zum Zerreißen angespannt. Die Parkfläche war wie leergefegt um diese Zeit, das hieß mehr als genug Platz zum Kämpfen und kaum Möglichkeiten zum Verstecken, Deckung suchen oder Lärm zu verursachen: Hätten wir beim Wresseln versehentlich ein abgestelltes Auto getroffen, hätte der Alarm die gesamte Nachbarschaft aufgeschreckt und meine empfindlichen Ohren mit Sicherheit beschädigt. Auf der einen Seite war es also ein Vorteil, auf der anderen aber auch ungünstig für mich. Vielleicht hätte ich ihn zwischen einer Reihe an Hindernissen abhängen können, aber da ich nicht wusste, welche Kräfte mein Gegner genau besaß, konnte das auch eine Fehleinschätzung sein.

Was konnte ich dennoch zu meinem Vorteil verwenden, um mit der hohen Geschwindigkeit gleichauf bleiben zu können? Hmm... Bei Dominik hatte es geholfen, einen gewissen Abstand zu halten. Meine Sinne hatten bessere Chancen gehabt, mit seinen Bewegungen mitzuhalten und ich hatte instinktiv darauf reagieren können. Wenn ich das noch damit kombinierte, dass er seine Fähigkeit nicht hatte einsetzen können, sobald seine Beine ihn nicht mehr getragen hatten, dann konnte ich ihn vielleicht mit seiner eigenen Waffe schlagen! Ich musste es versuchen, ansonsten-

"Ich sehe, du bist wirklich gekommen! Mutig von dir!" Erschrocken wirbelte ich herum. Wieder hatte er sich an mich anschleichen können, ohne dass ich ihn davor hörte oder irgendwie anders bemerkte! D-das war ganz und gar nicht gut für die Strategie, die ich eben zusammen bastelte! Schnell bemühte ich mich um eine kalte Fassade, die nicht zeigte, wie unsicher ich tatsächlich war. Der Fremde lachte leise, als er meinen entschlossenen Gesichtsausdruck sah: "Eine Chance. Hast du es dir überlegt, ob du mit mir zusammenarbeiten willst? Lebendig werde ich mehr Nutzen von dir haben als tot, und du musst nicht leiden, ganz im Gegenteil sogar! Du kannst zu deinem normalen Leben zurückkehren und Verbrecher jagen. Du darfst deinen Freund wiedersehen und wie jeder weiter die Schule besuchen, ohne Angst haben zu müssen, dass irgendjemand dich angreift. Klingt das nach einem Angebot?"

Am liebsten hätte ich meinem Gegenüber vor lauter Falschheit ins Gesicht gespuckt! Er log wie gedruckt. Seine Jagd auf besondere Jugendliche würde immer weiter gehen und sobald niemand mehr übrig war, dann war ich trotzdem an der Reihe, genau in dem Moment, wenn ich es am wenigsten erwartete und meine Verteidigung senkte. "Was hast du mit meinen Klassenkameraden gemacht?", wollte ich noch von ihm wissen, bevor unser Kampf ausbrach. Der Kerl zögerte. "Sie hatten alle eine Wahl. Aber sie haben sich für die falsche Seite entschieden."

"Also hast du sie auch umgebracht?!", fragte ich, während die unglaubliche Wut in mir weiter anwuchs. Erst Tobi, dann auch noch Pauline und Julian! Und er leugnete seine Taten nicht einmal: "Es war für das größere Wohl! Um ein Ziel zu erreichen wie meines, sind Opfer manchmal unvermeidlich! Du verstehst es noch nicht, aber sobald du in meine Pläne eingeweiht bist, wirst du mir sicher zustimmen!"

Jetzt war ich es, der trocken auflachte. Ich wollte es in dieser bedrohlichen Situation nicht, es war völlig fehl am Platz, aber ich konnte es nicht zurück halten. "Denkst du das wirklich? Ich habe schon einmal gesagt, dass ich nicht mit Mördern kooperiere! Du wirst für deine Verbrechen bezahlen, du bist nicht besser als jeder andere dahergelaufene Kriminelle!"

Ich hatte damit eindeutig das Startsignal für den Kampf gegeben und erinnerte mich, schnell ein wenig auf Abstand zu gehen. Keine Sekunde zu früh! Ich hörte ihn kaum näherkommen, aber ich konnte stattdessen seine Bewegungen leicht verschwommen sehen, als er auf mich zu sprintete. Sein erster Schlag zielte auf meine Magengrube, ihm konnte ich ausweichen, aber wie vor einer Woche schon war ich zu langsam für den zweiten! Mein Gegner packte mich am Kopf und plötzlich durchzuckten mich Schmerzen am ganzen Körper. Was auch immer er da machte, er musste einen wunden Punkt bei mir gefunden haben und drückte immer stärker zu. Es war ein Gefühl, als stünde ich in Flammen, als fließe Strom durch meine Blutbahnen! Ich schrie, fühlte mich langsam durch das betäubende Tosen in mir erblinden und hatte es nur meiner Geistesgegenwart zu verdanken, dass ich seinen Arm zu fassen bekam und ihn mit aller Kraft von meinem Kopf wegdrücken konnte. Sofort ließ das Brennen nach, ich verpasste dem Kerl einen Tritt und stürzte zeitgleich mit ihm zu Boden. Alles drehte sich vor meinen Augen und ich fühlte mich noch seltsam wackelig auf den Beinen. Zum Glück hatte ich mich noch so heftig wehren können, dass es meinem Gegner nicht besser zu gehen schien. Er ächzte auf und musste sich wie ich erst wieder hoch kämpfen, bevor er seine Fähigkeit nutzen konnte. So wie ich es stumm gehofft und erbeten hatte!

Als er seinen nächsten Angriff startete, war ich schon vorbereitet, machte einen Ausfallschritt und stieß ihn mit aller Kraft seitlich von mir. Es erwischte ihn aus der kalten, er stolperte und kullerte durch seinen eigenen Schwung etwa zwei Meter weit über den harten Beton, ehe er mit einem Stöhnen liegen blieb und langsam wieder auf die Füße kommen wollte. Diesmal war ich schneller, warf mich auf den wehrlosen Typ und schlug ihm ins noch immer vermummte Gesicht. Es knackte. Er gab ein gequältes Geräusch von sich, aber zeitgleich breiteten sich auch in mir wieder diese schrecklichen Schmerzen aus! Ich durfte ihn nicht längere Zeit berühren, schallte es mir über das brennende Inferno hinweg durch meinen Kopf, ähnlich wie Pauline ihre Gegner hatte aushebeln können! Es ging nicht anders, ich musste loslassen und von ihm weg, wenn ich weiter kämpfen wollte. Bis ich mich aufgerappelt hatte, stand auch mein Gegner wieder und wir befanden uns am Anfang, nur dass er jetzt um einiges schwerer atmete und ich Schwierigkeiten hatte, mich noch länger auf den Beinen zu halten. Sie fühlten sich seltsam wabbelig an, als wäre ich Ewigkeiten ohne eine Pause gejoggt... Lange würden wir nicht mehr durchhalten, doch das war der Punkt, der mich etwas verwunderte. Irgendwie... hatte ich mir unsere Begegnung deutlich unausgeglichener vorgestellt! Aber so hatte ich wirklich eine Chance auf den Sieg! Ich musste nur noch ein wenig durchhalten, noch einen guten Treffer landen!

Diesmal machte ich den ersten Zug, beflügelt von meinem Wunsch, zu gewinnen, Tobi, Pauline und Julian zu rächen und zu Tim zurückzukehren. Ich zielte auf seinen Brustkorb ab, aber mein Schlag wurde von seiner Hand abgefangen. Also probierte ich es mit meiner Linken. Wieder pariert, doch er benutzte seine Superkraft nicht mehr. In diesem Moment hätte er mich vielleicht ausknocken können! Ein Glück, dass er nicht daran zu denken schien. Ich nutzte die Gelegenheit schamlos aus und rammte ihm mein Knie in den Bauch, als er daraufhin erschrocken meine Fäuste losließ, verpasste ich ihm noch einen Kinnhaken. Es knackte wieder mit diesem lauten, ekelhaften Geräusch und mein Gegenüber ging zu Boden. Kurz durchflutete mich tatsächlich Mitleid bei dem Gedanken, dass ich ihm gerade mindestens zwei Knochen gebrochen haben musste. Ich wusste, was das für bitterliche Schmerzen waren, aber dann erinnerte ich mich sofort wieder an die feurigen Stromschläge, die er mir im Gegenzug durch den Körper gejagt hatte, und dass er ein kaltherziger Mörder war! Mit diesem Monster brauchte ich kein Mitleid zu haben!

Er hustete schleimig und versuchte, vor mir davon zu kriechen, als ich mich ihm nähern wollte, um ihn den finalen Stoß zu verpassen. "W-w-warte!", verlangte er plötzlich, hustete noch einmal und krümmte sich zusammen. Es geschah ihm recht, dass es ihm jetzt dreckig ging, immerhin hatte er auch Tobi leiden lassen, nur weil er seine kranken Auffassungen nicht geteilt hatte! "Was?", fragte ich ihn wütend und sah ihn an seinem Kopftuch herum pfriemeln, dass sein Gesicht verborgen gehalten hatte. "Warte Stegi, i-ich bins! Stopp!"

Augenblicklich hielt ich inne und riss meine Augen auf. Nein...! Er hatte den Stimmverzerrer ausgeschalten und als er jetzt noch den Stoff beiseite riss, schien meine Welt plötzlich stehen zu bleiben.

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Und mit diesem extrem fiesen Cliffhanger verabschiede ich mich bis morgen! Danke an alle, die bei der Lesenacht dabei waren, mitgelitten und fleißig kommentiert haben! :)

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