15.

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Ich stockte. Verdammt, er hatte Recht! Ich hatte ihm noch gar nicht von meiner neuen Fähigkeit erzählt! Nervös begann ich am Saum meines Tshirts zu zupfen. "A-ach das, stimmt ja..." Was sollte ich jetzt tun? Gerade eben erst hatte ich ihn wieder aufmuntern können, dass er nicht weniger wert oder cool oder... was auch immer war, und jetzt musste ich das wieder zerstören? Fuck, Tim würde das ganz sicher nicht gut aufnehmen, nicht jetzt! Also was tun? Trotzdem die Wahrheit erzählen? Oder doch lieber lügen und es ihm ein anderes Mal erklären?

"Stegi?"

Wahrheit! Alles andere war falsch! Ich schaute rasch auf in sein Gesicht: "I-ich habe es gehört! Ich konnte hören, wie der Junge sich gegen Julian gewehrt hat!"

"Hä? Wie konntest du das hören?!", platzte es ungläubig aus Tim heraus, "Ich hatte nichts gehört, da bin ich ganz sicher!"

"D-das liegt daran, d-, ähm, dass ich... I-ich habe noch eine Superkraft entdeckt, v-von der ich dir noch nichts erzählt habe... Ich kann viel besser hören als zuvor, s-sogar so präzise, dass ich manchmal genau weiß, was außerhalb meines Blickfeldes passiert... Tut mir leid, dass ich es dir bisher verschwiegen hab!"

Mein Freund nickte seltsam statisch. "Oh... okay. Okay... Verstehe..."

"Bist du mir böse, Tim?", wollte ich ängstlich wissen. "Nein. Bin ich dir nicht. Das ist großartig!", erwiderte er und lächelte sofort, doch in seinen Augen standen plötzlich Tränen. Er... weinte? Also hatte er mein Geständnis doch nicht verkraftet! Hätte... hätte ich doch lügen sollen? Vielleicht ja... So war er nur wieder traurig und meine Aufmunterungsversuche von vorhin waren völlig umsonst gewesen!

Schnell lief ich zurück zu ihm, um ihn entschuldigend zu umarmen. "Es tut mir so leid Timmi! Ich... ich wollte das nicht und-"

"Das muss dir doch nicht leid tun, Dino!"

"A-aber du bist traurig deswegen!"

"Ich bin nicht traurig, keine Angst... Alles okay, schon gut", murmelte er, aber ich spürte, wie er heftig schlucken musste, um seine Tränen zurückzuhalten. "Nein, es ist nicht okay, es-!"

"Doch Stegi. Glaub mir. Ich... ich brauche nur etwas Zeit alleine!"

Als ich nur den Kopf schüttelte, wurde Tim unruhig: "Bitte, geh jetzt. Ich bin doch erschöpfter, als ich dachte. Und du musst noch lernen!"

Auf eine unangenehme Art fühlte ich mich plötzlich von ihm abgewiesen und ähnlich vor den Kopf gestoßen, als hätte er mir befohlen, mich gefälligst zu verziehen. Reagierte ich über oder wollte er mich tatsächlich loswerden? Vorsichtig blinzelte ich ihn an. "Sicher, dass ich gehen soll?"

"Ja, bitte", nickte Tim, "Wir können morgen weiter reden, okay?"

"N-nagut... U-und dir geht es wirklich gut?", versicherte ich mich nochmal, während ich mich wieder aufrichtete und ganz langsam Richtung Tür stolperte. "Wirklich. Bin nur müde", erklärte er und schaute mir nach, bis ich die Tür zwischen uns wieder zugezogen hatte.

Mit dem Schnappen des Schlosses schien mir eine unsichtbare Macht den Hals zuzuschnüren. Verdammt...! Das war absolut nicht so gelaufen, ich es mir vorgestellt hatte! Hastig blinzelte ich, aber es war bereits zu spät. Schon verschwamm meine Sicht leicht und ich biss meine Zähne zusammen. War es denn möglich... dass Tim mich vielleicht doch nicht mehr mochte? Der Gedanke tat weh und manifestierte sich dennoch immer weiter, je stärker ich gegen ihn ankämpfte. Hatte er... War sein Neid vielleicht so stark geworden, dass er in Abneigung oder H-hass umgeschlagen war? Und er wollte es mir bloß nicht sagen? Nein! Nein nein nein, das durfte ich nicht einmal in Betracht ziehen! Das war nicht wahr! K-konnte es nicht sein...

Langsam trottete ich durch die Flure zurück zum Eingang. Am liebsten wäre ich alle meine Kräfte wieder losgeworden, wenn es mir nur Sicherheit gegeben hätte, dass zwischen Tim und mir alles noch super war! Die Muskeln, meine scharfen Sinne, meine Blitznarbe, einfach alles! Was sollte ich damit? Es riss eine Kluft in mein Leben, mit der ich nicht umgehen konnte! Und sollte ich Tim dadurch wirklich verlieren, dann... dann...! Ohne ihn war ich ein Nichts! Er war der Mensch, den ich am längsten kannte und mit dem ich das stärkste Band von allen teilte! Meine Eltern konnten da nicht mithalten, nicht einmal zu Tobi hatte ich einen so vertrauten, innigen Draht wie zu Timmi! Nur er war mir so wichtig... Und jetzt drohte es zu zerreißen! Mir zu entgleiten, unter den Ereignissen der letzten Wochen zu brechen. Was konnte ich nur tun, um das alles wieder gut zu machen? Ich fühlte mich so schrecklich schuldig daran...

Ganz langsam gewann ich wieder an Fassung. Schaffte es, mich auf mein Fahrrad zu schwingen und beinahe schleichend nach Hause zu radeln. Mir ging es so schlecht... Trotzdem musste ich noch lernen. Aber ich verzögerte es immer weiter. Sollte ich Tim vielleicht nochmal anrufen und fragen, ob er mich noch liebte? Doch so oft ich auch zum Handy griff und seine Nummer heraussuchte, ich tat es nicht. Er schlief bestimmt noch, oder schon wieder, und würde schlecht gelaunt sein, wenn ihn das Klingeln weckte. Mist, er konnte ja nicht einmal selbst den Anruf entgegen nehmen, wenn er immer noch von den Medikamenten gelähmt war! Irgendwann warf ich das dumme Gerät dann beiseite auf mein Bett und raufte mir die Haare. Es brachte alles nichts... Wenn ich heute überhaupt noch irgendwas schaffen wollte, musste ich dringend mit Lernen anfangen! Leichter gesagt als getan, da meine Gedanken ständig abdrifteten. Verdammt... Wieso ging nur alles schief in letzter Zeit?

We are Heroes! (#Stexpert)Where stories live. Discover now