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Bis Sonntag fand ich keine Zeit, um meinen Freund zu besuchen, aber am Samstag erreichte ich ihn zum Glück übers Handy! Nachdem wir uns beieinander ausgesprochen hatten und Tim mir zwar gesagt hatte, dass er etwas enttäuscht, aber nicht weiter böse mit mir gewesen war nach der Aktion am Donnerstag, versprach ich ihm noch, morgen vorbeizuschauen und das Schulzeug zu geben.

Alles lief wie geschmiert und ich blieb bis zum Abend bei ihm, um all die verlorene Zeit aus der Woche wieder gutmachen zu können, doch spätestens um Sieben musste ich mich auf den Weg nach Hause machen! Meine Eltern hatten mir nämlich spontan Bescheid gesagt, dass sie morgen für zwei Tage wieder nach Hause kommen würden und alles im Topzustand erwarteten. Ich musste noch Aufräumen, Staubsaugen und Geschirr waschen und wenn ich das noch schaffen wollte, ohne in der Schule todmüde zu sein, hatte ich keine andere Wahl.

"Schon gut Dino, übermorgen bin ich ja wieder hier raus! Danke für deine Mitschriften und deine Gesellschaft!"

"Kein Ding", lächelte ich und gab Tim zum Abschied noch einen Kuss, dann zog ich mir meine Jacke an und machte mich eilig auf den Weg. Meine Sinne blieben kurz noch bei Tim, der erleichtert lächelte, sich auf sein Krankenbett warf und mit hinter dem Kopf verschränken Armen die Zimmerdecke beobachtete, dann stockten die Bilder langsam durch die Entfernung und schließlich riss der Kontakt ganz ab. Da war ich aber schon am Eingangstor des Grundstücks angelangt und stolz bemerkte ich, wie sehr sich die Reichweite bereits erhöht hatte. Am Anfang waren es nur wenige Meter und noch keine ganz klaren Abbildungen vor meinem inneren Auge gewesen, jetzt mehrere Stockwerke mit etlichen Wänden dazwischen und extrem genauen Informationen der Dinge, die sich in meiner Umgebung abspielten, jedenfalls solange es nicht allzu unübersichtlich oder laut wurde! Das war schon ein mega cooles Gefühl, alles andere wäre eine Lüge gewesen. Bis zur Hälfte meines Weges ließ ich sie immer wieder ausschweifen und wieder zurückkehren und genoss es, die Kontrolle darüber annähernd perfekt zu besitzen. Jedes Rascheln, jeder Ruf eines kleinen wilden Tieres und wie ich sie anhand ihrer Bewegungen verfolgen konnte und direkt vor mir sah, gestochen scharf bis ins letzte Detail!

Die Explosion fühlte sich an, als wäre sie direkt neben mir losgegangen. Es krachte laut, ich fiel vor Schreck von meinem Fahrrad und hörte ein schreckliches Geräusch in meinen Ohren klingeln. Es war so schrill, dass mir schwindelig wurde und sogar meine Sicht verschwamm. Urgh... Darauf war ich absolut nicht vorbereitet gewesen... Was war das? Und woher war es gekommen?

Verwirrt hob ich meinen Kopf und schaute mich um. Ich war ganz alleine hier, also hatte niemand meinen Sturz gesehen und auch die Erschütterung musste von woanders hergekommen sein. Dann starteten genauso plötzlich die Sirenen und zwangen mich, meine vor Schmerzen aufjaulenden Sinne schleunigst zurück zu rufen. Das war... das war aus der Innenstadt gekommen... Und ein Feueralarm schien das nicht gerade zu sein, eher wie... wie ein Sicherheitsalarm! Hieß das etwa, dass da jemand bestohlen wurde? Und die Diebe sich ihren Zugang mit Sprengstoff verschafft hatten? Plötzlich waren alle Schmerzen vergessen, ich rappelte mich auf und schwang mich zurück auf mein Rad. Ich musste nachschauen! Vielleicht befand sich jemand in Lebensgefahr! Ich warf alle Vorsicht über Bord und trat nur noch wie wild in die Pedale, meinem scharfen Gehör nach, bedacht darauf, es nicht durch den noch immer andauernden Alarm erneut zu schädigen.

Je näher ich der Quelle all des Lärms kam, desto deutlicher wusste ich auch, womit ich es zutun hatte. Das war kein simpler Einbruch in einen Laden oder ein Privathaus... Jemand versuchte tatsächlich, die Bank auszurauben! Sie mussten den Safe geknackt haben, aber den Alarm hatten bestimmt auch andere gehört und die Polizei war sicher auch schon auf dem Weg. Dieses Mal konnte ich den Job wohl wirklich getrost anderen überlassen...

Das dachte ich so lange, bis ich in den Straßen vor mir gedämpfte, eindringliche Rufe hörte und erstarrte. Die Räuber waren schnell gewesen mit ihrem Beutezug, sie waren längst aus dem Bankgebäude entkommen! Wenn sie niemand aufhielt, würden sie mit dem Geld davonkommen! Wa-was sollte ich tun? Sie würden mir genau entgegenkommen! Ich konnte sie fliehen lassen, niemand würde mir die Schuld zuweisen, wenn ich mich einer Bande bewaffneter Männer nicht stellte und mir meine eigene Sicherheit wichtiger war, immerhin war ich so gesehen noch ein Kind! Andererseits... es waren Kriminelle. Vielleicht hatten sie sogar gemordet, um ihr Ziel zu erreichen! Das war unverzeihbar und ich würde mir schreckliche Vorwürfe machen, wenn ich morgen in der Zeitung davon las und wusste, dass ich tatenlos daneben gestanden hatte, obwohl ich mich ihnen hätte stellen können! Denn ich konnte das, ich war stark genug, das wusste ich mit beängstigender Sicherheit.

Ich war noch immer unentschlossen, als die drei Kerle nur noch eine Wegbiegung von mir entfernt waren. Es war so gefährlich, sie waren in der Überzahl und vermutlich bewaffnet! Aber... Der Trotz in mir ließ nicht zu, dass ich wegrannte oder mich jetzt versteckte! Vielleicht war es auch mein Stolz. Ich wollte verantwortungsvoll meine Kräfte für das Gute nutzen! Ich wollte Menschen in der Not retten! Und diejenigen, die das Gesetz brachen und Unrechtes taten, sollten bekommen, was sie verdienten! Also... also kämpfen und die Diebe lange genug aufhalten, bis die Polizei aufholte und die Ganoven festnehmen konnte!

Achtlos stieß ich mein Rad beiseite und es schlitterte geräuschvoll in den Schatten der Häuserwände. Schritte am Ende der Straße, Keuchen, gepresst ausgerufene Befehle des Anführers, dann stürmten sie auch schon auf mich zu. Sie waren vielleicht so groß wie Tim, dunkel gekleidet und hatten Skimasken über ihre Gesichter gezogen, um nicht erkannt zu werden. Die beiden hinteren Männer schleppten jeweils zwei riesige Stoffsäcke mit sich, in denen musste sich das Geld befinden, dass sie gestohlen hatten! Das war ne ganze Menge... Vielleicht eine Millionen? Mehr? Oder lagerte unsere Bank überhaupt so große Beträge in einer Stadt wie dieser hier? Egal, das war zweitrangig, solange es hier blieb!

Fünfzehn Meter von mir entfernt entdeckten sie mich schließlich und wurden kurz langsamer. Dennoch konnte ich allein von meiner Statur her nicht furchterregend - oder auch furchtlos - genug aussehen, denn sie kamen weiter auf mich zu. "Aus dem Weg, Junge! Mach Platz, wenn du nicht verletzt werden willst!"

"Nein, ich werde nicht einfach zusehen! Ihr- ihr habt euch den falschen Tag ausgesucht, um Ärger zu machen!" Der letzte Satz war mir sofort peinlich, kaum dass er meinen Mund verlassen hatte, und auch meine Gegenspieler lachten kurz auf. Ihr Anführer nickte seinen Komplizen zu, dann ging er auf mich los. Die beiden anderen trennten sich und wollten links und rechts an mir vorbei, um mit ihrer Ausbeute zu entkommen. Nicht mit mir!

Mein Angreifer holte mit seiner Linken aus, ich parierte und konterte mit einem Schlag in den Magen. Es sollte ihm keine dauerhaften Verletzungen zufügen, aber ihn lange genug hinhalten, und ich wollte nicht sagen, dass ich nicht aus meinen Fehlern vom Kampf mit dem perversen Penner gelernt hatte. Stöhnend knickte der Kerl ein und hielt sich die getroffene Stelle, dem rechten Dieb konnte ich über mein Bein stolpern lassen und den linken erwischte ich noch am Kragen, um ihn dann einmal kräftig gegen die Häuserwand stoßen zu können. Keinem entfuhr mehr als ein überraschter Aufschrei, aber sie ließen die Säcke los, die ich mir schnappte und wie zuvor mein Fahrrad außer Reichweite schleuderte. Ein Teil meiner Aufgabe war damit erfüllt, jetzt musste ich nur noch lange genug auf die drei aufpassen!

We are Heroes! (#Stexpert)Where stories live. Discover now