36. Wo wohnt eigentlich Jian...?

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Orientierungslos renne ich durch die Straßen. Ich muss zu Jian. Aber wo wohnt der überhaupt? Abrupt bleibe ich stehen. Ja, genau wo wohnt er? Ich kenne ihn jetzt seit ein paar Monaten und war noch nie bei ihm. Er kam immer zu mir.

Meine Motivation ist verflogen. Sozusagen den Bach runter gegangen. Hilflos sehe ich mich um. Ich bin in einer Gegend, wo ich noch nie war. Was eigentlich auch nicht allzu schwer ist. Immerhin habe ich bisher kaum etwas von der Gegend hier gesehen. Frustriert schlage ich an den Baum. Da habe ich mich endlich entschieden und dann so etwas. Mit zitternden Händen hole ich das Handy aus meiner Hosentasche und suche den Kontakt von Jian. Ein paar Regentropfen fallen und überrascht sehe ich nach oben, ehe ich traurig lächle. Genauso fühle ich mich auch gerade. Mir ist einfach zum heulen. Mein Daumen schwebt über den grünen Hörer und ohne, dass mein Gehirn es wirklich begreift, tätige ich den Anruf.

"Sang, verdammt nochmal, wo bist du? Wieso bist du einfach weggerannt?", seine Stimme klingt leicht panisch und sein Atem geht schwer. Er scheint zu rennen. "Keine Ahnung ich wollte einfach zu dir.", murmle ich leise und trotte mit hängenden Schultern weiter. Mit getrübtem Blick sehe ich mich um und entdecke einen kleinen Spielplatz. Sich im Regen auf eine Schaukel zu setzen ist vielleicht etwas klischeehaft, aber irgendwie ist es angenehm.
"Sang, wo bist du?", holt mich die besorgte Stimme wieder in die Realität zurück. "Ähm, auf einen Spielplatz...", flüstere ich leise. "Warte da, okay? Ich komme zu dir.", ich spüre, dass er auflegen will, aber ich will nicht alleine sein. Ich will seine Stimme hören. "Ji?", frage ich leicht verzweifelt und sofort höre ich eine brummende Antwort, "Woher weißt du, das?" "Ich erkläre es dir dann. Versprochen. Aber bitte erschrick nicht, wenn ich ankomme." "Wieso?", irgendwie macht er mir gerade etwas Angst.

"Nun ja, ich komme vermutlich als eine Person, die du nicht unbedingt sehen willst...", murmelt er und lacht gekünstelt. "Aber du bist du und jetzt gerade bist du die einzige Person, die ich mehr als nur sehen will, Ji...", seufze ich leise und schaukle etwas mit den Beinen, wodurch ich etwas Schwung bekomme.

"Versprich mir, dass du es mich erklären lässt, ja?", hetzt er und ich höre einen kurzen Schrei, "Sorry, bin ausgerutscht." Ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Das ist so typisch für ihn. Wäre ich besser drauf, hätte ich jetzt vermutlich laut losgelacht.

Kurz knackt es und dann ist die Leitung tot. Verdutzt versuche ich immer wieder Jian zu erreichen, doch er antwortet einfach nicht. Wieso redet er nicht mehr mit mir? Ob er aufgelegt hat? Wieso? Resignierend lasse ich die Schultern sinken. Die Regentropfen fallen immer öfter auf mich und langsam kleben meine Sachen schon an meinem Körper. Wirklich stören tut es mich jedoch nicht.

"Da bin ich.", flüstert jemand an mein Ohr und ein Körper drückt sich von hinten an mich. Die Stimme von Jian lässt mein Herz höher schlagen. Ruckartig drehe ich mich um, doch meine Mundwinkel fallen abrupt nach unten, als ich in das vermummte Gesicht von G sehe. Wo ist Ji hin? Er kann doch gar nicht so schnell verschwunden sein, oder?

Ich sehe mich suchend um und G blickt irgendwie leidend zu mir nach unten. Mein Blick fällt auf eine Pfütze, in welcher der Regen kleine Kreise auslöst. Doch ich bekomme nichts ab. Ich stelle fest, dass G einen durchsichtigen Schirm über meinen Kopf hält: "Sang, bitte, lass es mich dir erklären." "Was denn, G? Was?!", fahre ich ihn leicht gereizt an. "Ich möchte dir zeigen, wer ich wirklich bin, Sangie. Ich liebe dich.", haucht er, zieht die Maske nach unten und vereint unsere Lippen.

Er küsst genauso wie Jian.

You are my LollipopWhere stories live. Discover now