Kapitel 12

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Als mein Wecker klingelte und ich kaum meine Augen aufbekam, wusste ich, dass es ein Fehler war, so lange wach zu bleiben. Warum tat ich mir das nur immer an? Ich ließ mich wieder seufzend in mein Kissen fallen und zwang mich aus dem Bett. Jetzt benötigte ich erstmal eine Menge Kaffee.

Ich stolperte fast über die Treppen und traf in der Küche auf meine Eltern. „Morgen", grummelte ich und ging sofort zur Kaffeemaschine.

Ich bemerkte ihre Blicke und mein Vater lachte kurz auf. „Hasst du jetzt auch den Donnerstag?", wollte er amüsiert wissen.

Ich trank aus meiner Tasse und seufzte. „Ich hasse jeden Tag, an dem ich früh aufstehen muss."

Ich setzte mich an den Tisch und schmierte mir direkt ein Nutellabrötchen, in das ich glücklich reinbiss.

„Genau sowas macht mich wieder glücklich", lächelte ich zufrieden und trank dann noch einen Schluck Kaffee.

Die Blicke meiner Eltern ignorierte ich dann doch lieber.

***

„Hey", begrüßte Liv mich, als ich mich mit meinem Kaffee auf den Platz fallen ließ. Natürlich konnte ich den Tag nicht ohne Kaffee überstehen.

„Hi", erwiderte ich und holte bereits meine Sachen raus. „Wieso sind die anderen noch nicht da?"

Donnerstags hatten wir die ersten beiden Stunden immer alle zusammen Unterricht. Deswegen wunderte ich mich, wo die alle steckten.

Liv zuckte mit den Schultern. „Du kennst doch die Schlafmützen."

„Ach hör bloß auf. Am liebsten wäre ich jetzt auch noch in meinem Bett", seufzte ich, woraufhin Liv kicherte.

„Du Morgenmuffel."

„Eigentlich liebe ich den Morgen", überlegte ich laut und nahm einen weiteren Schluck von meinem Kaffee. „Aber ich hasse es nur früh aufzustehen, vor allem wenn ich wieder so lange wach war."

Liv nahm mir den Kaffee aus der Hand. „Denkst du nicht, dass es langsam reicht?", grinste sie und ich fühlte mich ertappt.

„Na schön." Ich stellte den Becher wieder auf den Tisch. Ich hatte bestimmt schon mehr als die Hälfte getrunken.

Auch die anderen kamen nun nacheinander in den Raum und so füllte er sich immer mehr mit Gesprächen. Mein Blick glitt allerdings immer wieder zur Tür, weil ich Kilian erwartete.

Was, wenn er heute nicht da war? Vielleicht konnte ich mich im Theater Kurs dann wieder etwas ausruhen.

Und tatsächlich sah ich Kilian den ganzen Tag nicht mehr. In der Pause bemerkte Liv natürlich, dass ich nach Kilian gesucht hatte, obwohl es mir selber nicht einmal aufgefallen war.

***

„Weißt du, ob Kilian heute da ist?", fragte Frau Mainer mich und ich schüttelte mit dem Kopf.

„Nein, er war heute nicht da."

Doch genau in dem Moment kam er zur Tür herein spaziert und ließ mich sprachlos zu ihm schauen. Machte er sich die Stunden etwa, so wie er Lust hatte, oder was?

„Oh, da ist er doch!" Frau Mainer ging sofort auf Kilian zu und ich ließ mich seufzend in den Stuhl fallen. Das mit dem Ausruhen konnte ich wohl vergessen.

Am Anfang konnten Kilian und ich uns noch ausruhen und den anderen zuschauen, die ihre Szenen probten. Kilian saß vor mir und ich konnte es nicht verhindern, dass mein Blick immer wieder zu ihm glitt.

Wieso war er den ganzen Tag nicht in der Schule, aber kam dann doch zum Theater Kurs. Die Stunden die Pflicht waren schwänzte er, aber die die freiwillig waren nicht, oder was?

Wahrscheinlich hatte er einfach keine Lust gehabt zur Schule zu kommen, aber warum sollte er dann ausgerechnet zum Theater Kurs kommen. Warum war es ihm so wichtig?

Meine Fragen würden sicher nicht beantwortet werden und ich musste mich wohl damit abfinden, dass Kilian sich einfach nur komisch verhielt.

„Kilian, Chloe! Wir gehen alle Szenen nochmal durch, kommt bitte hoch", rief Frau Mainer uns zu.

Nachdem wir die Szenen wiederholt hatten, wollte ich gerade die Bühne verlassen, als Frau Mainer uns fragte, ob wir bereits die neue Szene gelernt hatten. Da wir beide bejahten, sollten wir auch diese vorstellen.

„Jeder glaubt, dass es nicht mit uns klappen wird", niedergeschlagen ging ich auf Kilian zu, der meine Hände in seine nahm.

„Das ist mir egal, verstehst du? Ich bin nicht auf der Welt, um auf das zu hören, was andere von mir denken." Ich lächelte und nickte Kilian zu.

„Du hast Recht." Kilian führte mich zu ein paar Stühlen, auf denen wir uns niedersetzten.

„Ich muss dir etwas erzählen." Kilian legte seine Hand kurz auf meine Wange, bevor er sie wieder entfernte. „Vor ein paar Jahren wollte ich es jedem recht machen. Ich wollte immer, dass es den anderen besser geht, als mir. Ich wollte dafür sorgen, dass die Welt ein bisschen besser wird."

Kilian schaute auf den Boden und ich sah ihn gespannt an. Er sah heute wieder so schön aus.

„Die Welt kann zu einem besseren Ort werden und jeder kann dabei helfen. Das einzige was man tun muss, ist sich selber zu bessern. Du kannst dich nicht um die anderen Personen kümmern, denn sie müssen es selber machen. Und wenn sie nichts ändern wollen, dann kannst du sie auch nicht umstimmen." Kilian platzierte seine Hand wieder an meiner Wange.

„Manche Menschen sind einfach so herzlos", flüsterte er. „Manche können einfach keine Kompromisse eingehen, sie können nicht verstehen, dass Menschen ihre Meinung ändern, dass sie anders leben, als sie es tun würden. Damit muss man leben."

„Können wir denn so leben?", wollte ich von ihm wissen.

„Natürlich." Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen und er legte seine Hand an meine Wange. „Liebe ist immer stärker als Hass."

Kilians Hand lag selbst dann noch auf meiner Wange, als die Lichter wieder angingen und Frau Mainer anfing zu reden. Ich sah das Lächeln auf seinen Lippen, das diesmal mir gewidmet war, denn es stand in keinem Drehbuch. Unsere Szene war bereits vorbei und trotzdem glitzerten seine Augen glücklich und schenkten mir dieses schöne Gefühl, das im Moment durch meinen ganzen Körper jagte. Es war das erste Mal, dass ich mich wirklich hingezogen zu Kilian fühlte. Denn ich sah einen anderen Kilian, als den kühlen und distanzierten. Und dieser neue Kilian gefiel mir bis jetzt viel mehr.

Doch er hatte sich schnell wieder gefasst und stand auf, um Frau Mainer zu antworten. Immer noch benebelt von dem Geschehen, ging ich mit wackeligen Beinen von der Bühne runter und ließ mich auf meinen Platz fallen.

Was war das bitte?

KilianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt