Kapitel 47 - Ein mystischer Laden

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„Vor wenigen Monaten ließ Varren mich zu sich rufen…“

„Moment!“, unterbrach Fliel den Beginn der Erzählung. „Kennst du den rubiernischen König persönlich?“

„Ich bin sein zweiter Leutnant“, lächelte sie und trank einen Schluck aus ihrem Bierkrug. Es gefiel ihr, wie Fliel erstaunt und auch ein wenig bewundernd seine Augenbrauen hob. Sie rückte ihren knarrenden Stuhl zurecht und sah sich in der menschenleeren Wirtsstube um. Fliel hatte seine Männer schlafen geschickt mit der Begründung, sie müssten am nächsten Morgen ausgeruht sein.

Inzwischen waren sie in einem kärglichen Dorf namens Mangok angekommen. Das Wirtshaus, in dem sie untergebracht waren, war klein und schäbig, doch es reichte für die kurze Durchreise aus.

Nach einem weiteren tiefen Schluck ihres Getränks fuhr Annell fort. „Ich wusste nicht, worum es ging, deshalb kam ich völlig unvorbereitet in den königlichen Beratungssaal. Seine mutigsten und hochrangigsten Krieger waren bereits versammelt. Außerdem die besten Karten- und Fährtenleser des Landes.“ Sie übertrieb ein wenig. Varren hatte gar nicht die Zeit gehabt, die Besten des Landes zu finden und zu sich bringen zu lassen. Er hatte lediglich in der näheren Umgebung gesucht. Doch ihre sonst so empfindliche Nase quittierte dies bloß mit einem leichten Kribbeln.

„Der König eröffnete uns schließlich unsere Aufgabe. Wir sollten alle gemeinsam nach Granata reisen und feierlich das Ende des Krieges verkünden…“

„Das Ende?“ Fliel verfiel in schallendes Gelächter. „Bevor er überhaupt begonnen hat? Wie habt ihr euch das vorgestellt? Denkt ihr, mein Vater bläst den gesamten Angriff wieder ab, nur weil ihr es euch so sehr wünscht?“

„Nun lass mich doch mal ausreden!“ Sie hatte schon einige Biere intus und kicherte dementsprechend albern. „Erinnerst du dich an die Geschichte, die ich dir erzählt habe? Mit den beiden Königen und der verschwundenen Seherin?“ Fliel nickte und trank auch noch einen Schluck Bier. „Genau die hat er uns geschildert. Und er hat uns noch etwas anderes verraten.“ Sie senkte verschwörerisch die Stimme, obwohl niemand mehr im Raum war. „Er weiß, wo sie ist.“

Fliel runzelte die Stirn. „Dann soll er sie doch holen.“

„Das ist nicht so einfach. Er braucht dazu die Hilfe von Kirdef. Deshalb sollen wir mit ihm reden und ihn nach Rubien bringen.“

„Mein Vater im feindlichen Gebiet? In Rubien? Hast du eine Vorstellung davon, wie einfach es wäre, ihn dort umzubringen?“, rief Fliel aus. „Das macht er niemals.“

„Lass das mal meine Sorge sein.“, entgegnete Annell. „Jedenfalls wurden wir auf dem Weg hierher von Banditen angegriffen und ausgeraubt. Nur ich und Aaron überlebten.“

„Die Besten des ganzen Landes.“, wiederholte Fliel ihre Worte mit einem neckenden Unterton.

„Zu unserer Verteidigung: Wir waren bloß zu siebt und die Banditen mehr als doppelt so viele.“ Sie nahm einen weiteren tiefen Schluck und schaute danach verwundert in ihr leeres Glas. War es nicht gerade noch randvoll gewesen? Sehr seltsam.

„Das war unsere Geschichte.“ Schloss sie ihre Erklärung. „Noch Fragen?“ Sie stand auf und wollte auf ihr Zimmer gehen. Dank ihres hohen Alkoholpegels schwankte sie und verlor auf halber Strecke das Gleichgewicht. Hätte der Prinz in diesem Moment nicht hinter ihr gestanden und sie aufgefangen, wäre sie gefallen.

Fliels Hände, die ebenfalls unter zu hohem Alkoholeinfluss standen, verirrten sich dabei gefährlich dicht an ihre Hüften und sein Gesicht kam ihrem so nahe, dass sie seinen heißen Atem auf ihrer Haut spürte.

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