Kapitel 4

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Es klingelte zweifach in meinem Kopf. Der Wecker riss mich aus dem Tiefschlaf und sofort setzte ein Stechen an den Schläfen ein, als wäre er eine Strafe für mein mich erneutes Betäuben mit Whiskey. Besonders schlimm ist für mich außerdem die sofort einsetzende depressive Stimmung beim Erwachen. Mir ist klar, wie schwach ich bin und dass ich erneut nur diese Möglichkeit sah mit meinen Problemen und körperlichen Schmerzen zurechtzukommen. Ich erzähle niemanden davon, zu Hause hoffte ich immer dass es niemanden auffallen würde, wie es wirklich um mich steht. Mehr Erfolg damit hatte ich, als ich anfing mich von den Menschen in meinem Umfeld abzuwenden und dafür gab es nicht nur einen Grund. Einerseits verstanden die meisten meine Situation nicht, bei Gott es waren nie viele die ich zu meinen Bekannten zählte, doch sie verstanden einfach nicht wieso ich mich verändert habe, wieso ich nicht mehr so oft lächle wie noch vor Jahren. Wo ist dieser junge Mann verschwunden, der immer gute Laune hatte und für jeden Spaß zu haben war? Er ist nicht ganz verschwunden, er steckt noch in mir, tief drinnen. Unterstreichen möchte ich an dieser Stelle, dass dies kein Drama werden soll und ich nicht das Ziel habe Mitleid zu erregen, wofür auch bitte? Mitleid fremder aber auch das der Leute aus deinem direkten Umfeld bringt einem nichts. Gegen nette, gutgemeinte Worte ist nichts einzuwenden, doch diese verändern rein gar nichts. Ich habe mit jedem Jahr meines Lebens dazu gelernt und eingesehen, dass man auf dieser Welt alleine ist. Du bist alleine mit deinen Problemen, du bist derjenige der jeden Tag und jede Nacht damit leben muss mit dem Versuch diese so gut es geht aus dem Weg zu räumen. Doch was ist wenn Du eben dafür nicht in der Lage bist? Du kannst deine gesundheitliche Lage nicht wieder lebenswert zaubern und von jetzt auf gleich wieder gesund sein, nur weil Du es dir mehr wünschst, als alles Andere. Ich kenne die Geschichten von Menschen, welche behaupten und der festen Überzeugung sind, dass alles wahr wird so lange Du nur fest genug daran glaubst, jedoch wäre die Welt dann überfüllt mit glücklichen, problemlosen Menschen, die mit strahlenden Zahnpastalächeln und sorgenfreien, glatten Stirnen durch die Straßen dieser so vielen Länder liefen würden. Desweiteren habe ich auf der anderen Seite aber gelernt, dass man das ganze Leben nicht allzu ernst nehmen sollte, nach dem Motto dass man nichts verlieren kann, wenn man nichts erwartet und sich zu große Hoffnungen macht. Jedoch ist diese Weise komplett so zu denken nahezu unmöglich und was würde einem dann denn noch vom Leben übrig bleiben, wenn einem alles gleichgültig ist und man alles einfach nimmt wie es kommt. Man hätte nichtmals einen Grund morgens aufzuwachen, eine Tasse Tee zu machen, die Zeitung zu lesen um sich zu informieren was es Neues in der Welt gibt. Wofür denn auch? Es würde einen ohnehin nicht bewegen oder kümmern. Ein Terroranschlag im Osten Europas, keine Regung. Der Tod eines bekannten Musikers, das Herz schlägt gleichmäßig und nichtmals im Ansatz aus dem Takt. Ein Flugzeugabsturz über dem Atlantik, keine Überlebenden und die Augenlider lassen nichtmals einen Wimpernschlag zu. Würde es sich so anfühlen? Diese vollkommende Gefühlslosigkeit würde einen auch in der Bevölkerung wie einen Zombie aus ‚The Walking Dead' wirken lassen. Die Menschen merken das, sie beobachten einen und das in jedem Moment. Ganz egal, ob Du in der U-Bahn sitzt oder auf einem der vielen Stühle einer Caféteria. Es gibt immer Jemanden, der dich mustert und sei es für einen kurzen Augenblick. Der Grund dafür ist einfach, Menschen sind von Natur aus neugierige Wesen und nicht dazu im Stande sich lediglich für ihre eigenen Dinge zu interessieren, die sie betreffen. Wie dem auch sei, ich musste aufstehen und versuchen einen klaren Gedanken zu fassen, mich zusammenreißen. Nachdem ich die Decke von mir riss, merkte ich wie kalt es im Zimmer geworden ist. Die Heizung muss in der Nacht ausgefallen sein, oder ich habe sie gar nicht erst angemacht. Beim Ausatmen sah ich meinen Atem, als wäre ich draußen. Auf dem Weg zur Türe griff ich in meinen Koffer um mir schnell einen Pullover anzuziehen, bevor ich schließlich an der Türe ankam und sie öffnete. Mein Hotelzimmer habe ich für die Nacht abgedunkelt und das Licht, welches mir jetzt durch den Hotelzimmereingang in die Augen fiel, blendete mich für einen kurzen Moment. Vor mir stand ein uniformierter Polizeibeamter mit ernster Miene. Einige Meter entfernt zwei seiner Kollegen. ‚Drehen Sie sich langsam und und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf. Sie sind vorläufig festgenommen.'

Caught in glassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt