Kapitel 1

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Das Flugzeugfenster ist beschlagen. In der Passagiermaschine des Airbus a380 meines Langstreckenfluges ungefähr 12000 Meter über dem Erdboden ist kein freier Platz, was mir die letzte Viertelstunde meines Aufenthaltes an Bord nicht gerade erleichtert. Ich bin nicht oft geflogen, doch jedes Mal werde ich dieses beklemmende Gefühl in meiner Brust nicht los. Mein Herz trommelt, als würde ein Orchestermusiker wild, aber dennoch geübt und koordiniert seine Komposition darauf spielen. Panik und das häufige Verspüren von Angst gehört nicht zu den Eigenschaften die man mir zusprechen würde, doch mit so einer weiten Entfernung meiner Füße zum Boden, eingeschlossen in der Kabine eines Flugzeugs, fühle ich mich wie ein Hering in einer Konservendose. Was ist wenn wir in starke Turbulenzen geraten, der Pilot plötzlich einen Fehler macht, oder erst der geborgene Flugschreiber nach Wochen das Rätsel über die genaue Ursache des Absturzes dieser Maschine löst? Die freundliche und klare Stimme des Piloten ertönt aus den Lautsprechern und reißt mich aus meinen Gedanken. Das Symbol die Sicherheitsgurte anzulegen leuchtet mit einem Signal wieder auf und das Licht in der ganzen Maschine wird gedämmt. Wir befinden uns nun im Landeanflug. Ich atme tief durch, bemerke dass einige der Passagiere ihre Augen schließen, man hört das Zuklappen von Büchern, Notebooks und die meisten Gespräche stellen sich ein.

Ich justiere meinen Sitz nach vorne, lege meine Hände auf meine Knie und versuche mich zu entspannen. Das gleichmäßige Geräusch der Motoren wirkt beruhigend und glücklicherweise habe ich einen Platz am Fenster bekommen. Denn nachdem wir die dichten Wolkenschichten, scheinbar mühelos wie durch Watte passiert haben erkenne ich endlich die ersten glühenden Lichter der Stadt unter mir und mir wird bewusst, dass ich es bald geschafft habe.

Houghton, Michigan.

Ich bin noch nie außerhalb Europas gewesen. Die meisten Menschen setzen bekannte Großstädte, wie New York, Chicago oder Los Angeles auf ihre Karte, als Ziel für eine Reise zu einem Ort der Welt in so weiter Entfernung. Doch ich möchte keinen Blick vom Empire State Building auf Manhattan oder die Freiheitsstatue erhaschen. Ich möchte auch nicht am Lake Michigan spazieren gehen oder eine Studio-Tour unternehmen um die Kulissen meiner Lieblingsfilme oder TV-Serien zu besuchen. Ich habe diesen weiten Weg aus einem ganz anderen Grund auf mich genommen. Ich bin Journalist bei der ''Wierzymy - Gazeta'' und wurde beauftragt eine Story über den Hopeless-Killer zu schreiben. Übrigens ist mein Name Dean. Dean Cole. Ich bin 28 Jahre alt, in Warschau geboren, jedoch in Holzhausen, einem wirklich kleinen Dorf Thüringens aufgewachsen. Ich konnte mir nie vorstellen mit Etwas anderem als dem Schreiben meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit Biologie und Mathe konnte ich nie etwas anfangen. Was mich interessierte waren Sprachen und Geschichte, Worte und keine Zahlen. Ich erinnere mich zurück an meinen damaligen Job in der städtlichen Bibliothek, womit ich mein Studium so gut es ging finanzierte. An all die Bücher und Stunden in denen ich Gruppen von Kindern versucht habe die Welt der Literatur ein Stück näher zu bringen. In Erinnerungen schwelgend, um mich abzulenken bemerkte ich erst spät, dass der Flieger kurz davor war mit den Reifen auf amerikanischem Boden aufzusetzen. Es war eine sanfte Landung und ich merkte wie meine Anspannung endlich nachließ. Mit meinem Handgepäck stieg ich aus, durchquerte das Terminal und nahm das nächste freie Taxi. Man hat mir gesagt, dass mir mein Gepäck zusammen mit den Unterlagen bezüglich des neuen Falles in den nächsten zwei Stunden nachgeschickt werden. Ich möchte erst einmal im Hotel ankommen, meine Jogginghose und ein frisches T-Shirt anziehen, die ich noch rechtzeitig in meinem Handgepäck verstaut habe, einen Tee trinken und realisieren, wo ich mich gerade befinde. Ich muss meine Gedanken sortieren und mich mental darauf vorbereiten was mir bevorsteht.

Caught in glassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt