Kapitel 27

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Meine Eltern saßen zu der späten Stunde im Wohnzimmer auf dem Sofa und unterhielten sich, als ich in den Raum kam. Ich setzte mich schweigsam dazu, während sie noch ihre Unterhaltung beendeten, bevor sie mich einbezogen.

„Warst du bei Elias?", wollte meine Mutter wissen.

„Ja", lächelte ich verlegen. „Ihr wusstet doch bestimmt, dass Elias und ich..."

„Dann weißt du jetzt, dass ihr ein Paar wart?", fragte mein Vater gerade heraus. Er ließ mich gar nicht zu Wort kommen und führte fort, aus Angst, ich könnte eine neue Szene anfangen, weil sie mir nicht gesagt hatten. „Die Ärzte haben uns geraten, dir die Chance zu geben, dich selber zu erinnern. Es wäre für deine Gesundheit besser, statt von uns alles zu erfahren. Wir haben gesehen, wie du im Krankenhaus reagiert hast, als wir dir nach und nach von deinem Leben erzählt haben und die Erinnerungen zu dir zurück kamen. Also haben wir die Bilder von Elias und dir aus deinem Zimmer genommen. Gerade eine Beziehung könnte dich sehr weit nach unten ziehen."

„Es ist nicht so, als könnte ich mich erinnern", sagte ich leise und seufzte. Dass meine Erinnerungen partout nicht zurück kommen wollten, machte mich ziemlich fertig. Ich wusste nicht, wie ich so irgendjemanden gegenüber treten sollte, der mich aus der Schulzeit kannte. Schon bei Elias fragte ich mich, ob es wirklich reichte, dass er sich erinnern konnte und so seine Zeit mit mir verbrachte. War er auf diese Art und Weise glücklich?

„Oh", machte meine Mutter enttäuscht. „Sind noch immer keine Erinnerungen zurück? Elias scheint so sehr darum zu kämpfen."

„Er gibt sich Mühe", nickte ich bestätigend. „Aber heute hat er meinen Erinnerungsverlust mit einem Blackout nach einer Party verglichen. Wenn er ein Blackout hat, lässt er sich von seinen Freunden erzählen, was geschehen ist und so ist es jetzt auch bei mir. Ich habe auch ein Blackout und er ist derjenige, der mir von früher erzählt. Ich weiß nicht, ob mir das reicht, um mit dem Verlust zurecht zu kommen aber für den Moment hat es mich ruhig gestellt."

„Wenn du möchtest, suchen wir noch andere Ärzte auf, die dich genauer ansehen und vielleicht herausfinden, warum du deine Erinnerungen nicht zurück bekommst. Vielleicht hast du ja doch einen Schaden am Gehirn und man hat ihn im Krankenhaus übersehen. Wir möchten dich nicht so leiden sehen, Carolin", führte mein Vater fort.

„Nein, es ist schon in Ordnung. Ich habe Markus und Elias und sie versuchen das Beste aus meiner Situation zu machen. Morgen gehe ich mit Elias aus", erzählte ich mit einem verlegenen Rotschimmer auf den Wangen. Für ein paar Minuten setzten sich meine Eltern auf das Date fest und meine Mutter redete mit mir sogar über die Kleiderauswahl für morgen. Sie freuten sich sehr über die Entwicklung und waren augenscheinlich froh und erleichtert, dass ich ausgerechnet Elias über den Weg gelaufen war und sich dieser so rührend um mich kümmerte.

„Okay, was wolltet ihr mit mir bereden?"

„Ach, natürlich", meinte meine Mutter und lächelte glücklich. „Schatz, möchtest du ihr das erzählen?"

„Gerne. Wir haben mit den Ärzten in Amerika gesprochen. Es wird noch etwa ein Jahr dauern aber deine Mutter kann eine Prothese bekommen. Wir würden dafür nach Amerika fliegen und sie macht ihre Reha dort, um mit dem neuen Bein das Laufen zu erlernen."

„Das ist ja großartig!", rief ich begeistert aus. „Ich freue mich für dich, Mama!"

„Danke, Liebes. Das wird ein längerer Aufenthalt werden und wir haben überlegt, ob wir dich nicht lieber hier lassen. Du gewöhnst dich gerade erst wieder an diese Umgebung und jetzt läuft es mit Elias so gut. Wir möchten dich nicht aus deinem Leben raus ziehen."

„Du bist mittlerweile auch alt genug, um für ein paar Monate alleine zurecht zu kommen. Die Entscheidung liegt aber ganz bei dir. Das hat ja auch noch Zeit", fügte mein Vater hinzu. Sie hatten recht, ich wollte nicht erneut aus meinem Leben gerissen werden. Meine Entscheidung stand bereits fest, während sie mir alles zu der Prothese und der Reha erklärten.

Verlust #catalyst500Where stories live. Discover now