Kapitel 23

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Am Samstag ging ich meiner Routine wieder nach. Erst zum Supermarkt, dann zu den Katzen und schließlich in den Park. Auf dem Weg dorthin fing es an zu regnen. Erst nur Niesel, bis die Tropfen größer wurden und meine Kleidung durchnässten. Trotzdem ging ich zum Brunnen und setzte mich auf den Rand, wie ich es schon so viel Tage gemacht hatte.

Ich war geistig vollkommen weggetreten, schwebte irgendwo zwischen dem Jetzt und einer anderen Welt, die ich nicht benennen konnte. Man sah mir deutlich an, dass es mir elendig ging und ich alles andere als glücklich war. Die hängenden Schultern, der schleppende Gang, die Mundwinkel, die im Keller hingen und Augen, die einen wissen ließen, dass man sich furchtbar fühlte. Es war offensichtlich. Daraus machte ich kein Versteckspiel.

Leute kamen und gingen. Sie warfen flüchtige Blicke in meine Richtung, ließen mich ansonsten in Ruhe. Der Regen hörte irgendwann auf, es blieb eine Weile trocken, bevor der nächste Schauer einsetzte und die nasse Kleidung erneut durchnässte. Hinter mir rauschte der Brunnen, spritzte wie gewohnt sein Wasser in die Höhe, wie auch die Hundebesitzer ihrem gewohnten Weg durch den Park folgten und die Hunde ihre gewohnte Fährte aufnahmen. Und ich saß wie gewohnt auf dem Rand des Brunnens.

„Hey." Ich sah auf, sah in blaugrüne Augen und einem zaghaften Lächeln entgegen. Elias kam noch näher und hielt seinen Regenschirm über uns beide. „Ich wusste, du würdest hier sein. Du wirst noch krank, Caro."

„Mir egal", murmelte ich. „Tut mir leid, dass du meinen Zusammenbruch gestern mitbekommen hast."

„Mir tut es leid, dass du wegen mir zusammen gebrochen bist."

„Du musst dich nicht entschuldigen. Du wolltest mir nur helfen."

Er schmunzelte. „Und du musst dich nicht entschuldigen, weil ich dich schon oft genug weinen sehen habe."

„Also nehmen wir unsere Entschuldigung zurück?", wollte ich wissen.

„Tun wir wohl." Elias lachte, entlockte meinerseits ebenfalls ein kehliges Lachen, doch auch das erstarb und ich sah wieder unter mich. „Komm mit mir. Ich wohne nicht weit weg und du kannst dich bei mir umziehen. Irgendwas wird dir von mir passen." Er lächelte und hielt mir seine Hand hin.

„Ich kann auch nach Hause gehen."

„Du willst nicht nach Hause, sonst wärst du längst dort. Komm schon, du kennst meine eigene Bude noch gar nicht." Er streckte mir seine Hand auffordernder entgegen aber ich weigerte mich weiterhin. Ich wollte mich nicht noch mehr in sein Leben drängen. Das hatte gar keinen Sinn mehr. Nachdem er letztes Jahr die Suche nach mir aufgegeben hatte, hatte er mich auch aus seinem Leben entfernt. Elias hatte sein Leben weiter geführt, mit neuen Kontakten und Freunden. Mich brauchte er nicht länger.

„Caro", seufzte er und lehnte sich mehr zu mir hin. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Dass du dich nicht erinnern kannst, weißt du woran mich das erinnert? Als hättest du zu viel Alkohol getrunken und kannst dich deshalb nicht mehr erinnern. Ich habe selber viele Blackouts deshalb und habe nur Bilder von den Partys gezeigt bekommen, an denen ich total dicht war. Es ist okay, Caro. Du musst dich nicht erinnern. Wir machen einfach neue Erinnerungen und ich werde dir die Sachen von damals erzählen. Es gibt noch so viel, was ich dir erzählen möchte."

„Das ist doch Humbug. Was willst du mit mir? Ich gehöre nicht mehr in dein Leben."

„Doch, tust du. Mehr als du glaubst, Caro", murmelte er lächelnd. „Und jetzt beweg gefälligst deinen Arsch da runter. Ich will, dass du mitkommst." Dieses Mal zögerte ich nicht, weigerte mich nicht. Ich war zwar purpurrot im Gesicht, weil er mir so nah war und mir ganz offen gesagt hatte, dass ich in sein Leben gehörte, aber ich ergriff dieses Mal seine Hand.

Verlust #catalyst500Where stories live. Discover now