Kapitel 49

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,,Miss Evans, wenn Sie es nicht für nötig halten, dem Unterricht zu folgen, dann sind sie hier ganz falsch." Eine schrille Stimme nah vor meinem Gesicht, ließ mich meine Augen vor Schreck aufreißen. Hektisch schaute ich mich um und blickte in die kichernden Gesichter meiner Mitschüler und in das wutverzerrte meiner Mathelehrerin Mrs. Torres. Mit funkelnden, fast schwarzen Augen sah sie mich mürrisch an. ,,Sie wissen genau, dass sie sich gerade durch ihre zugegeben.. mäßigen Leistungen in Mathematik keine Fehler mehr erlauben dürfen."
Sie kam mir immer näher und sah mir tief in die Augen, um die Intensität ihrer Worte zu verdeutlichen.
,,Wieso also geben Sie sich nicht wenigstens die Mühe, damit ich sehen kann, dass sie eine Versetzung verdienen." Ihre nun zu Schlitzen geformten Augen ließen meine Hände schwitzen. Ich wollte nur noch aus der Tür des Klassenzimmers stürmen und ihren und den abfälligen Blicken aller entkommen.

Doch ich konnte nicht.

Mein Körper reagierte nicht und ließ mich an Ort und Stelle sitzen.

,,Antworten Sie mir, Miss Evans", fauchte sie mich aggressiv an. Ich zuckte vor Schreck zusammen und wollte am liebsten hier und jetzt losheulen, doch ich konnte es mir gerade noch so verkneifen.
,,I-ich.. es tut mir aufrichtig leid, Mrs. Torres. Es wird nicht wieder vorkommen." Sie stemmte ihre Arme auf meinem Tisch ab und neigte sich weiter zu mir runter, meine Mitschüler beobachteten das Szenario natürlich neugierig. Wahrscheinlich mit Schadenfreude in den Augen.
,,Wenn Sie in der nächsten Klausur keine gute oder sehr gute Note darreichen können, werde ich keine Gnade mehr zeigen, also strengen Sie sich gefälligst an."

Damit drehte sie mit Schwung um und fuhr mit ihrem Unterricht fort.

Dass ich in diesem eingeschlafen war, fehlte mir gerade noch so. Ich hatte mit diesem Fach eh schon lange zu kämpfen, deswegen verfluchte ich innerlich meinen verdammten Schlafmangel. Die letzten Tage konnte ich kaum einschlafen, da mir Nick nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich hatte lange über ihn gegrübelt. Wieso er den Kontakt zu Kyle nicht befürwortete, wieso er mir schon nach so kurzer Zeit so wichtig war und weshalb ich seine dominante Art brauchte. Es klang verrückt, aber ich fühlte mich ehrlich beschützt in seiner Anwesenheit, obwohl ich ganz genau wusste, zu was dieser Mann fähig war. Ich war mir dessen bewusst und doch ging ich auf die Kreuzung unserer Lebenswege nur zu gerne ein.

Ich griff nach einem Bleistift und kritzelte das Geschriebene von der Tafel, was ich wohl verschlafen haben musste, ab. Ich stützte meinen schweren Kopf mit meiner Hand ab.

Am Freitag verlief die Verabschiedung mit Nick wie jede zuvor auch. Er fuhr mich schweigend nach Hause und lächelte mir leicht angespannt zu. Die Stimmung nach unserer kleinen Auseinandersetzung war nicht sonderlich fröhlich, weswegen ich ihm auch kurz danach erzählt hatte, dass ich müde sei und nach Hause wolle. Er hat es missmutig hingenommen und schon war der Abend vorbei gewesen.

Ich schaute hoch, um mir die nächsten Zahlen zum Abschreiben zu merken, wobei sich mein Blick mit Catherines kreuzte. Sie musste sich wohl ein fettes Grinsen verkneifen und schnell wand ich meinen Kopf ab, da sich meine Wangen wieder rot färbten.

Als ich nach wenigen Sekunden erneut in ihre Richtung sah, schaute ich nicht mehr in ihre, sondern in Auroras Augen, welche mich zynisch anlächelte. Ihre dunkelbraunen Haare waren wieder mal zu einem perfekten Pferdeschwanz hergerichtet, ihr Gesicht fast schon professionell geschminkt und ihre Klamottenwahl sorgfälltig ausgesucht. Mit ihren stechenden Augen fixierte sie mich hochnäsig. Gerade wollte ich meinen kopf abwenden, da formte sie eine Wort mit ihren Lippen.

Loser.

Dann grisnte sie noch breiter und schmiss ihren Zopf hinter ihre Schulter, ehe sie sich nach vorne drehte. Der Kloß in meinem Hals wurde dicker und immer mehr wünschte ich mir, Nick wäre hier, um mir beizustehen. Der Gedanke war zwar vielleicht eigensinnig, da er ja eventuell nicht hier sein wollte, jedoch war es ja okay den Wunsch zu hegen, solange er verschlossen in meinem Kopf blieb und nicht den Weg über meine Lippen fand.

Die Schulglocke ertönte und zügig packte ich meine ganzen Sachen zusammen. Während ich den Raum verließ, sprüte ich den intensiven Blick unserer Mathelehrerin auf meinem Rücken. Ohne auf meine Umgebung zu achten, lief ich zu den Toiletten und schloss mich in einer der Kabinen ein. Ich setzte mich auf den runtergeklappen Toilettendeckel und atmete tief durch.

Der Tag würde noch so viel mit sich bringen.

Es vergingen 10 Minuten, in denen ich mich beruhigen konnte, und gerade wollte ich aus der Kabine treten, in welcher ich mich aufgehalten hatte, als ich mir allzu bekannte Stimmen wahrnahm. Ich hielt in meiner Bewegung inne und lauschte unruhig.

,,Ich weiß nicht mal, wieso sie überhaupt mit Catherine befreundet ist. Sie ist nicht mal hübsch, kleidet sich komisch, ist ein verdammter Weirdo und zur Krönung ist sie nicht einmal unterhaltsam."

,,Ich weiß, aber ich wette mit dir, sie weiß, mit wem sie da spielt. Cath ist sich bewusst, dass die nicht einmal ein bisschen an uns herankommt."

,,Aber weshalb sollte sie den Weirdo bitte um sich haben wollen."

,,Woher soll ich das wissen?"

Eine kurze Pause enstand, bis weiter gesprochen wurde.

,,Vielleicht hat sie Mitleid."

Es wurde in Gelächter ausgebrochen und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Ich wusste, dass sie über mich sprachen, auch wenn meine Name noch nicht gefallen war.

,,Oh und wusstest du eigentlich, dass ihre Mutter tot ist? Gib mal den Lippenstift."

Schrilles Gekicher erfüllte den Raum, während ich mir auf die Lippe biss, um ja kein Geräusch von mir zu geben.

,,Nicht dein ernst!"

,,Doch! Kein Wunder, dass dieses Mädel so ein Creep ist. Die trauert bestimmt ihrer verreckten Mutter hinterher."

Die andere verstellte schräg ihre Stimme. ,,Oh, seht her, meine Mummy ist tot, ich brauche dringend Aufmerksamkei-"

Mit einem Ruck hatte ich die Kabinentür aufgeschlagen. Es reichte. Mit hochrotem Kopf und zitternden Händen stand ich nun dort, doch anstatt in überraschte Gesichter zu sehen, blickten mir direkt Auroras grüne Augen entgegen. Sie sah mir durch den Spiegel geradewegs starr in die Augen. Und es tat weh.

,,Na sieh mal einer an, wer gelauscht hat, Cloé."

Auch sie sah mich mit einem teuflischen Ausdruck an. Ich konnte es nicht fassen. Beide hatten gewusst, dass ich hier war. Mit verschleiertem Blick sah ich in das Spiegelbild von Aurora, die sich etwas nach vorne gelehnt hatte und sich einen rosanen Lippenstift auftrug.

,,Manieren hat sie auch nicht."

Ich setzte einen Schritt vor den anderen und riss sie an ihren Haaren zurück. Als ich ihr überraschtes Gesicht schauen konnten, holte ich mit meiner Hand aus und schlug zu. Sie knallte mit dem Rücken gegen das Waschbecken und sah mich entsetzt mit einer blutenden Nase an.
,,W-was.."
Bevor sie weitersprechen konnte, schlug ich erneut zu, bis sie benebelt am Boden lag und röchelnd zu ihrer Freundin sah. Cloé schrie, rannte zu Aurora und kniete sich zu ihr. ,,Aurora?!" Doch sie regte sich kaum. ,,Oh Gott, oh Gott", flüsterte sie und legte ihren Arm um ihre Schulter, ehe sie Aurora aus dem Raum schleppte. ,,Du bist krank, oh mein Gott, Scheiße, du bist krank!!"

Mit großen Augen sah ich auf meine Hand die zitternd zu einer Faust geballt war. Ich könnte sie niemals schlagen. Mein innerer Teufel zwang mich zu solchen Fantasien, die mich verstörten, jedoch zu nichts drängen.

Aurora sah mich immernoch verächtlich durch den dreckigen Spiegel an, genauso wie Cloé. Keiner lag blutend am Boden und niemand wurde verletzt.

Außer ich vielelicht.

Mit ihren Worten.

Ich setzte einen Schritt vor, aber nicht um mich zu rächen, nein, um die Flucht zu ergreifen, wie immer. Als ich den Raum gerade verließ, hörte ich hinter mir wieder das Gelächter der beiden. Es war laut, gemein und schmerzte.








So das wars für heute, meine Lieben.
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Ich wünsche euch schönes Wochende!

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