Kapitel 42

6.4K 207 14
                                    

Nach einer stillen und gleichzeitig unangenehmen, zwanzigminütigen Autofahrt sind wir an Nicks Apartment angekommen. Die Frage, weshalb er nicht zu mir gefahren war, ließ ich stumm und heimlich in meinem Kopf stehen. Ich wollte ihn nun wirklich nicht noch mehr reizen.

Gemeinsam liefen wir zum Eingang und dann die Treppen hoch zu seiner Wohnung. Auf dem Weg dorthin hatte er mich genervt am Arm gepackt und mitgeschliffen, weil ich zu langsam gewesen bin. Das hatte ich nur mit einem empörten leisen Schnauben quittiert und dem Entreißen meines Armes, als wir angekommen waren.

Dominanz erniedrigte. Das war sowohl ihm, als auch mir bekannt. Er wusste, was er mit den Menschen in seiner Umgebung damit antat, da war ich mir sicher, denn ohne Nick lange zu kennen, wusste ich schon, dass Menschen für ihn nur Schachfiguren waren. Er spielte mit ihnen und schaffte sich den Vorteil aus deren erzwungene Handlung. Er tat es, um sich im Leben zu bespaßen. Aber was fehlte ihm, dass er sowas tat? Wieso wollte er Kontrolle über Dinge, die nun mal allein vom Schicksal geleitet werden sollten oder nur konnten.
Innerlich schüttelte ich den Kopf.
Ich durfte nicht über ihn urteilen. Dazu hatte ich kein Recht. Ich war ein Kind, er ein erwachsener Mann mit deutlich mehr Erfahrung. Zudem ging mich sein Lebensstil nichts an, schließlich waren wir Bekannte, mehr nicht. Vielleicht waren wir auch schon Freunde, wer weiß.. Ich konnte die Antwort auf die Frage noch nicht endgültig definieren.

Mit verschränkten Armen stand Nick vor mir und blickte sauer auf mich hinab. Ich hatte es mir auf seiner großen Couch bequem gemacht und wartete nun auf irgendwelche Konversationsbeginne.

Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte, kam er mir zuvor und augenblicklich zuckte ich zusammen, denn seine männliche Stimme war noch eine Etage tiefer als sonst und ein Blick in sein Gesicht verriet mir, dass seine Augen auch dunkel waren, was meine Angst natürlich nicht linderte.

,,Was fällt dir ein?!", knurrte er.

Verständnislos sah ich ihn an.
Was mir einfiele?

,,Wenn du von solchen möchtegern Gangstern bedrängt wirst, wie kann dir dann nur in den Sinn kommen, auf Partys zu gehen, wo Leute feiern, die im betrunkenen Zustand genau sowas tun oder noch schlimmer: wo sich genau diese Typen aufhalten? Bist du echt so leichtsinnig?! Alkohol ist schlecht; merk dir das!"

Böse sah ich zu ihm hoch. ,,Die drei hatten eh eine Prügelei hinter sich. Ich glaube kaum, dass sie noch feiern gehen in diesem Zustand."

Aufgebracht kam Nick näher und zeigte mit seinem Finger auf mich. ,,Das haben sie auch verdient. Aber darum geht es nicht."
,,Um was dann?", fragte ich nun lauter. Dass ich meine Stimme so erhob, passierte nicht oft, eher zu selten, jedoch trieb es Nick zu weit. Er konnte doch nicht über mein Leben bestimmen!

Gestresst fuhr er sich über sein Gesicht und schaute mich dann wieder an. Kurz darauf lehnte er sich noch weiter nach vorne uns stützte seine beiden Hände neben meinen Oberschenkeln ab und war mir nun so nahe, dass ich seinen Atem wie eine an meinem Gesicht entlanggleitende Feder anfühlte. So warm und angenehm.

,,Hör mir bitte zu.. Ich möchte dir nichts böses, nur kenne ich solche Menschen zu gut und weiß genau, zu was sie fähig sind."
Verzweiflung flammte in seiner Mimik auf.
,,Ich wollte dich nur schützen."

So langsam strudelte das Gefühl von Reue durch meine Venen.
Wieso war ich wieder so gemein zu ihm? Nick wollte mir nur helfen, ich dumme Nuss.

Verlegen schaute ich auf meine Knie, die eng aneinander gepresst waren.

Wieso war ich nur so? Ich vergraulte zu oft mein Umfeld, entweder mit Langeweile, vergleichbar mit einem grauen kahlen Raum, der keinen Klecks Farbe besaß oder mit Ärgernis, weil ich immer etwas flasches hörte, interpretierte und anschließend sagte. Ich hatte kein Taktgefühl und mit meinem Aussehen konnte ich ja im Gegensatz zu den Schönlingen und gleichzeitig Beliebten auf unserer Schule nicht überzeugen. Wer cool, sportlich, machohaft, reich oder besonders gutaussehend war, gehörte zu den Beliebten. Um das Klischee zu erfüllen, könnte man ruhig das Wort "Badboy" verwenden, denn das traf ungemein zu. "Bitches" oder "Schlampen" wollte ich die besonders aufgebrezelten Mädchen mit den oft gefärbten Haaren, dem starken Make up (obwohl gerade das ja nicht immer alles über die Persönlickeit aussagt, denn es trugen auch andere schüchterne Mädchen Schminke), der knappen Kleidung, den des öfteren hohen Schuhen und teuren Accessoires nicht nennen.

Sie entsprachen zwar den Vorstellungen dieser "Spezies", doch das hieß noch lange nicht, dass man sie beschimpfen musste. Das waren auch Menschen mit Gefühlen von Trauer, Einsamkeit und der Sehnsucht nach Liebe. Sie versuchten nur eventuell ihr Selbstbewusstsein durch Aufmerksamkeit und Begierde zu ihrem Körper von Jungs zu stärken. Jeder durfte seine Entscheidungen treffen und jeder durfte sich aussuchen, nach welchen Motto man lebt. Ich sollte sie alle akzeptieren, sowie ich Nicks akzeptieren sollte. Er konnte so viele Mädchen wie er wollte lieben, mit ihnen den Akt der Liebe durchführen, sich mit Jungs prügeln, rauchen, trinken, Herzen brechen, klauen, vor der Arbeit drücken, seine Familie vernachlässigen, Ehen zerstören durch Seitenprünge oder Affären mit den Ehefrauen oder mit Menschen spielen.

Ich hatte kein Recht auf Einwände. Es war sein Leben. Er durfte es gestalten, wie er wollte..

Doch eines stand fest: Mein Herz würde er nicht brechen.






Hallo ihr Lieben,
hier gibts wieder ein weiteres Kapitel. Ich denke, ich werde euch aber später das nächste hochladen, weil ich die bisherigen Geschehnisse etwas unbefriedigend finde. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bräuchte mehr Aktion im Verlauf. In Kapitel 42 ist nämlich an sich nicht ganz so viel passiert und ich vermute mal, ihr wollte auch mehr Action? ->schreibts in die Kommis:)
Schönen Tag

BesessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt