Kapitel 6

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Wir liefen durch die Stadt, als wir an einem süßen Café ankamen. Es wirkte wirklich nett hier.
Ich folgte ihm durch den Raum, bis er mich anwies, mich zu setzten. Ich war wirklich froh, dass er mir diese Aufgabe abnahm, denn ohne dieser wäre ich gerade wirklich hilflos.
Ich drückte meine Knie zusammen und faltete meine Hände auf dem Schoß. Nervosität.
,,So Caprice, erzähl mir was von dir. Du bist ungefähr 16, nehm ich an?"
,,17", korrigierte ich ihn. ,,Was machst du gerne? Hobbys?"
Weshalb fragte er mich so aus? Wollte er mich wirklich so gut kennenlernen? Er würde eh schnell das Interesse verlieren, oder? So viele Fragen..
,,Ich male gerne, finde Katzen süß, interessieren tue ich mich für jegliche Art von Sport, spiele aber selber leider nicht alles, Musik liebe ich auch und..." Ich suchte nach interessanten Informationen von mir, scheiterte jedoch bei diesem Versuch.
Denk nach!
,,und ich liebe es, zu reisen", endete ich verunsichert meine Rede. Was, wenn er jetzt merken würde, wie kindlich ich eigentlich war? Das zum Thema guter Eindruck.

In Nicks Augen konnte ich irgendein Glänzen erkennen. Was es war und vor allem was es bedeutete, wusste ich nicht. Wie auch, es war fast so, als würde ich vor einer Person stehen, die ununterbrochen eine Maske trägt. Nur die Iriden und Pupillen sind zu sehen. Ob er lächelt, wütend ist, traurig, erregt, belustigt, gelangweilt oder nachdenklich... ich wusste es einfach nicht. Und es machte mich krank. Schleißlich konnte er mich lesen, wie ein offenes Buch; da war ich mir sicher.

Die Bedienung kam und schenkte uns beiden ein Lächeln. Sie fragte nach unserer Bestellung und ich war überfordert. Ich war durcheinander und wusste nicht, was ich nehmen sollte. Die Karte hatte ich auch noch nicht durchgelesen. Doch netterweise fing Nick für mich an zu sprechen. ,,Zwei Cappuccino bitte." Sie nickte und verschwand wieder. Wie unangenehm.
Der gutaussehende Mann mir gegenüber fuhr sich einmal durch seine schokobraunen Haare.
,,Was ist mit Familie und Freunden?" Es zog kurz in meiner linken Brustseite.
Er wusste ja nicht, was da ablief. Er konnte ja nicht Bescheid wissen.
,,Ich... also um ehrlich zu sein, ist es.. schwer für mich, darüber zu reden."
Ich versuchte meine Stimme aufrecht zu halten. Fest und selbstbewusst. Es hörte sich aber eher nach einem brüchigem kleinen Mädchen an, was ich nun mal leider war.
Sein Blick wurde sanfter und Besorgnis zeichnete sich dort ab. Er erhob seine Stimme. ,,Du musst es nicht, das weißt du hoffentlich." Ja, klar wusste ich es. Aber ich wollte es jemanden erzählen, es mal loswerden und ganz kurz die Last auf meinen Schultern teilen.. ganz kurz.
Aber das konnte ich ihm keinesfalls antun. Zusätzlich kannte ich Nick seit nicht einmal 30 min. Wir waren Fremde, die zusammen in einem Café saßen. Wie absurd.

Er fuhr fort. ,,Aber vielleicht kann ich dir helfen, indem ich mir deine Sorgen anhöre. Einen Rat kannst du bestimmt immer gebrauchen." Ein Lächeln umspielte seine Lippen und seine Grübchen, die ich bis jetzt noch nicht wahrgenommen hatte, kamen leicht zum Vorschein.

Ich fühlte mich komischerweise von einer unsichtbaren Macht dazu gezwungen. Ich dachte auch nicht mehr drüber nach, wie paradox das hier war.

Ich sammelte mich einmal kurz und erzählte ihm von meiner Freundin Catherine, wie abweisend sie manchmal sein konnte und wie verletztend ihre Taten waren, dass ihre ständigen Versetztungen mich kränkten und ich ja sonst keine Freunde hätte.
Ich war über meine Offenheit verwundert. Seit wann machte ich nur sowas? Für mich war mein Gegenüber wirklich nicht ganz normal, geschweige denn war er mir geheuer. Und doch ließ ich kurz meine Trauer an ihm ab. Warum?

Nicks Mimik blieb immer gleich und ich befürchtete, dass ich ihn langweilte, also beendete ich meine Rede. ,,Aber ist auch irgendwie lächerlich. Ich mein, ich muss ihr ja auch Freiraum lassen. Ich bin keine gute Freundin, denk ich. Ich müsste ihr mehr gönnen und nicht so viel an mich denken. Ich muss einfach nachsichtiger werden." Ich fing leicht unsicher an zu lachen. Wie lächerlich. ,,Ich wollte dich nicht langweilen, tut mir leid."
Die Kellnerin kam und stellte uns unsere Bestellung hin. Ich flüsterte ein ,,Danke" und schon verschwand sie wieder.
,,Wenn mich das Thema langweilen würde, hätte ich doch nicht danach gefragt oder?" Er nippte an seinem Getränk. ,,So und nun zu deinem Gesagten: ich glaube eher, dass Catherine die schlechte Freundin ist und nicht du. Freundschaft basiert auf ganz anderen Dingen. Mag ja sein, dass sie öfter mal nett zu dir ist, aber das reicht nicht. Zeit muss gerne miteinander verbracht werden. Sie ist hinterhältig, merkst du das nicht? Ich sag dir mal was. Wenn du so weiter machst, wirst du irgendwann allein im Regen stehen."
Es schockte mich nur nicht der Gedanke, dass er leider Gottes Recht hatte, viel mehr die Tatsache, dass wir hier wie Freund und Freundin zusammen saßen und so taten, als würden wir uns ewig kennen. Er schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit und gab mit Ratschläge zu meinen Problemen.
Was zur Hölle ist hier los...

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