Kapitel 5

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Er war mitte zwanzig, hatte mittelbraune Haare, ein symmetrisches Gesicht mit markanten Wangenknochen verziert, Tattoos auf Hals und Armen, ob es mehr waren, konnte ich nicht erkennen aufgrund seiner Kleidungsstücke, und wunderschöne graue Augen, die mich genau musterten. Doch das Erschreckende war, dass mir diese bekannt vorkamen. Ich kam nur nicht drauf.
War jetzt auch irrelevant.

Seine wohlgeformten Lippen zuckten und ihm entfloh ein tiefes kehliges Lachen. Lachte er mich aus? Beschämt wendete ich meinen Kopf ab.
,,S-sie müssen mir nicht helfen, vielen Dank."
,,Schon gut, musst nicht so zurückhaltend sein." Seine Stimme verursachte bei mir einen wohligen Schauer, der mir über den Rücken fuhr.

Seine Hand griff nach meinen Sachen und als ich sah, was dieser Mann da in seiner Hand hielt, schoss sofort das Blut in meine Wangen. Er hielt einen hellblauen BH von mir hoch, den mich Catherine gezwungen hatte zu kaufen, und grinste mich verschmitzt an. Sofort griff ich danach. Meine Hand zitterte und ich traute mich auch nicht mehr ihm in die Augen zu sehen. Er stand auch wieder auf und schaute auf mich hinunter.

,,Süß." Ich weitete die Augen. Süß? Oh Gott, wie peinlich. Ich sah nervös zu ihm auf. Ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten, aber der Blick war intensiv. Fast so, als würde er mir direkt in die Seele schauen. Das beunruhigte mich. Was war bloß los mit ihm?

Ich drückte meine Tüte gegen meine Brust und wollte mich schnell umdrehen, als er mich durch seine starke Stimme aufhielt. ,,Kennen wir uns?"

Verwundert drehte ich mich wieder um. Ob wir uns kannten? Keine Ahnung.
,,Ich denke nicht,... Sir."
Wieder einmal ertönte in meinen Ohren sein männliches Lachen und langsam bekam ich die Befürchtung, dass mich dieser Mann einfach nur lächerlich und dümmlich fand.

Er lacht dich aus.

,,Nenn mich doch Nick, okay?" Nick. Sagt mir nichts. Also hab ich mir nur eingebildet, ihn zu kennen. Ich nickte nur und umfasste den Griff meiner Tüten fester.

,,Darf man deinen Namen auch erfahren, Liebes?"
Sollte ich ihm meinen Namen sagen? Lieber nicht. Irgendwas lag in seinen Augen, was mir sagte, ich solle mich besser vor ihm in Acht nehmen. Ob es berechtigt ist, oder nicht, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Er erkannte wohl in meinem Schweigen die Antwort und verzog kurz den Mund und verengte die Augen. Doch das änderte sich so schnell, sodass es mich zweifeln lies, ob ich es mir nicht doch nur eingebildet habe.
,,Ist okay, ich wollte nur nett sein." Sein erst so interessierter Ausdruck verwandelte sich in Gleichgültigkeit und er lief kalt an mir vorbei.

Was?, hauchte ich innerlich.
Ich sah seinen Rücken und wie automatisch öffnete sich mein Mund.

Nein, lass das.

Ich wusste, was jetzt passieren würde und ich konnte es aus irgendeinem Grund nicht verhindern. Irgendwas brachte mich dazu, es zu tun.

,,Caprice!"

Er drehte sich wieder um. Mit einem Grinsen im Gesicht? Hat er das nur gespielt?

Er spielt nur mit dir, Caprice. Ein ekelhaftes Spiel. Und du rennst ihm quasi hinterher. Du bist so bescheuert.

Seine Beine trugen ihn wieder zu mir und er schaute zu mir runter. ,,Bitte?"
Erneut überkam mich Scham. ,,Mein Name.. i-ist Caprice." Er lächelte und streckte seine Hand aus und tätschelte doch tatsächlich meinen Kopf. ,,Ich wollte nicht so böse sein, war nur ein kleiner schlechter Spaß. Tut mir leid."
Ich sah in seine beeindruckenden Augen und wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich seine Berührung genoss oder ihn sofort wegstoßen wollte. Was ein Zwiespalt.
,,Schon gut, Nick." Ich versuchte ein verzweifeltes Lächeln.

Der Verkehr, die drängenden Menschen und die lauten Stimmen waren so nebensächlich. Wie eine süße Hintergrundmusik während unseres kleinen Theaterstücks. So surreal alles. Verwirrend.

Nicks intensiver Blick fraß mich förmlich auf. ,,Lass uns einen Kaffe trinken gehen." Wie bitte? Hatte er mich gerade indirekt nach einem Date oder ähnlichem gefragt? Bestimmt nicht, wer würde denn so eine graue Maus, wie mich, daten wollen. Kommt in die Realität zurück, Caprice. Das ist kein Märchenland, das hier ist das Leben.
,,Ich weiß nicht so recht..", versuchte ich mich rauszureden. Nick jedoch lief schon etwas vor und drehte sich nach kurzer Zeit wieder um und sah mich erwartend an. ,,Das war keine Frage, Caprice." Meine Füße trugen mich automatisch zu ihm. Warum? Wenn ich das nur wüsste. Vielleicht war es seine Autorität. Ja, ziemlich sicher sogar.
Als ich neben ihm ankam, grinste er zufrieden und zusammen liefen wir weiter. War passierte hier nur?

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