~17~ Mehr als krank

258 24 4
                                    

Am nächsten Morgen passiert es zum ersten mal, dass ich verschlafe.
Zum Glück nicht all zu lange, aber das ist mir noch nie passiert.

Mit hängenden Schultern und einem leeren Kopf mache ich mich auf den Weg zum Make-Up-Trailer.
Nach wie vor bin ich niedergeschlagen.
Traurig.
Mache mir Vorwürfe.
Aber Wer soll es mir verübeln?
Immerhin habe ich erfahren, dass meine Mutter tot ist.
Ich habe sie für immer verloren.

Lustlos betrete ich den Trailer und muss erst mal die ganzen Blicke der Anderen aushalten. Stephanie sagt irgend etwas, doch ich achte nicht darauf. Genau so wenig wie auf die Kommentare und Reaktionen der restlichen Leute.
Ich nehme einfach meine Sachen und widme mich meiner Arbeit an Jed Gesicht.

Es dauert länger als sonst, bis ich fertig bin. Doch als ich es endlich bin, kann ich schon nicht mehr. Ich fühle mich schlicht und weg elendig!
,,Was ist denn heute los mit dir, Leo?
Du wirkst so abwesend." möchte Jed fürsorglich wissen, als wir beide aus dem Trailer treten.
Schnell ist eine Antwort geschrieben.
'Mir geht es überhaupt nicht gut.'
,,Oh je... Ich sage PJ direkt Bescheid. Geh du wieder ins Bett. Er wird wohl kaum etwas dagegen haben, wenn du mal ein paar Tage aussetzt." meint er optimistisch. Dankbar nicke ich und schlürfe zurück zu meinem Bett.

Kaum liege ich, schlafe ich direkt wieder ein.
Wenn ich schlafe, muss ich wenigstens nicht diese elendige Trauer aushalten.
Erstaunlicherweise schlafe ich bis Mittags.
Die Männer müssten jetzt Pause haben. Dort draußen in der weiten Einöde.

Plötzliche geht meine Türe ganz langsam auf. Klar, klopfen bringt bei mir nichts. Doch Wer könnte das sein?
Meine Frage wird beantwortet, als Andy seinen Kopf durch den Türspalt steckt. Aufmunternd lächelt er mir zu. ,,Darf ich reinkommen?" fragt er fast lautlos. Ich nicke langsam und richte mich dann müde auf.
,,Jed hat mir erzählt, dass es dir nicht gut geht. Ich hab natürlich genau so wenig wie PJ dagegen, dass du im Bett bleibst und dich ausruhst. Nimm dir solange frei, wie nötig." meint er mitfühlend. Ich zwinge mir ein Lächeln ab, lege mich dann aber direkt wieder hin.
Andy versteht das sofort und verlässt mich wieder.

Schwer atme ich aus.
Ich will einfach nur noch alleine sein. Hier in der schweren Stille.
In meinen einsamen, traurigen, niederschmetternden Gedanken.
Ehrlich gesagt hätte ich es nicht erwartet, dass ich so krass reagiere. Immerhin kannte ich meine Mutter nicht.
Es ist einfach komisch...
Und doch irgendwie nachvollziehbar.

Spät am Abend, ich komme gerade mit einem Handtuch um meinen Körper gewickelt aus dem Bad, nach einer langen, beruhigenden Dusche, geht die Tür unerwartet auf.
Es ist Jed, ich erkenne ihn sofort an seinem Geruch.
Mir ist es egal, wenn er mich so sieht.
Mir ist gerade alles egal.
Doch als Jed erkennt, in was für eine eigentlich peinliche Lage er sich selbst gebracht hat, dreht er sich schnell wieder weg.

Gefühllos tippe ich ihn an die Schulter, um ihm zu signalisieren, dass er sich wieder zu mir drehen kann. ,,T-schuldige... Ich wollte dich nicht belästigen oder so." redet er sich selbst um Kopf und Kragen und läuft leicht rot an.
Ich zucke bloß mit den Schultern und setzte mich auf mein Bett.
Anstalten mich um zu ziehen mache ich keine.
Als der Kiwi erkennt, dass mir die Sache nicht peinlich ist, entspannt er sich etwas und nimmt auf einem der zwei kleinen Stühle in meinem Trailer Platz.

,,Wie geht es dir? Du siehst nicht gerade gesund aus." murmelt er und mustert mich besorgt.
Sein Blick bleibt an meinen Armen hängen.
Meinen Armen, die ich sonst immer bedeckt habe.
Eigentlich sollte niemand sie jemals zu Gesicht bekommen, sollte niemand jemals das weiße und das schwarze Lotusblüten-Tattoo sehen, welche beide Unterarme ganz bedecken.
Doch jetzt ist es mir egal. So wie alles.
Jeds Augen weiten sich. Sein Blick schnellt wieder zu meinen Augen hoch. Das pure Entsetzten ist in den graublauen Augen des Kiwis zu erkennen.
Er scheint so durch den Wind zu sein, dass er kein einziges Wort raus bekommt.
Er schaut mich einfach nur an.
Ich schaue zurück. Lustlos. Gefühllos.
Nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens hat sich Jed endlich aus seiner Starre befreit.

,,WiBla Lotus." haucht er bloß.

Stilles LebenWhere stories live. Discover now