Kapitel 26 | Das Ende

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Jax und Unser waren an Gabriels Haus angekommen und hatten alles auf den Kopf gestellt. 
Jax hatte gerade das Schlafzimmer von Mister und Misses Leith von oben bis unten durchwühlt, als er aus dem Garten plötzlich das Geräusch eines Rasenmähers hörte.
Wie von der Tarantel gestochen stürzte er die Treppe hinunter und lief in den Garten.
Ein junger Latino in einer grünen Cargo-Hose war gerade dabei, den Rasen auf Vordermann zu bringen.
Jax beobachtete ihn für einen Moment, warf jedoch jeden Gedanken des Zögerns von Bord. Er hatte das Gefühl, dass jede vergehende Sekunde zwei Sekunden zu viel waren.
Ohne weitere Umschweife griff er in die Innenseite seiner Lederkutte und zog die Glock 17 aus ihrer Halterung.
Er packte den Latino ohne Vorwarnung am Kragen und drückte die Waffe gegen seine Halsschlagader.
Der Junge riss die Augen auf, klammerte sich an Jax Hand fest und versuchte, diese von sich zu reißen.
"W-was wollen Sie von mir?", stammelte er und zappelte.
Doch Jax war stärker.
Und wütend.
"Na du Bohnenfresser? Du fickst doch die heiße Stiefmama hier im Haus, hab ich recht?!"
Der Gärtner schüttelte den Kopf und winselte wie ein Welpe.
"Lüg' mich nicht an." Jax warf ihn zu Boden und drückte einen Fuß auf seine Brust. Er zielte auf seinen Kopf.
"Ich hab doch genau gesehen was da zwischen dir und der blonden Schlampe abgeht. Also was weißt du über sie? Was weißt du, was Andere nicht wissen dürfen? Einen Ort, an dem ihr euch trefft? Wo ist der Junge versteckt?"
Dem Latino brach der Schweiß aus und er schnappte nach Luft, doch Jax drückte ihn nur fester zu Boden.
"I-ich weiß nicht-... Gaby ist nicht hier-"
Jax rümpfte die Nase und schlug dem Jungen mit der Faust ins Gesicht.
"Du weißt mehr als du sagst", knurrte er.
"Ich weiß nichts! Bitte hören Sie auf zu schlagen!"
"Ich höre erst auf, wenn ich weiß wo Gabriel ist! Also rück raus mit der Sprache." Jax entsicherte seine Waffe und hielt sie dem Jungen auf die Stirn.
Dieser schien endlich zu verstehen, dass Jax keine Späße machte.

"I-ich s-sollte doch nur-... Misses Leith hat mich bezahlt, dass ich-... dass ich mit ihm schlafe. Mehr nicht! S-sie sagte-... sie sagte, es würde sich für mich auszahlen!" Jax ließ ein Raunen von sich und schlug dem Latino mit der Waffe gegen den Kopf, sicherte sie jedoch danach wieder.
"Verdammte Schlampe", knurrte er und machte einen Schritt zurück.
"Hör mal zu du kleine Latino Nutte", Jax packte ihn erneut am Kragen und zog ihn mit einem Ruck auf die Beine.
"Sie hat Gabriel und seinen Vater in ihrer Gewalt und wenn du noch irgendwas weißt, dann sagst du es mir besser jetzt, sonst wirst du deine Eier los, hast du gehört?", nun zielte er mit seiner Waffe direkt auf den Schritt des Latinos. "Dann zahlt sich hier für dich gar nichts mehr aus."

"N-nein Sir! Ich sage alles- alles!" Der Junge schützte sich mit beiden Händen und seine Beine wurden zu Pudding.
"S-sie hat Montags immer Besuch bekommen. V-von einem Mann. E-er hieß... Frank. Frank... Schmidt, ein Deutscher. E-er - sie haben s-sich unterhalten. S-sie haben miteinander geschlafen, h-hier im Poolhaus-"
Jax fletschte die Zähne und fuchtelte mit der Waffe vor dem Gesicht des Jungen. 
"Mach dass du verschwindest. Aber Pronto"
Hastig drehte sich der Latino um und rannte davon, wobei er über seine eigenen Füße stolperte.  

Jax atmete tief durch und steckte sich die Waffe in den Hosenbund. Schnellen Schrittes lief er zurück zu Chief Unser, der gerade das Arbeitszimmer durchwühlte.
"Frank Schmidt. Wer auch immer das ist, er hat etwas mit der Entführung zu tun. Und rate mal-" Unser wartete blinzelnd.

"Er ist ein Deutscher"
"White Power?"
"Vermutlich", Jax verzog das Gesicht und wollte gerade umdrehen, da hielt Unser etwas in die Höhe.
"Schau dir das mal an. Das lag in einem Geheimfach im Sekretär"
Jax schnappte sich die Mappe, die ihm unglaublich bekannt vorkam.
"Das ist doch-"
"Eine Polizeiakte, ganz richtig. Die Polizeiakte, die Peter Leith des Mordes an seiner Frau beschuldigt. Sie sollte eigentlich bei der Staatsanwaltschaft vorliegen. Aber es gibt keine Daten mehr in der Datenbank, ich habe es eben überprüfen lassen."
Jax öffnete sie und las ein paar Zeilen.
"Dieser verdammte-"
"Lass uns gehen, Jax. Wir werden den Jungen finden."
"Und wir stecken diesen miesen Wichser mitsamt White Power in ein Loch und buddeln sie bei lebendigem Leibe ein!", Jax faltete die Akte und steckte sie in die Innenseite seiner Kutte.
Unser schüttelte energisch den Kopf.
"Wir werden sie hinter Gitter stecken. Ich kenne diesen Schmidt. Er ist Vorsitzender der rechten Partei von Charming. Dieser rechtsradikale Vollidiot sorgt immer wieder für Unruhen..."
"Wisst ihr wo er wohnt?", unterbrach ihn Jax.
"Ja, aber da wird er ihn vermutlich nicht festhalten. Jedoch besitzt er das ein oder andere Grundstück innerhalb und außerhalb Charmings... Das SEK macht sich bereits auf den Weg zu einem der abgelegenen Gebäude..."
Ihre Blicke trafen sich und Jax wusste, worauf Unser hinaus wollte. 
"Keine Chance, ich komme mit! Und wenn ich mich als einer von denen verkleiden muss."
Seufzend nickte der Alte. 
"Es hat ja sonst keinen Sinn. Lass uns den Jungen und seinen Vater da raus holen..."


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Das Knistern in Gabriels Ohren wurde immer lauter. 
Es wandelte sich langsam zu einem Dröhnen. 
Ein dumpfer, tiefer Klang, der ihm die Sinne vernebelte. 
Die Kälte, die ihn umgab, hüllte ihn in ein schwarzes Tuch.
Alles war schwer. 
Wäre es nicht einfacher, loszulassen?
Wäre es nicht einfacher, aufzugeben?

Gabriel hatte keine Ahnung, wie lange er sich selbst noch bei Bewusstsein halten konnte.
Er wusste nicht, ob es Sinn machte, weiter zu kämpfen.

Er würde hier wohl nicht lebend raus kommen.

Er würde das Tageslicht nie wieder sehen.
Er würde Jax nie wieder sehen. 

Jax.

Wo blieb er nur?
Hatte er ihn aufgegeben? 
Hatte er sich selbst aufgegeben?

Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken und seine Nackenhaare stellten sich auf. 

Jax.

Das Nebeltuch vor seinen Augen wurde immer dichter, die Geräusche um ihn herum immer leiser, als würden sie sich von ihm entfernen.
Er fühlte sich, wie in Watte gehüllt.
Ein kühler Luftzug streichelte ihm über die nass verklebte Wange.
Seine Wimpern wurden schwer.
Die Luft wurde dünner.
Das Schwarz wurde schwärzer
Der Boden unter ihm verlor sich, löste sich auf. 

Um sich herum erkannte er nur noch Silhouetten. 
Das Schlagen einer Tür,
Das dumpfe Trampeln von schweren Stiefeln.
Jemand griff nach ihm. 

Schüsse, wie aus weiter Ferne. 
Schreie, die im Nebel versickerten.

Alles lief in Zeitlupe.
Das Rauschen und Dröhnen seiner Ohren saugte alles auf und verschluckte es. 

Nun war es Stille, die um ihn herum herrschte. 
Die schwarzen Gestalten, die den Raum gestürmt hatten, verteilten sich. 
Zwei starke Arme packten seinen geschwächten Körper und hoben ihn vom kalten Beton. 
Das letzte, das er sah, waren blaue Augen hinter dem Visier eines Schutzhelms. 

War das das Ende?
War nun alles vorbei?

the Anarchy of the HeartOnde as histórias ganham vida. Descobre agora