Kapitel 17 | Die Party

202 11 2
                                    

"Ich muss was anderes anziehen...", murmelte Gabriel vor sich hin und lauschte einen Moment der Musik, die aus dem großen Club-Raum dröhnte. Metallische Klänge und raue Rock-Stimmen.
Er warf einen Blick in den Spiegel und musterte sein Gegenüber.
Mit viel Gel und Haarspray hielt seine Frisur noch immer wie eine eins. Er zupfte an den schwarzen Spitzen, die ihm von den Seiten ins Gesicht hingen und grub seine Finger so in die aufgestellten Haare auf seinem Kopf, dass sie noch etwas wilder aussahen. 
Wie in Zeitlupe glitt sein Blick an seinen eigenen Händen hinab und betrachtete das verschmierte Makeup, das er erst heute Morgen aufgetragen hatte. 
"Scheiße...", seufzend kramte er in der Sporttasche, die ihm ein Mitglied des Clubs vor einigen Stunden ins Zimmer gebracht hatte. Er glaubte sich erinnern zu können er habe sich mit Bobby vorgestellt. 

Gabriel wusch sich am Waschbecken neben der Zimmertür das Gesicht und entfernte die von Tränen verschmierten Reste mithilfe eines Abschmink-Tuchs. Als er den Kopf hob, um wieder in den Spiegel zu schauen, entdeckte er den blauen Fleck auf seiner Wange. 
Bei dem Gedanken an dessen Ursache verzog er leicht den Mund.
An seinen Vater zu denken war im Moment das Letzte was er wollte. 
Sein blasser Teint und die ungeschminkten Augen ließen ihn sehr viel Jungenhafter aussehen. Müde und erschöpft blinzelte ein paar Mal und versuchte, seine eigenen Pupillen zu erkennen. Doch die Iris seiner Augen war so schwarz, dass man die Beiden nicht voneinander unterscheiden konnte. 

Gabriel griff nach einer Tube mit BB-Cream, eine leicht getönte Tagescreme mit der er ein paar rote Flecken und die bläulich-grüne Färbung seiner Wange überdecken konnte und gleichzeitig etwas wacher aussah. 
Für die Augen nahm er dieses Mal nicht einfach nur einen schwarzen Kajal, sondern auch etwas roten Lidschatten, den er sich absichtlich unsauber um das ganze Auge herum pinselte. Der schwarze Kajal kam dicht an den Wimpernkranz. 
Lippenstift oder Wimperntusche gab es nicht.

Das ist ja schließlich was für Mädchen. 

Zufrieden mit seinem Look, der eine Mischung aus 70er Punk und Vampir darstellte, zog er sich das rosa Shirt über den Kopf und warf es neben die abgenutzte Sporttasche, in der seine anderen Klamotten steckten. Ebenso die zerrissene Jeans landete auf dem Boden. 
Stattdessen schlüpfte er in eine enganliegende rote Karo-Hose mit vielen Reißverschlüssen, Lochnieten und metallischen Gliederketten die daran herum baumelten. 
Er hatte sie vor etwa zwei Jahren in einem Punker-Laden in Los Angeles gekauft, als er mit seinem Vater zum letzten Mal im Urlaub war. Das war nur etwa einen Monat bevor dieser Emma kennen gelernt hatte und ein halbes Jahr später bereits heiratete. 
Ugh.
Auch daran wollte er jetzt nicht denken. 
Nach ein wenig kramen fand er endlich, was er suchte, um das Outfit perfekt zu machen. 

Ein Langärmliges, schwarzes Netzoberteil, das sich locker um seinen Oberkörper legte und dank seines weiten Ausschnitts seine hervortretenden Schlüsselbeine perfekt in Szene setzte. 
Als er erneut in den Spiegel sah, lächelte er zufrieden. 
Genau so mochte er sich. 
Fehlten nur noch die Stiefel.

Als Gabriel in schwarzen Lederboots, in die er seine Karo-Hose gestopft hatte, den großen Clubraum betrat, war er sofort ein wenig überfordert. 
Er hätte nie gedacht, dass die Sons of Anarchy so viele Leute kannten. 
Der gesamte Raum war voll von Menschen. 

Zu seiner Linken, dort, wo zwei große Billiard-Tische standen, vergnügten sich ein paar knapp bekleidete Blondinen mit ausladendem Vorbau mit ein paar alten Rockern, die allesamt die typische Lederkutten trugen. Sie spielten gerade eine Runde Billiard, tranken Whiskey, Bier und anderen Alkohol, während die Damen in High-Heels an ihren starken Armen hingen, ihnen ins Ohr flüsterten oder ihre aufgeklebten Wimpern flattern ließen. 
Gabriel runzelte die Stirn und sein Blick fiel auf Halfsack, der hinter der Bar stand und Gläser trocknete. 
Gabriel schluckte einen Kloß die trockene Kehle hinunter. 
Er hatte dem armen Kerl tatsächlich ein ordentliches Veilchen verpasst. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, schmerzten ihm selbst noch immer die Knöchel. 
Humpelnd machte er Platz für einen sehr großen, langhaarigen Typen, der irgendwie ein wenig nachdenklich aussah und die buschigen Augenbrauen tief in die Stirn gezogen hatte. 
Er trug einen ordentlichen Bart, so wie die meisten Männer hier, und ebenfalls eine Kutte. 
>Men of Mayhem< konnte er auf dem Patch lesen, den er über der rechten Brust trug, während er sich an Gabriel vorbei quetschte.

the Anarchy of the HeartWhere stories live. Discover now