Kapitel 14 | Die Tischrunde

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"Gabriel... gib mir die Waffe", flüsternd schritt Jax näher an ihn heran, streckte behutsam die Hände in Gabriels Richtung und suchte nach seinem Blick, der starr auf den Leichnam am Boden gerichtet war. 
"Hey... alles gut", langsam und vorsichtig legte er eine Hand auf die des Jungen und eine auf den Lauf der schwarzen Glock.
"Es ist vorbei", versuchte er ihn zu beruhigen. Er spürte das Zittern seiner Hände und schaute Gabriel noch eindringlicher an. 
"Schau mich an."
"I-ich"
"Schau mich an", wiederholte er mit Nachdruck. Gabriel riss sich vom Anblick seines Opfers los und schaute Jax in die Augen. Die seinen füllten sich mit Tränen und er lockerte seinen Griff um die Pistole. 
"Was hab ich-"
"Psscht", blitzschnell sicherte Jax die Waffe und steckte sie zurück in sein Holster, unter der Lederkutte, ehe er den zitternden achtzehnjährigen in den Arm nahm und fest hielt. 
"Du hast mir mein scheiß Leben gerettet man", kommentierte er das kurze Aufschluchzen seines Gegenübers. 
"Beruhig dich erst mal..."
"Ich-", Gabriel schnappte nach Luft und kniff die Augen zusammen. 
Jax ließ von ihm ab und warf einen Blick über die Schulter, wo der maskierte Mann lag. 
Knurrend ballte er die Fäuste und beugte sich über ihn. Mit einem Ruck zog er ihm die schwarze Strumpfmaske vom Gesicht. 
"White Power...pah!", angewidert spuckte er neben sich auf den Boden und zog ihm die Maske wieder über den Kopf. 
Gerade als er sich wieder umdrehen und nach Gabriel sehen wollte, hörte er ein Würgen und der Körper des Mannes unter ihm zuckte. 
"Shit!", erschrocken sprang Jax auf. Mit einem reflexartigen, aber sehr festen Tritt, bereitete er dem Halbtoten ein Ende. 

"Oh gott-", Gabriels Magen verkrampfte sich bei dem Anblick und er stürzte aus der Fahrerkabine des Pickups, um sich seines Frühstücks zu entledigen.
Jax schaute zu ihm rüber und seufzte tief. 
"Alles klar... Na komm schon", nachdem sich der Junge ausgekotzt hatte, half er ihm zurück in den Wagen. 
Mit Blutunterlaufenen Augen und klappernden Zähnen schaute er ihn ein wenig verängstigt an. 
Jax atmete tief durch und setzte sich so neben ihn, dass er den Mann am Boden nicht sehen konnte. 
"Hör zu, das was du getan hast war verdammte Notwehr, okay?"
Gabriel nickte zaghaft.
"Du hast mein Hirn davor bewahrt zu Brei zu werden, verstehst du?"
Wieder ein Nicken. 
"Okay." Jax zog sein Klapphandy aus der Hosentasche und tippte eine Nummer ein. 
"Hast du alle deine Sachen?"
Wieder nickte er stumm und sah Jax mit großen, glasigen Augen an, so schwarz wie ein Meer aus Pech und Schwefel.
Jackson nickte zurück und hielt sich das Plastik-Telefon ans Ohr. 

Gabriel war innerlich völlig verkrampft.
Ihm war heiß und kalt zugleich.
Seine Hände und seine Knie zitterten, sodass man es deutlich sehen konnte. 
Er wusste nicht ob er schweigen oder schreien sollte. 
Was hatte er nur getan?
Wie hatte das passieren können?
Hatte er tatsächlich einen Menschen erschossen?
Schon bei dem bloßen Gedanken wurde ihm erneut übel und er versuchte, seinen Blick auf etwas zu fixieren. Er starrte das Armaturenbrett vor sich an und begutachtete jede einzelne Staubfluse, jedes Körnchen Dreck, jeden kleinen Kratzer und jede Delle, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen haben. 

Er zählte mit geschlossenen Augen von Eins bis Zehn, von Zehn bis Zwanzig, bis Fünfzig, bis Hundert...
Doch das alles half nichts.

So sehr er versuchte, seine Gedanken von dem zu lösen, was da neben ihnen in der Auffahrt zu seinem Haus lag, er konnte es nicht.
Er konnte an nichts anderes mehr denken. 

Ein paar Minuten waren vergangen, in denen Jax telefoniert hatte und Gabriel völlig abwesend Löcher in die Luft starrte. 
"Okay Kleiner, hör zu", Jax kletterte auf den Fahrersitz und griff ihn an der Schulter, wobei der Junge heftig zusammen zuckte. 
"wir zwei fahren jetzt mit deinem Motorrad zurück zum Clubhaus, da bist du in Sicherheit. 
Die Sons kommen hier her und kümmern sich um deine Tasche, den Truck und... den Rest, okay?"
Gabriel starrte in seine blauen Augen und verstand nicht so recht. 
"W-was ist mit-?"
"Die Jungs kümmern sich um alles"
"Aber die Polizei-"
"Keine Polizei. Diese Waffe die du benutzt hast ist nicht registriert. Wenn die Bullen das raus finden bist nicht nur du im Arsch, sondern auch mein Club."
Und somit war alles gesprochen.

the Anarchy of the HeartWhere stories live. Discover now