Kapitel 9 | Blut im Schuh

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"Clay Morrow, du alter Haudegen", brummte eine bekannte Stimme aus dem hinteren Eck des Irish Pub, den Clay soeben betreten hatte. 
Mit einem verhaltenen Schmunzeln und leicht angestrengtem Blick bahnte er sich den Weg durch die kleinen, runden Tische im Halbdunkel. Clay kannte die Bar nur zu gut, da er hier schon das ein oder andere Mal mit seinen Jungs einen über den Durst getrunken hatte. 
Nicht selten war das in einer Schlägerei ausgeartet. 

Clay warf einen Blick zu seiner Linken, wo sich die langgezogene Bar aus dunklem, hoch glänzendem Holz befand. Diese schwarzen Barhocker mit dem grünen Lederbezug hatten ihm schon immer gefallen. Seine Augen wanderten von der Bar über die dunkle Holztäfelung an der Wand und blieben kurz an einem eingerahmten, sehr alten Foto hängen. 
Nostalgie flammte in ihm auf.
Die Bar gehörte einem Freund des Clubs. 
Und damit das auch jeder, der diesen Pub betrat wusste, hing in diesem Bilderrahmen ein Foto aus der Gründungszeit des Clubs. Es zeigte Clay, seinen besten Freund John Teller und den Rest der >First Nine<, der ersten neun Mitglieder von Sam Crow. 

"Setz dich doch", sagte die Stimme aus der Sitzecke, am hinteren Ende des Raumes. Clay nickte und sank langsam auf dunkelgrünen Samt. Er zeigte die Zähne, als ein leichtes Grinsen über sein langes Gesicht glitt und er mit großen Pranken die Hand eines Geschäftsmannes schüttelte. 
"Schön dich zu sehen, alter Freund."

Peter Leith trug klassischerweise einen schwarzen, maßgeschneiderten Anzug, Hemd und Krawatte. Ein Glitzern an Peter's Handgelenk ließ Clay einen kurzen Blick riskieren und er lachte innerlich, als er die Rolex entdeckte. Protzig wie eh und je. Nur so kannte er ihn. 
"Du hast noch immer einen starken Händedruck", bemerkte Peter und nickte ihm zu. Das war wohl seine Art, ihm zu sagen er sei alt geworden.
Clay zuckte mit den Achseln und stützte sich mit den Ellbogen auf dem runden Tisch ab. 
"Ja, Gemma kümmert liebevoll um meine Hände."
"Das freut mich zu hören."
Er war deutlich ergraut, dachte Clay, doch er selbst hatte ja auch nicht mehr die dunkle Mähne wie vor einigen Jahren noch. 
"Wie geht es deinem Jungen?", fragte sein Gegenüber und lehnte sich ein wenig zurück. Ein älterer Herr mit Schnauzbart kam zu ihnen an den Tisch und stellte jedem unaufgefordert ein großes Glas mit dunklem Bier hin. 

"Jax ist schon lange kein Junge mehr. Er ist mein Vize und ich bin sehr stolz auf ihn." Clay lehnte sich ebenfalls zurück und nahm einen großen Schluck aus dem Glas. "Gemma, die Jungs und ich haben ihn sehr gut hinbekommen. Er ist mittlerweile ein richtiger Mann."
"Wie alt war er noch gleich, als sein Vater gestorben ist?", Peter runzelte leicht die Stirn. 
"Fünfzehn. Hat ihn hart getroffen. Aber der Club hat ihn aufgefangen. Ihm eine Aufgabe zu geben war genau das Richtige in dem Alter." Clay strich sich den Schaum vom Bart und zog eine Zigarre aus der Brusttasche. 
"Du hast doch nichts dagegen?"
Er nahm sie zwischen die Zähne und zündete sie mit einem Streichholz an. Genüsslich zog er daran und blies den Rauch langsam in die Luft, wo er sich unter der Holzdecke des Pubs sammelte. 

Peter nippte an seinem Ale und starrte einen Moment lang auf den polierten Tisch. Das wenige Licht, dass sich im Raum befand, spiegelte sich auf der Oberfläche wider. 
"Gabriel war im gleichen Alter, als Anne..."
Clay, der den Blick hatte schweifen lassen, sah nun wieder zu Peter und beugte sich leicht über den Tisch. Er schaute ihn eindringlich an. 
"Der Junge ist in Sicherheit", beteuerte er, "Jax und Tig haben dafür gesorgt."
Peter nickte und räusperte sich. Er setzte sich ein wenig aufrechter hin und schaute Clay nun direkt in die Augen. 

"Er ist zu Hause nicht sicher. Solange wir das mit White Power nicht geregelt haben, muss er bei euch bleiben", er tippte dabei auf den Tisch. 
Clay hielt kurz inne, nickte dann aber zustimmend. 
"Verstanden." Er zog erneut an der Zigarre. 
"Ich kann ihn jedoch nicht einsperren. Meine Leute müssen noch andere Dinge erledigen, als vierundzwanzig Stunden auf einen Teenager aufzupassen", brummte er.
Peter schnaubte und schob das Glas von sich. Er griff in seinen Anzug, zog einen Umschlag heraus und hielt ihn Clay unter die Nase. 
"Riechst du das, Clay? Das ist doch alles, was du willst. Hier geht es nicht nur um einen Gefallen", Peter zog eine ernstere Miene auf. 
"Ich bezahle euch dafür, auf meinen missratenen Sohn aufzupassen. Er ist leicht zu manipulieren." Er wedelte mit dem Umschlag vor Clays Gesicht, der diesem mit seinem Blick folgte, ehe er Peter wieder anschaute. 
"Was, wenn er nicht hört?"
"Gib dem Jungen einen Grund, bei euch zu bleiben. Es ist einfach, ihn zu beeindrucken", brummte Peter und hob eine Augenbraue. "Er ist... anders. Er spielt in der falschen Mannschaft, wenn du verstehst."

the Anarchy of the HeartWhere stories live. Discover now