Braunblau 11

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Luxus POV

Ich hätte einen besseren Zeitpunkt auswählen sollen, um ihn zu zeigen was ich bin. Ich hätte nicht damit gerechnet, den Kleinen so verstören zu können. Ich habe eher gedacht, dass ihn so leicht nichts mehr erstaunen kann, wo er doch schon mit Wandlern sprechen kann, obwohl sie in ihrer Tiergestalt sind. Würde er wissen, dass sein Vater ebenfalls ein Wandler wäre, dann würde ihn das wahrscheinlich noch mehr schockieren. Er hat jetzt eh schon Probleme durch seinen Vater, da brauch er erstmal noch nicht erfahren, wer er wirklich war. 

Meine Ohren drehten sich leicht nach hinten. Das Hufgetrappel wurde lauter. Pfeile schossen an uns vorbei. Das kommt davon, wenn man den ganzen Tag auf den Beinen war und nicht gegessen hat. Wer könnte aber auch erahnen, dass eine Verfolgungsjagd auf mich wartete? 

Es bringt nichts. Ich bin zu langsam mit dem kleinen auf meinem Rücken. Wir müssen uns irgendwo verstecken. Meine Blicke huschen suchend von rechts nach links. Nichts als Bäume und Schnee, wobei letzteres für mich allein kein Problem wäre. Naja.. ich könnte ja noch was versuchen.. aber ob der Kleine damit einverstanden wäre? Ihm wird nichts anderes übrig bleiben. 

Ich bog scharf links ab, wobei Elijah fast von meinem Rücken fiel. Er konnte sich noch rechtzeitig tiefer in mein Fell krallen und seine Beine dichter an mich pressen. Seine Bewegungen passten sich den meinigen wieder ohne große Probleme an, was sich recht gut anfühlte. Ihm schien es wohl ziemlich auf meinem Rücken zu gefallen. 

Die Pferde hatten Probleme den dichteren Wald zu passieren, weswegen sie langsamer werden mussten. Das war unsere Chance. 

Flink huschte ich zwischen den Bäumen hin und her und brachte so mehr Abstand zwischen den Rittern und uns. Der Vorsprung ermöglichte es mir, hinter ein paar höheren verdorrten Büschen in Deckung zu gehen. "Steig ab." befahl ich Elijah, der kompromisslos von meinem Rücken rutschte. Ich vernahm wieder die Stimmen der Ritter und die Hufen der Pferde, die näher kamen. "Kein Ton." wendete ich mich nochmal an den Blonden, und stieß ihn in den frischen Schnee. Er schnaufte und wollte protestieren, doch dazu ließ ich ihm keine Gelegenheit. Eilig warf ich mich auf ihn und vergrub ihn somit unter meinen Körper. Regungslos lag er unter mir und wir verharrten so. 

Ich schloss meine Augen und spitze meine Ohren. Die Geräusche der potenziellen Feinde wurden lauter. Ich hörte wie sie sich über unseren verbleib fragten. Ich hoffte sie würden nicht noch näher kommen. Die Pferde könnten scheu werden und die Männer alarmieren. Tatsächlich gaben sie recht schnell auf und kehrten zum Pfad zurück, auf dem wir bis eben gingen. 

Als ich sicher war, dass sie weit genug weg waren, entließ ich Elijah wieder indem ich aufstand. Er schnappte nach Luft und saß kerzengerade im Schnee. "Warn mich.. das nähste mal." keuchte er mit Unterbrechung um Luft zu holen. "Tut mir leid, manchmal kann ich nichts gegen meine Instinkte machen." ich schmunzelte innerlich. Sein Gesicht war fast so rot wie sein Umhang, welcher die Aufmerksamkeit aller auf sich zog.

Er klopfte sich den Schnee von den Klamotten und kontrollierte den Inhalt seines Korbes. "Wir sollten schnell weiter.. es wird schon langsam dunkel." teilte er mir mit und sah sich dann suchend um. "Du hast recht... wir sollten in der Nacht rasten und am Morgen direkt zum nähsten Dorf aufbrechen. Wenn wir uns beeilen, erreichen wir dieses vor Einbruch der Dunkelheit." schlug ich vor, und er schien nach kurzen Zögern sogar einverstanden. "Dann lass uns einen Platz zum schlafen suchen." mit diesen Worten stapfte er auch schon los. Der Schnee ging ihm hier bis zu der Mitte der Waden, was das laufen nicht gerade leichter für ihn machte. Solange er aber nichts sagt, werde ich auch nicht eingreifen. Er wird sich schon melden, wenn er nicht mehr kann. 

Erst als es schon dunkel war, fanden wir einen geeigneten Platz. Ein etwas breiterer Bach sorgte für Wasser und vielleicht auch potenzielle Beute. Es würde eine Herausforderung werden ohne mein Rudel zu jagen, doch wenn ich mich geschickt anstelle, kriege ich das schon hin. 

Elijah setzte sich erschöpft auf einen herausstechenden Stein und zog seine Beine dicht an seinen Körper. "Es ist echt kalt." hörte ich ihn nuscheln. Sein Atem war sichtbar und sein Körper zitterte heftig. "Ein Feuer wäre nicht nur unmöglich mit dem feuchten Holz, sondern auch zu gefährlich." erklärte ich ihm. "Ich weiß." zischte er etwas angepisst zurück. Oh.. da war aber einer zu einer Zicke mutiert. Zum Glück steht Nutzvieh nicht auf meiner Beuteliste.. oder vielleicht doch? 

Ich schob den Schnee zur Seite um ein wenig den Boden frei zu legen. "Komm her.. ich wärme dich." wies ich Elijah an, während ich mich niederlegte. Der kleinere sah zögerlich zu mir, schien abzuwägen ob er mir vertrauen kann. Als würde ich ihn erst retten nur um ihn dann fressen zu können.  Anscheinend schien er das selbe zu denken, denn langsam und zaghaft näherte er sich mir. Er stellte seinen Korb ab und legte sich langsam neben mich. Sein Rücken war mir zugedreht und er zog seine Beine dicht an seinen Körper. Erinnerte mich etwas an ein Baby im Mutterleib. 

Um mein Angebot wahr zu machen, rutschte ich dichter an ihn, bis wir dicht aneinander lagen. Ich ließ mich auf meine Seite fallen und ermöglichte es ihm, sich an mein Bauchfell ranzukuscheln. Sein Körper hörte auf zu zittern und er drehte sich mir zu. Seine Hände gruben sich in mein Fell, streichelten leicht hindurch. Ich legte meine Vorderpfote über ihn, woraufhin er seinen Kopf auf die untere ablegte. Wäre ich kein Wolf, wäre diese Umarmung ziemlich sündhaft für zwei Jungen. 

"Bist du nun ein Mensch oder ein Wolf?" seine Frage ging fast in meinem dichten Fell unter, so sehr vergrub er sich in dieses. Ein Glück waren meine Ohren ziemlich gut. "Beides. Das leben als Wolf ist jedoch.. viel freier, deswegen ziehe ich dieses vor." erklärte ich ihm ruhig und legte meinen Kopf müde ab. Das mit dem jagen werde ich wohl auf den Sonnenaufgang verschieben. 

"Wenn du ein Mensch bist.. dann sollten wir nicht so liegen." murmelte er, doch machte keine Anstalten sich von mir zu lösen. "Warum? Fühlst du dich sonst unwohl?" wollte ich wissen. "Wir sind beides Jungen. Es könnte falsch verstanden werden, wenn wir so eng umschlungen liegen." antwortete er bloß, ohne auf meine Frage wirklich einzugehen. "Siehst du... immer diese Einschränkungen bei euch. Selbst wenn wir nackt so liegen würden, wäre es mir egal was andere davon denken. Es ist mein Leben und nur ich allein bestimme was ich für richtig und für falsch halte. " ich atmete tief durch. Niemals würde ich auf diese Freiheit verzichten können. Ich bin wohl im Herzen doch mehr Wolf als Mensch. "Interessante Auffassung.. Ich wünschte Noah würde so denken." - "Noah.. dieser Jäger, der letztes mal bei dir war?" nahm ich an und bekam ein zustimmendes Murren. "Er mag mich.. mehr als es für einen Jungen gestattet ist. Er flüchtet sogar vor dem Pfarrer." erzählte er mir wobei seine Stimme entspannt klang. Berührte ihn das gar nicht? "Er hat Angst vor etwas, was es nicht gibt." schlussfolgerte ich in einem spottenden Ton. "Glaubst du nicht an Gott?" - "Nein. Es gibt keine Beweise für ihn." - "Die Bibel." - "Woher weißt du, dass sie von Gott ist? Kann auch nur ein älterer Mann geschrieben haben." hinterfragte ich weiter, ziemlich unüberzeugt von seinen Argumenten. "Eure Existenz ist ein Werk von Gott. Es ist nicht möglich zwei Arten zu kreuzen.. " argumentierte er weiter, womit er mich etwas unvorbereitet traf. "Denkst du es war Gottes Werk?" hakte ich leicht lächeln nach. Wieder antwortete er mit einem kurzen Murren, welches dafür sprach. 

Ich beließ es dabei, da mir ehrlich gesagt nichts mehr dazu einfiel. Dieser Junge war doch tatsächlich etwas erstaunlich. Wahrscheinlich machte ihn das so interessant. Wir waren wirklich verschieden. 

Sein Körper löste zunehmend die Spannung seiner Muskeln, so lange bis sein Atem gleichmäßig ging. Auch ich entschied ein wenig zu schlafen, zu mindest zu dösen. Sobald sich meine Augen schlossen, sah ich sein Gesicht vor mir. Diese einzigartigen Augen. Eines braun und das andere blau. Beide Farben könnte unterschiedlicher nicht sein. In einem tobte das eisige Meer in dem anderen ruhte die Sanftmut eines Rehs. Wer weiß.. vielleicht steckt in ihm ja doch genug seines Vaters. Seine Augen sprechen dafür. 

Doch bis es das zu entschlüsseln gibt, bleibt noch zeit. Zeit um ihn ein bisschen besser kennen zu lernen und sein Verhalten zu entschlüsseln. Bisher gibt er sich noch recht kühl, doch ich bin sicher, dass diese Sanftmut in seinem linken Auge doch noch tief in ihm steckt. 

He is Mine [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt