62. Teil

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Als ich mich umdrehte, fiel mir etwas auf. Was - suchte das in Burak Büro?

Tatsächlich. Eine Kette von mir lag auf dem Regal. Eine Goldkette mit einem kleinen Anhänger, worauf eine Libelle abgebildet ist. Das hatte mir Murat vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt, ich trug sie sehr oft. Ich dachte, dass ich sie verloren hatte, dabei sie war die ganze Zeit bei Burak? Wieso hat er mir das nicht zurückgegeben?
Nachdem ich in die neue Wohnung eingezogen war, konnte ich die Kette nicht mehr finden. Ich habe sie wohl dort vergessen.
Ich ließ die Kette auf dem Regal stehen und ging wieder. Wenn Burak kommt, frage ich wieso er sie mir nicht gegeben hat ...

Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es kurz vor Feierabend war. Noch eine gute Viertel Stunde hatte ich. Langsam fing ich an aufzuräumen. Ich ordnete noch die Blätter ein, die ich vorhin ausgedruckt hatte und lud den Rechner runter. Gleich daraufhin klopfte es an der Türe.
„Es ist schon 17 Uhr geworden Frau Dereci, ich kann Sie nachhause fahren.", teilte mir Yusuf mit.
„Ich bin bereit wir können gehen.", sagte ich und stand auf. Zusammen gingen wir Richtung Aufzug.
„Wie war heute Ihr Arbeitstag?", fragte er, als wir den Aufzug betraten.
„Ganz gut. Es gibt mindestens keinen Burak, der mich nervt.", sagte ich und lachte.
„Manchmal zweifle daran, ob sie wirklich Freunde sind.", meinte Yusuf.
Das sind wir auch nicht, hätte ich am liebsten gesagt. Ich lachte nur und sagte nichts mehr.

Als ich zu Hause ankam, zog ich mich schnell um und bereitete mir etwas zum Essen vor. Danach entschied ich mich die Wohnung sauber zu machen. Ich wischte den Boden, hing Wäsche auf und putzte jetzt die Fenster. Meine Haare hatte ich unordentlich zusammengebunden und hatte ein übergroßes T-Shirt an. Man, wan wurden die Fenster zuletzt geputzt!

„Kader?", hörte ich im nächsten Moment. Ich sah Ilkay auf mich zukommen. Die Verwirrung in seinem Gesicht war nicht zu übersehen.
„Was ist? Noch nie jemanden Fenster putzen gesehen?", fragte ich.
„Ich bin nur überrascht.", meinte er und nahm seine Sonnenbrille ab.
„Sehe ich etwa so aus, als ob ich nichts drauf hätte? Dann unterschätzt du mich!", provozierte ich ihn und kniff mein Lachen weg.
Sein überraschtes Gesicht brachte mich nur zum Lachen. Als ich bei meiner Tante gewohnt hatte, hatte ich vieles gelernt. Dank ihr kann ich alles, was Haushalt angeht.
„War nicht so gemeint! Also, ich unterschätze dich nicht. Ich war nur überrascht."
Das ist ja nicht schwer. Ein Fenster kann jeder sauber machen.
„Ich gehe mich dann mal vorbereiten. In fünf Minuten bin ich da.", sagte ich.
„Hm, darunter verstehe ich eine Viertel Stunde.", vermutete er.
„Da irrst du dich. Fünf Minuten sind bei mir auch fünf Minuten.", sicherte ich.
„Gut, das hoffe ich. Im Auto warte ich auf dich."

Ich ging schnell hoch, um mich umzuziehen. Heute entschied ich mich ein T-Shirt und eine bequeme Stoffhose anzuziehen. Meine Haare ließ ich offen und kurz tuschte ich mir noch die Wimpern.
Und mein Outfit war auch schon fertig! In eine kleine Tasche packte ich noch die wichtigen Sachen ein und ging runter, um meine Schuhe anzuziehen.
In Kürze verließ ich die Wohnung und stieg in Ilkays Auto ein. In sein schickes Mercedes. Das müsste viel gekostet haben. Geld hat für ihn bestimmt keinen Wert.

„Ich glaub's nicht! Du bist die erste, die pünktlich ist!", überraschte ich Ilkay heute das zweite mal.
„Ich hatte dir gesagt, dass ich es in fünf Minuten schaffe.", erinnerte ich ihn lachend und schnallte mich an.
„Hast du noch andere Superkräfte?", fragte er lachend.
„Nicht wirklich.", sagte ich.
Ja habe ich. Ich kann die Rolle einer Person spielen, die Burak erfunden hat.

Wir kamen beim Krankenhaus an und Ilkay suchte nach einem Parkplatz. Nachdem er eins gefunden hatte, stiegen wir aus. Kurz blieb ich stehen und schaute das Gebäude an. Wann kommst du hier raus Batuhan? Tief atmete ich die Luft ein durch und ging weiter.
Ich hatte Angst davor, was mich erwarten würde. Als ich das letzte mal mit Burak gekommen war, sah es nicht so gut aus. Absolut nicht. Der Arzt hatte uns mitgeteilt, dass Batuhan vielleicht nicht mehr so gesund wie früher sein wird. Wenn dass passieren wird, könnte ich mir nie wieder mehr verzeihen ...

Als der Aufzug oben ankam, stieg mir die Nervosität hoch. Mein Herz schlug schneller und die Schritte wurden unsicherer. Heute sollen wir bitte gute Nachrichten erhalten!
„Aufgeregt?", fiel Ilkay meine Unruhe auf.
„Ja, ich weiß nicht was uns erwarten wird."
„Ich auch."

Nun waren wir angekommen.
Vorsichtig lief ich auf das Fenster vor Batuhans Zimmer zu. Ich hatte ihn so lange nicht besucht.
Er sah immer noch blass und leblos aus! Meine Augen fingen an zu brennen und füllten sich. Wann endet dieser Albtraum?
Was mache ich, wenn sich seine Lage nicht verbessert?
„Kader, sakin ol lütfen. (Kader, beruhige dich bitte.)", bat Ilkay.
„Nasıl sakin olabilirim? (Wie soll ich mich beruhigen?)"
„Doktorla konuşalım. Belki bir değişik vardır. (Reden wir mit dem Arzt. Vielleicht gibt es eine Veränderung.)", meinte er.
„Tamam! (Okay!)", sagte ich.

Auf dem Weg zum Arzt gingen mir so viele Gedanken durch das Kopf. Ich will nur, dass Batuhan wieder gesund wird!
Ilkay klopfte an der Türe. Wir warteten, dass sie uns geöffnet wurde.
Eine Krankenschwester kam im nächsten Moment raus und der Arzt lud uns ein.
Ilkay fragte sofort nach, in welchem Zustand sich Batuhan befand.
„Die inneren Blutungen haben momentan aufgehört. Doch seine Lage ist nicht stabil. Sie kann sich wieder verschlechtern. Wir müssen leider bedenken, dass einige Behinderungen hinterlassen werden können. Der Unfall hat leider kritische Schaden verursacht.", fing er an zu erzählen.
Oh nein! Meine Augen füllten sich wieder. Sein Zustand verbessert sich zwar, doch stabil ist es auch nicht. 
Nach einem kurzen Gespräch verließen wir den Raum.
„Seine Lage verbessert sich langsam, mach dir bitte nicht so viele Sorgen.", meinte Ilkay.
„Ich weiß, sie ist aber immer noch nicht so stabil."
„Ich habe ein gutes Gefühl, vertraue mir.", sicherte er.
Seine Mundwinkel erhoben sich.
„Das hoffe ich ..."

„Gehen wir dann?", fragte Ilkay.
„Ja, ich will aber kurz nochmal Batu sehen."
Er nickte und zusammen gingen wir wieder zur Intensivstation.
Ah Batuhan, hätte ich gewusst, dass es so enden wird, hätte ich damals auf dich gehört! Die Schuldgefühle bringen mich irgendwann um! Alles war meine Schuld! Stehe bitte wieder auf Batuhan! Ich vermisste ihn! In so einer kurzen Zeit, war er mir ans Herz gewachsen ... Seine Abwesenheit fühlte sich wie eine Lücke an.
„Weinst du etwa?", fragte Ilkay.
„Lass uns gehen!", sagte ich nur und blinzelte die Tränen weg.
Zusammen verließen wir wieder das Krankenhaus und machten uns auf dem Nachhauseweg.

Nach einer dreißig minütigen Fahrt kamen wir endlich vor meiner Wohnung an. Die Wege waren voll, weswegen es länger gedauert hatte.
„Danke Ilkay", sagte ich, bevor ich ausstieg.
„Kein Ding, falls etwas sein sollte, kannst du mich anrufen.", meinte er.
Ilkay war immer so nett zu mir. Ich verstand nicht, wieso er nicht mit Burak auskam.
„Ilkay?", fragte ich, bevor ich ausstieg.
Aufmerksam wandte er sich zu mir.
„Wieso verstehst du dich dich nicht mit Burak?"
„Vielleicht vertraust du ihm zu sehr, um seine Fehler zu sehen."
Das war eine ausweichende Antwort.
„Ich habe dir eine ganz einfache Frage gestellt.", erinnerte ich ihn.
Sein Blick blieb in der Ferne hängen. Dann schloss er kurz die Augen und schaute mich wieder an.
„Wir sind schon seit Jahren so, eine lange Geschichte.", meinte er.
„Na gut, heute kriege ich wohl nicht die Antwort.", sagte ich und stieg aus.
Schweig ruhig! Irgendwann kriege ich die Wahrheit raus.

Mit schnellen Schritten näherte ich mich meiner Wohnung und schloss die Türe auf. Heute war ein echt anstrengender Tag ...
Ich setzte mich auf die Couch und schloss die Augen. Mein Kopf macht das ganze nicht mehr mit! Burak erschwert mir wirklich das Leben!
Sein Bruder liegt im Krankenhaus wegen mir. Ach ja. Und seine Oma denkt ich sei seine Freundin!
Ich frage mich was als nächstes kommt.

Mein Handy fing an zu klingeln. Auf dem Bildschirm erschien plötzlich Buraks Name ...

1343 Wörter, 14.06.2018

Fortsetzung folgt

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