IX

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Wie ihr schon gemerkt habt, kommt in dieser Zeit nur alle zwei Wochen ein neues Kapitel, da ich einfach zu viel anderes um die Ohren habe. Ich bitte um Entschuldigung und hoffe auf euer Verständnis.

Ein schwarzer Wurm zog sich hastig durch die grünen Ebenen Anóriens. Über drei Dutzend Orks führten einen Wagen mit den drei Istari durch die Grassteppen nördlich der Ered Nimrais. An der Spitze des wargberittenen Zuges ritt Cugulim auf seinem treuen Pferd, neben ihm der Hauptmann der Orks. Der Schweiß rann Cugulim von der Stirn, nicht nur, weil die Hitze ihn zu Boden drückte und die Anstrengung des langen Rittes ihm einiges an Kraft gekostet hatte, sondern auch deshalb, weil er der einzige Mensch unter den etwa vierzig Reisenden war und die einzigen Personen, denen er hier wirklich vertrauen konnte, die waren, die als Gefangene machtlos in ihrem Wagen saßen. Als sie ihre Reise angetreten hatten, war der Ork-Häuptling zu ihm gekommen und hatte ihm mit krächzender Stimme angedroht, dass sein Schwert ihn mit Vergnügen töten würde, sollte er den kleinsten Grund dazu finden. Mit jedem Tag, der vergangen war, seit Cugulim sich dazu entschieden hatte, in Túrantos Dienst zu treten, betreute er seine Entscheidung etwas mehr. Vielleicht hätte er doch den etwas selbstsüchtigen Freitod wählen sollen.
Inzwischen war es dämmrig geworden und Cugulim suchte bereits nach einem Platz für die Nacht. Normalerweise wären die Orks die Nacht durchgeritten und hätten am Tag geruht, doch die dichte Wolkendecke, die immer noch jeden Sonnenstrahl fernhielt und die Tatsache, dass alle Länder zwischen hier und Gorothos mehr oder minder fest in Händen der Orks waren, machte dies nicht notwendig. Sie konnten diese Nacht unbesorgt zu Füßen der Ered Nimrais verbringen.
Als Cugulim eine geeignete Stelle, einen windgeschützten, großen Platz an einer hohen Felswand entdeckt hatte, gab er das Zeichen zum Halten. Sofort begannen die Orks damit, ein Lager zu errichten und auch ein Feuer war schnell entzündet. Der Hauptmann der Orks teilte Wachen ein, dann senkte sich die Nacht über das Lager, das langsam im Schlaf versank. Nur Cugulim lag auch zwei Stunden später noch wach. Er wusste nicht, ob es die Angst vor den Orks oder die vielen Gedanken in seinem Kopf waren, die ihn wachhielten, doch schließlich konnte er es nicht mehr aushalten. Seufzend stand er auf und suchte nach den drei Istari. Die zwei Wachposten, die eingeteilt worden waren, scherzten miteinander und sahen aus, als hätten sie sich etwas am Grog vergriffen, doch keiner der beiden nahm Notiz von Cugulim, als er das Lager durchquerte, um die drei Istari zu finden. Dafür wurde ein Ork, der die drei bewachte, auf ihn aufmerksam und stellte sich ihm in den Weg.
"Willst du zu deinen kleinen Freunden, Mensch?", fragte er mit krächzender Stimme und spuckte auf den Boden. Dieser Ork war offensichtlich dazu bereit, jeden Moment sein Schwert zu ziehen und Cugulim anzugreifen.
"Ich muss mit ihnen sprechen", sagte Cugulim leise, aber bestimmt. "Du wirst mich zu ihnen lassen."
Der Ork bleckte die Zähne und Cugulim rechnete jeden Moment mit einem Angriff. Dann trat der Ork zur Seite.
"Ein falscher Schritt und mein Schwert durchbohrt deine Eingeweide", sagte er mit hungrigem Blick und lächelte Cugulim spöttisch an. Schließlich trat er etwas nach vorne und ließ Cugulim stehen, der nun seinerseits zu den drei Istari hinging. Sie saßen zusammengesunken an einen Felsblock gelehnt, die Hände und Füße zusammengekettet. Dennoch schlief keiner der drei und auch zeigte keiner der drei Schmerzen. Ein warmes Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen, als sie Cugulim erkannten. Immer noch schien keiner der drei ihn für seine Entscheidung zu verurteilen und Cugulim kam ein schlechtes Gewissen. Er hätte sie in den Tagen in Minas Tirith retten sollen.
"Nichts von dem, was du getan hast, war falsch", meinte Pallando sanft. Er lächelte Cugulim gütig an und dieser fühlte sich von dieser kleinen Geste so befreit von der Last, die er mit sich trug.
"Wieso beschimpft und beleidigt ihr mich nicht?", fragte er fast schon verzweifelt. Er konnte nicht verstehen, wie die drei Istari ihn nach allem, was geschehen war, immer noch anlächeln konnten.
"Welchen Grund hätten wir dazu?", erwiderte Alatar und Radagast ergänzte: "Es klingt vielleicht seltsam, aber du hast deine Aufgabe hervorragend erfüllt."
Cugulim war nun endgültig verwirrt. Was sollten diese seltsamen Worte? Welche Aufgabe hatte er erfüllt?
"Wir sind Maiar, Cugulim, vergiss das nicht", sagte Alatar schmunzelnd. "Auch wir können die Zukunft sehen, auch wenn unsere Sicht nicht so klar und weit reicht wie der Elben, die diese Begabung hatten."
"Wir wussten, dass Túranto dich vor diese Wahl stellen wurde, nur deine Entscheidung kannten wir nicht", erklärte Pallando. "Dass du dich gegen die einfache Lösung und für die, die dir Schlechtes, aber deinem Volk nur Gutes bringt, entschieden hast, zeugt nur von deiner Liebe zu deinem Volk."
"Du, Cugulim, hast mit dieser harten Entscheidung mehr Gutes getan als manch anderer in seinem ganzen Leben", meinte Radagast mit einem Lächeln auf den Lippen, das zum ersten Mal mehr Dankbarkeit als Verrücktheit enthielt.
"Mit dieser Entscheidung hast du den Völkern Mittelerdes neue Möglichkeiten gegeben, der Unterdrückung Morgoths zu entfliehen", sagte Alatar, während er seine Stimme senkte. Flüsternd fuhr er fort: "Hättest du versucht, uns zu befreien, wärst du auf der Stelle tot gewesen und ein Verräter noch dazu. Du musst Túrantos Vertrauen gewinnen."
Cugulim nickte. Er verstand langsam, worauf die drei Istari hinauswollten.
"Orks können dir bei dieser Aufgabe nicht behilflich sein. Sie sind nicht in der Lage, sich vom Schatten Morgoths, der ihr Gemüt belastet, zu lösen", ergänzte Pallando. "Es sind die Menschen, in die du deine Hoffnung setzen musst, egal, wie verdorben sie scheinen. Sie sind alle Geschöpfe des Einen und tragen das Gute in sich."
"Habe Mut, Cugulim! Morgoth mag dir allmächtig und die Dunkelheit erdrückend erscheinen, doch die Hoffnung ist immer da", flüsterte Radagast und zwinkerte Cugulim zu. "Schatten gibt es nur, wenn Licht da ist und auch Morgoth kann auf die Nase fallen. Vergiss das nie."
Cugulim nickte als Antwort. Er fühlte sich gestärkt und die Schuldgefühle waren von ihm gewichen.
"Dann solltest du dich jetzt wieder schlafen legen", meinte Alatar. "Am besten sprichst du nicht mehr mit uns bis wir in Gorothos sind."
Cugulim nickte nochmal, flüsterte ein knappes "Danke" und stand auf, als ihn Alatar nochmals zurückhielt.
"Hüte dich vor Morgoths dunklem Einfluss! Du wirst uns zu ihm bringen und er darf keine Zweifel daran haben, dass du ihm gegenüber loyal und treu bist."
Cugulim nickte, etwas verängstigt von der Vorstellung.
"Das ist entscheidend! Wenn du ihn nicht von deiner Treue überzeugen kannst, stirbst nicht nur du, das Licht in Mittelerde stirbt mit dir."

Der letzte Silmaril II: Botschaft des SchicksalsWhere stories live. Discover now