81. ~ Alles nur Lügen und Ausreden?

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~ Carlos ~

Müde blinzelte ich ins Sonnlicht und lauschte dabei Miguels regelmässigen Atemzügen. Obwohl ich heute Nacht auch nicht besonders viel geschlafen hatte, war es mir doch sehr viel einfacher gefallen als gestern, ein bisschen zur Ruhe zu kommen, da Miguel bei mir war. Es war zwar nicht besonders bequem, sich zu zweit in das schmale Bett zu quetschen, aber ich brauchte einfach jemanden, der für mich da war.

Gestern war verdammt anstrengend für mich gewesen. Nachdem ich am Nachmittag nach ein paar Stunden Schlaf aufgewacht war, waren die Bullen da gewesen. Obwohl ich total kaputt und fertig ausgesehen haben musste, hatte ich ihnen alles nochmal bis ins kleinste Detail erzählen müssen, was ich am Morgen schon Julio erzählt hatte. Silvan und Philipp waren sogar extra aus Liverpool angereist, um sich anzuhören, was es über meinen Vater zu sagen gab.

Zumindest Philipp war richtiggehend anzusehen gewesen, wie genervt er darüber war, dass wir sie sozusagen die ganze Zeit an der Nase rumgeführt hatten, weil Dad die letzten paar Monate bei uns gewesen war und sie ihn in Liverpool immer noch gesucht hatten. Ausserdem fühlten sie sich wohl ziemlich verarscht von mir, weil ich ihnen vor ein paar Tagen nicht gesagt hatte, dass mein Vater mich aus Erics Fängen befreit hatte. Ich konnte jedoch nicht ganz nachvollziehen, warum sie so ein Drama darum machten. Ich hatte sie ja nicht wirklich angelogen, nur etwas verschwiegen und das war ja schliesslich noch lange nicht lügen.

Aber egal, auf jeden Fall waren auch noch zwei andere Bullen aus London da gewesen, denen ich hatte erzählen müssen, was passiert war. Ich hatte ihnen alles gesagt, an das ich mich noch erinnern konnte, aber trotzdem hatten sie mich regelrecht durchlöchert mit ihren dummen Fragen. Auch von den Gewaltausbrüchen meines Vaters hatte ich ihnen erzählen müssen. Julio hatte ihnen zwar im Voraus schon alles gesagt, was ich ihm erzählt hatte, aber trotzdem hatten sie verlangt, dass ich alles nochmals wiederholte.

Ausserdem hatten sie sogar noch die Blutergüsse, die von meinem Vater stammten, sehen wollen. Obwohl Miguel die ganze Zeit dabei gewesen war, hatte ich mich unendlich beschissen gefühlt und mich geschämt, als ich halbnackt vor denen da gelegen war. Von allen Seiten war ich angestarrt worden und hatte mitleidige Blicke kassiert. Ich war echt unendlich froh gewesen, als sich Julio irgendwann eingemischt und denen verklickert hatte, dass es für heute reichte.

Als sie dann endlich abgezischt waren, hatte ich fast den ganzen Abend damit verbracht, mich in Miguels Armen auszuweinen. Ich musste irgendwann vor Erschöpfung einfach eingeschlafen sein, denn als ich wieder wach wurde, war es mitten in der Nacht und stockdunkel gewesen. Miguel hatte neben mir geschlafen, wobei er noch immer seine Arme um mich gelegt hatte.

Ich hatte lange gebraucht, um in dieser unbequemen Position wieder einpennen zu können, aber irgendwann hatte es doch geklappt. Ich war zwar in dieser Nacht ständig wieder wach geworden, weil ich irgendeinen Mist geträumt hatte, aber trotzdem fühlte ich mich jetzt ein bisschen erholt. Mein Bauch tat nicht mehr ganz so weh und ich konnte mich manchmal sogar ein bisschen bewegen, ohne das Gefühl zu haben, vor Schmerzen direkt zu sterben.

Mir war klar, dass die Bullen und auch Julio heute wieder kommen würden, um mich mit weiteren Fragen zu belästigen, aber immerhin fühlte ich mich jetzt in der Lage, einigermassen passable Antworten geben zu können. Vielleicht würde es mir diesmal auch nicht mehr ganz so schwer fallen, über meinen Vater zu reden.

Ich wusste, dass Miguel bei mir bleiben würde und auch dieser Julio schien auf meiner Seite zu sein. Zumindest versuchte er, mir alles so einfach wie möglich zu machen und umsorgte mich so, als wäre er mein Vater. Naja, mein Vater hätte das zwar bestimmt nicht getan, selbst wenn er hier gewesen wäre, aber es wäre zumindest seine Aufgabe gewesen.

<< Na, wie geht's, wie steht's? >>, fragte er gut gelaunt, als er zwei Stunden später in mein Zimmer rauschte. Ich hatte etwas vor mich hingedöst und war in Gedanken ganz woanders gewesen, weshalb ich mal wieder ziemlich erschrak, als er einfach plötzlich neben meinem Bett stand. Miguel, der inzwischen auch wach geworden war, grinste mich müde an, als er meine Reaktion bemerkte.

Escape...Where stories live. Discover now