51. ~ Rabenschwarze Dunkelheit

38 3 4
                                    

~ Carlos ~

Aber da ich nicht den leisesten Schimmer hatte, machte ich mich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer, wo ich es mir mit Luca, Miguel, Lilly und einem Glas Whiskey-Cola gemütlich machte. Miguel sprach mich mit keinem Wort darauf an, was am Nachmittag passiert war. Er redete ganz normal mit mir und sah mich auch nicht mit seltsamen, misstrauischen Blicken an, so wie andere Leute das vielleicht tun würden. Dafür war ich ihm unendlich dankbar.

Wir quatschten noch eine ganze Weile über die alten Zeiten, vergangene Partys und lästerten über ein paar Menschen ab. Lilly sass dabei neben mir und ich wusste nicht, ob ich es mir nur einbildete oder ob sie tatsächlich immer näher an mich heranrückte. Ich konnte es mir nicht eingebildet haben, denn nach einiger Zeit legte sie ihren Kopf auf meine Schulter und ihre Finger berührten nicht sonderlich zufällig meine Hand.

Luca und Miguel verzogen sich irgendwann, weil sie angeblich müde waren. Aber so wie ich sie kannte, wollten sie uns einfach nur alleine lassen und nicht stören, obwohl sie mich nicht im Geringsten gestört hatten, im Gegenteil. Ich wollte eigentlich nicht mit Lilly alleine sein. Ich wusste ja nicht, was dann geschehen würde und ob ich das überhaupt wollte. Ich war mir mit überhaupt nichts mehr sicher im Leben, nicht mal mehr damit, ob ich sie wirklich liebte.

Klar, ich war letzte Nacht neben oder sogar auf ihr drauf eingeschlafen und sie hatte mich aus einem meiner Alpträume gerettet und natürlich war sie mir mehr als nur wichtig, aber seit ich das mit meinem Vater wusste, war es einfach nicht mehr das Gleiche zwischen uns. Und ich wusste nicht, ob ich überhaupt wollte, dass es jemals wieder gleich wie früher werden würde. Es war einfach zu viel passiert zwischen uns, was man nicht einfach so mal vergessen konnte.

Ausserdem könnte ich im Moment eh auf keinen Fall mit ihr kuscheln, rummachen oder sonst irgendwas in diese Richtung, denn dann würde sie sofort die Verbände an meinen Armen bemerken. Und so wie ich sie kannte, war sie klug genug, um sich denken zu können, was darunter war. Auf jeden Fall musste ich es verhindern, dass sie mein kleines Geheimnis jemals zu Gesicht bekam. Sie hätte sofort ein vollkommen anderes Bild von mir gehabt, wenn sie das Zeugs zu sehen bekäme  und hätte mich in Zukunft wahrscheinlich nur noch mit Mitleid behandelt und auf sowas konnte ich echt verzichten.

Ich spürte, dass sie mich mit ihren rehbraunen Augen erwartungsvoll anstarrte, aber ich heftete meinen Blick stur auf den Fernseher und ignorierte sie. Ich konnte und wollte das jetzt einfach nicht tun. Vielleicht irgendwann mal, aber auf keinen Fall jetzt. Mein Kopf war zurzeit eh mit ganz anderen Dingen beschäftigt, sodass ich mich nicht auf sie hätte konzentrieren können. Automatisch verkrampfte ich mich, als sie ihren Kopf erneut auf meine Schulter legte und sich bei mir einhackte. Es war ja nicht so, dass ich es nicht wollte, es fühlte sich einfach nur falsch an in diesem Moment.

<< Was ist? >>, fragte sie leicht gekränkt, nachdem ich ein Stückchen weggerutscht war. Ich hustete eine Weile rum, damit ich ihr nicht sofort eine Antwort geben musste. << Nichts >>, murmelte ich schliesslich, << ich muss nur mal kurz eine rauchen. >> Sie wusste hundert pro, dass ich log und einfach nur verschwinden wollte, aber das war mir im Moment sowas von egal. Sanft, aber bestimmt löste ich mich von ihr, schnappte mir Miguels Zigaretten und Feuerzeug vom Tisch und verschwand auf den Balkon.

Ich wusste, dass sie mir enttäuscht hinterher sah, aber ich hielte es einfach nicht aus, alleine neben ihr zu sitzen, während  sie sich erwartungsvoll an mich schmiegte. Mein Vater hatte ihre Mutter umgebracht, und das würde wohl für immer zwischen uns stehen und wir konnten das nicht einfach so verdrängen, wie Lilly es wohl gerne tun würde.

Seufzend lehnte ich mich an Lucas Balkongeländer und zündete mir eine Kippe an. Als der erste Zug in meine Lunge drang, fühlte ich mich augenblicklich besser. Es war manchmal echt unbeschreiblich, was Nikotin für eine Wirkung  auf den Körper haben konnte. Ein Joint wäre zwar im Moment noch besser gewesen, aber eine Zigarette war auch nicht schlecht. Zumindest hatte ich so der ziemlich unangenehmen Situation entfliehen können.

Escape...Where stories live. Discover now