45. ~ Emotionales Wiedersehen

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~ Carlos ~

Es gab einen dumpfen Knall, gefolgt von einem quietschenden Schleifen und einem Funkenregen. Die Mädels an Bord schrien erschrocken auf und ich wurde sofort wieder hellwach. Reflexartig riss ich das Lenkrad herum, sodass der Wagen auf die rechte Spur ausschweifte. Das quietschende Schleifen und der Funkenregen hörten dadurch abrupt auf.

Erleichtert stiess ich die Luft aus, die ich unbewusst angehalten hatte und drosselte das Tempo, um den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Erschrocken musste ich feststellen, dass der Tacho 150 km/h anzeigte. Offensichtlich hatte ich unbewusst aufs Gas gedrückt, als ich für ein paar Sekunden die Augen geschlossen hatte. Deshalb hatte ich wohl auch nicht mehr richtig gelenkt und dabei die Leitplanke gestreift.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und meine Finger krallten sich krampfhaft ins Lenkrad. Prüfend warf ich einen Blick in den Rückspiegel. Weit und breit war kein anderes Auto zu sehen, also konnte niemand diesen kleinen Ausrutscher mitbekommen haben.

<< Alter, halt sofort an! >>, schrie mich Miguel panisch an. << Du kannst so nicht einfach weiterfahren! >> Ein weiteres Mal blickte ich in den Rückspiegel und sah mir die zu Tode erschrockenen Gesichter meiner Mitfahrer an. Luiza schrie immer noch, Ruben weinte, Cathy verdeckte sich vor Angst die Augen mit den Händen und Miguel blickte mich zwar erschrocken, aber eindringlich an. << Na mach schon! Fahr rechts ran! >>, mischte sich jetzt auch noch Lilly ein und krallte sich hysterisch in meinen Arm. Sofort riss ich mich sanft, aber bestimmt los und legte wieder beide Hände ans Steuer, um auf den Pannenstreifen zu wechseln. So hatte das wirklich keinen Sinn mehr.

Mit zitternden Fingern würgte ich den Motor ab uns stieg aus, um mir den Schaden anzusehen. Wenn mein Vater das jetzt zu Gesicht bekommen hätte, hätte er mich wahrscheinlich auf der Stelle erwürgt und totgeschlagen. Die gesamte Fahrerseite des Audis war, auf der Höhe wo die Leitplanke gewesen sein musste, von einem tiefen Kratzer durchzogen. Ich verbrannte mir die Finger, als ich vorsichtig über den Kratzer streichen wollte.

Verdammte Scheisse, ich konnte echt froh sein, dass dieser Kratzer das Einzige war, was passiert war. Es hätte schliesslich auch sein können, dass sich der Wagen quergestellt und überschlagen hätte oder dass ich anstatt der Leitplanke in einen anderen Wagen reingebrettert wäre.

<< Vergiss den Kratzer, dass ist nur ein Lackschaden, aber lass jetzt bitte mich fahren. Du bist viel zu müde dafür und ich will nicht, dass wir noch einen richtigen Unfall bauen >>, redete Miguel, der auch ausgestiegen war, sanft auf mich ein und nahm mir den Schlüssel aus meinen zitternden Fingern. << Kannst du überhaupt fahren? >>, fragte ich total abwesend und starrte immer noch apathisch den Kratzer an. Es war echt mehr als nur ein Lackschaden. Das konnte man bestimmt nicht einfach nur überlackieren und gut war, dafür war der Kratzer viel zu tief und zu lang.

<< Klar kann ich fahren und ich bin auch nicht so müde wie du und jetzt komm, steig wieder ein, bevor noch jemand kommt >>, meinte er selbstsicher und schob mich sanft Richtung Wagen. Lilly räumte den Beifahrersitz und quetschte sich auf die Rückbank, sodass ich neben Miguel sitzen und navigieren konnte. Zumindest für das sollte ich noch zu gebrauchen sein, denn ich kannte mich ja schliesslich aus hier.

Ich fror als hätte es 30 Grad unter null, als Miguel den Motor anwarf und vom Pannenstreifen abfuhr. Beinahe hätte ich die wichtigsten Menschen in meinem Leben schwer verletzt oder sogar getötet, nur weil ich zu dumm war, denn Wagen unter Kontrolle zu halten. Ich glaube, ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn etwas Schlimmeres passiert wäre, als dieser Kratzer. Mit sowas hätte ich einfach nicht leben können.

Ich zitterte immer noch am ganzen Körper, als Miguel die Ausfahrt Richtung Liverpool nahm und war froh, dass mir Lilly von hinten die Hand auf die Schulter legte. << Es ist okay Carlos, es ist ja nichts Tragisches passiert >>, flüsterte sie mir zu, aber auch das half nicht gegen mein Zittern. Ich musste mich verdammt zusammenreissen, damit ich Miguel rechtzeitig die richtigen Abzweigungen ankündete, als wir in der Innenstadt gelandet waren, obwohl ich mich hier eigentlich besser auskannte, als irgendwo sonst auf der Welt.

Escape...Where stories live. Discover now