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Unter Tränen beschloss ich Felix anzurufen.
"Hey, Harper. Was gibt's?", meldete er sich.
"Felix...", gab ich mit zitternder Stimme zurück.
"Schatz, was ist los? Warte, wo bist du? Ich hole dich ab." Schluchzend erklärte ich, wo ich war, ich setzte mich an den Straßenrand und wartete auf ihn. Ein paar Minuten später sah ich das Auto von Felix, er hielt vor mir und machte die Beifahrertür auf.
"Steig ein.", forderte er mich auf. Ich stand auf und kam seiner Bitte nach. Im Auto beruhigte ich mich langsam etwas und die Tränen begannen auf meinen Wangen zu trocknen. Verständnisvoll, dass ich nicht reden wollte, fuhren wir zu Felix nach Hause. Ich war mir zumindest sehr sicher, dass wir jetzt bei ihm zuhause waren, immerhin war ich ja noch nie bei ihm.
Vor einem Haus angekommen, stiegen wir aus und machten uns immernoch schweigend auf den Weg zur Haustür. Er schloss die Tür auf und wir traten ein.
"Schatz, wir gehen erst mal hoch in mein Zimmer und da erzählst du mir alles.", sagte er leise und rief anschließend ein lautes Hallo ins Haus.
"Hallo Felix. Hallo, du musst Harper sein. Felix hat schon viel von dir erzählt. Ist alles okay? Oder ist etwas passiert?", gab sie zum Ende hin besorgt zurück.
"Mum, überfall sie doch nicht gleich so. Wir gehen in mein Zimmer, wenn was ist sagen wir Bescheid."
"Okay." Felix nahm meine Hand und zog mich nach oben in sein Zimmer, er drückte mich vorsichtig auf sein Bett und setzte sich auf einen Stuhl vor mir.
"Und jetzt erzähl, was ist los?" Ich atmete einmal kurz durch und fing an zu erzählen.

Am Ende hielt mich Felix im Arm und ich musste nur noch mehr weinen. Es tat gut alles jemandem erzählen zu können. Felix war ein wirklich guter Zuhörer, er hatte mich kein einziges Mal unterbrochen, sondern hatte einfach aufmerksam zugehört.
"Pssst, alles wird gut mein Schatz. Taylor, meint es bestimmt ernst mit dir und deshalb hat er nichts zu dir gesagt. Bestimmt will er nichts mit den Geschäften seines Dads zu tun haben."
"Meinst du wirklich?", schniefte ich.
"Ich will trotzdem nichts mehr mit ihm zu tun haben, er hat mich zu tiefst verletzt, er hat mich angelogen. Er kennt den Mörder meiner Mutter und hat nichts gesagt, nein, warte er ist sogar mit ihm verwandt."
"Schatz, mach dir keinen Kopf. Streich ihn fürs Erste aus deinem Kopf. Wir müssen dich jetzt erstmal ablenken. Komm wir gehen runter zu meiner Mum.", munterte er mich auf und zog mich auf die Füße. Mittlerweile hatte ich mich wieder beruhigt und ich weinte nicht mehr. Er nahm meine Hand und zog mich vorsichtig nach unten in die Küche. Wir setzten uns auf zwei Barhocker und schauten Mrs Cobe an.
"Mum, machst du uns eine heiße Schokolade?", fragte Felix.
"Aber klar doch, Schätzchen." Kurz darauf, stellte sie zwei Tassen vor uns.
"Danke, Mrs Cobe."
"Nicht Mrs Cobe, Liebes, ich bin Marilyn, aber du kannst mich auch Mary nennen." Mary. Wie meine Mum.
"Wie meine Mum.", murmelte ich.
"Liebes, was ist denn eigentlich passiert? Du siehst so aufgelöst aus."
"Jungsprobleme.", seufzte ich und nippte an der Tasse.
"Ach, Liebes, du bist hier immer willkommen."
"Ihr seid zu nett zu mir.", erwiderte ich und ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen.
"Du bist der erste Mensch, der meinen Felix so nimmt wie er ist und dem egal ist, dass er schwul ist. So viele Menschen haben ihn deswegen schon runter gemacht und zum Außenseiter gemacht. Du bist so anders, du akzeptierst ihn einfach."
"Das ist selbstverständlich. Außerdem war ich die Seltsame an der Schule, die keine Freunde hatte, aber seit ich Felix kenne, ist es ganz anders."
"Das glaub ich nicht. Wie kommt es denn dazu?"
"Ich habe sieben Brüder. Sie sind sowas wie die Badboys der Schule und sie wollten nicht das jemand weiß, dass wir verwandt sind, um mich zu schützen. Die Jungs hatten Angst von meinen Brüdern geschlagen zu werden und die Mädchen dachten ich wäre eine ihrer Schlampen, somit war ich nur die Komische."
"Das tut mir Leid, Liebes." Wir unterhielten uns noch etwas, es war echt schön, sie ließ Themen wie Jungs oder meine Brüder einfach weg. Es war echt entspannend.

Über Nacht blieb ich bei Felix, wie auch das ganze Wochenende. Es war entspannend und befreiend, wir unternahmen etwas mit einander und die Ablenkung funktionierte definitiv. Niemand redete rein, wenn wir etwas tun wollten. Sonntagabend brachte Felix mich nach Hause, dass ich für Montag auch meine Schulsachen hatte, meine Brüder ignorierte ich, auch wenn ihre Sorgen berechtigt waren. Ich wollte ihnen einfach nicht gegenüber treten. Das Ganze ging eine Woche, ich war größtenteils bei Felix, ignorierte meine Brüder und machte nichts mehr für sie. Die zweite Woche wurde schon besser, ich redete wieder mit meinen Brüdern, im Haushalt tat ich trotzdem nichts für sie. Taylor ging ich aus dem Weg, er hatte es nicht verdient Aufmerksamkeit zu bekommen, er hatte mir das Herz gebrochen. Immer wenn ich Taylor nur sah, zog sich mein Herz vor Schmerz zusammen und ich lief weg um nicht in Tränen auszubrechen. Taylor sah verletzt aus, es nahm ihn also auch mit, trotzdem konnte ich mich nicht mehr auf ihn einlassen, ich hatte zu große Angst verletzt zu werden. Ich hielt mich also von dem Jungen, den ich liebte, fern, nur um nicht noch mehr von ihm verletzt zu werden, auch wenn er für die Taten seines Vaters ja gar nichts konnte. Ja, ich liebte Taylor.


Life against Brothers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt