Prolog

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Prolog

Ich erinnere mich, wie ich im feuchten Gras lag, ein schwaches, warmes Etwas, das unaufhörlich zitterte vor Angst.
Der Wolf, der mir solche Angst bereitete, war vor wenigen Minuten noch mein Freund Lars gewesen, der mich liebevoll angeblickt hatte. Nun biss, leckte und zerrte er an meinen Gliedern.
Die Sonne blendete mich und ich spürte, wie meine Kleider von der Feuchte des Grases nass wurden und sich mit meinem Blut vermischten.

Seine rücksichtslosen Zähne rissen an meinem Arm und fuhren weiter bis zu meiner Kehle. Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, als er zögerte.
Warum beendete er es nicht? Ich hätte schreien oder mich wehren können, aber ich tat es nicht. Ich schloss meine Augen und ließ es über mich ergehen. Ich sollte Schmerzen spüren, aber da war kein Schmerz. Nur eine Unmenge Blut und die Angst, vermischt mit einer verzehrenden Müdigkeit und Kälte.
Ich spürte die Sonne auf meinem Gesicht, die vergeblich versuchte mich zu wärmen. Und ich wünschte, ich könnte meine Augen noch einmal öffnen, um in den Himmel zu schauen. Ich wartete auf den tödlichen Biss, der mich ersticken ließ und mich für immer aus dieser grausamen Welt verbannen würde, in denen die Märchen über Werwölfe wahr zu sein schienen, aber er blieb aus.

Mit letzter Kraft öffnete ich die Augen, drehte meinen Kopf zu der Wolfsschnauze über mir und schaute in graue Augen. Lars hatte braune und da dämmerte es mir: Mein Vater kam, um mich zu retten. Doch meine Starre löste sich nicht und ich wusste nicht, wie lange ich in diese Augen geschaut hatte, bis ich ihn erkannte.

Ich sollte geschockt sein darüber, dass er genau so ein Tier wie Lars war, doch nichts schien mehr für mich unglaublich oder eine Bedeutung zu haben. Ich war in Sicherheit und das zählte - oder?


Wolfsblut (I) | WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt